Erleben wir beim fünften (!) Saisonlauf in Barcelona endlich den ersten direkten Schlagabtausch zwischen Nico Rosberg und Lewis Hamilton? Bislang ist es in der Formel-1-Saison 2016 noch nicht dazu gekommen. Zuerst verdarb es Hamilton zweimal am Start selbst, dann spielte ihm die Technik genauso oft bereits im Qualifying übel mit. Anders beim Spanien GP.

Am Sonntag kehrt der Weltmeister zurück in Reihe eins. Direkt daneben steht der aktuelle WM-Spitzenreiter. Diesmal hat es für Rosberg jedoch 'nur' für P2 gereicht. Hamilton war knapp drei Zehntel schneller. Dabei hatte der britische Mercedes-Pilot doch den kompletten Freitag massiv mit der Balance seines Silberpfeils zu kämpfen gehabt. Doch schon im Q2 knallte Hamilton plötzlich eine Sensationszeit hin, schüttelte Rosberg um sechs Zehntel ab. Phönix aus der Asche! Zufall?

Nicht für Nico Rosberg. "Mit ihm muss man immer rechnen. Das ist klar. Leider ist er dann am Ende sogar schneller gewesen", sagt der Deutsche auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com. Allerdings ist es nicht ganz so einfach. Klar, Hamilton hat die Fabelzeit erzielt - und nach einem kaptialen Verbremser im ersten Q3-Schuss mit der Pole noch einmal bestätigt. "Die Runde war unglaublich. Er war schon in der vorherigen Runde zweimal lila, Die Zeit ist echt beeindruckend", jubelt Toto Wolff. "Lewis-like!" Doch war es nicht allein Hamilton, dem die Lorbeeren dafür gebühren. Rosberg selbst hatte einen Anteil.

Hamilton übernimmt Rosbergs Setup

Das gibt Hamilton offen zu. "Ich hatte gestern ein Problem mit irgendwas am Auto. Es war nicht gerade der leichteste Tag, ein bisschen verschwendet. Nico kam mit dem Auto gut klar, also sind wir mehr in die Richtung gegangen, die er eingeschlagen hatte", berichtet Hamilton. Der Brite hat also das Freitagssetup Rosbergs übernommen oder sich zumindest daran orientiert. "Ja, das ist so", bestätigt Rosberg.

Viele Änderungen seines eigenen Setups seien allerdings gar nicht nötig gewesen, weigelt Hamilton schließlich doch noch ab. "So weit waren wir gar nicht weg. Wir mussten nur ein bisschen korrigieren. Ich habe heute trotzdem nochmal bei Null angefangen und es war sehr, sehr schwierig. Aber das Auto hat sich sofort großartig angefühlt nachdem wir es geändert hatten. Das war eine echte Erleichterung für mich", sagt Hamilton.

Krumm nimmt ihm Rosberg die Angelegenheit ohnehin nicht - obwohl er jetzt sogar hinter Hamilton gerutscht ist. Jedenfalls lässt er es sich nicht wirklich anmerken. "Natürlich bin ich enttäuscht, ich wollte heute Erster sein. Lewis war im Quali heute schneller. So ist es", sagt er nur. Vielleicht, weil sich Rosberg ohnehin noch viel ausrechnet, Stichwort Start. Und genau dieses Thema ist es, bei dem dann plötzlich doch noch der Seitehieb Richtung Hamilton aus ihm herausplatzt.

"Das Rennen zählt! Und er ist dieses Jahr noch nie als Erster aus der ersten Kurve gekommen. Vielleicht hilft mir das morgen ein bisschen, dass er da vielleicht nicht komplett selbstsicher ist ...", stichelt Rosberg.

Hamilton im Vorteil: Bessere Starts + Statistik + saubere Seite

Hamilton sieht das grundanders. "Ich habe an den Starts gearbeitet. Meditiert oder so? Nein! Ich weiß aber, dass ich in der besten Ausgangsposition bin. In China hatte ich den besten Start im gesamten Grid", erinnert er. Die gute Ausgangsposition besteht aus gleich zwei Vorteilen: Der sauberen Seite und der Statistik. 19 der vergangenen 25 Grands Prix in Barcelona hat der Polesitter gewonnen.

Trotzdem setzt Rosberg auf die die Regel bestätigende Ausnahme. "Der Lauf runter zur Kurve eins ist hier lang, also ist schon die Chance da, wenn du einen guten Start erwischst - und ich hatte dieses Wochenende echt gute Probestarts", sagt er. Mehr Risiko wolle er nur wegen seines deutlichen WM-Vorsprungs jedoch nicht eingehen.

Zaubert Rosberg ein Reifen-Ass aus dem Ärmel?

Muss Rosberg vielleicht auch nicht. Denn in der Hinterhand könnte er noch einen Joker bereit halten: Den Startreifen. Bekanntlich müssen die Top-10 in der Formel 1 mit jenem Satz starten, auf dem sie ihre Q2-Bestzeit erzielt hatten. Jene Session also, in der Hamilton eine Fabelzeit erzielte während Rosberg weit abfiel. Hat Rosberg absichtlich langsam gemacht, um den Gummi zu schonen. "Nein, ich habe gepusht. Ich habe nicht Reifen gespart", widerspricht er.

Toto Wolff glaubt seinem Schützling nicht. Dafür an die Schlitzohrigkeit seines Schützlings. "Ich habe ihn gefragt. Er meinte volle Pulle. Aber das war es nicht. Der Reifen ist mit Sicherheit noch besser als bei Lewis. Ich glaube, man kann sicher noch von P2 gewinnen, besonders wenn man noch einen guten Reifensatz hat am Start", sagt der Mercedes-Motorsportchef.

Vorfreude auf erstes echtes Mercedes-Duell

"Es wird harte Arbeit morgen, denn Nico ist echt schnell. Ich muss in Bestform sein", warnt auch Hamilton. Rosberg dagegen freut sich einfach auf den vielleicht ersten direkten Schlagabtausch. "Ich will, dass es ein großer Kampf gegen Lewis wird, eine Herausforderung. Ich will morgen gewinnen und werde alle Chancen ergreifen", tönt der Seriensieger.

Allerdings muss Rosberg es auch gleich am Start schaffen. Überholen ist in Barcelona traditionell schwer. Deshalb müsse Mercedes darauf achten, mit beiden Autos gut wegzukommen, um dann den eigenen Strategie-Stiefel fahren zu können, sagt Wolff. Bloß nicht hinter einen Red Bull zurückfallen! "Die hatten nämlich gestern im Longrun auch eine ziemliche Pace", erinnert Wolff. "Es hängt alles vom Start ab." Und dabei ist man sich im gesamten Mercedes-Lager auch wieder einig.