Auf diese Pressekonferenz in Spanien haben die F1-Journalisten sehnlich gewartet: Am Donnerstagnachmittag müssen sich die Beteiligten der Fahrerrochade von Max Verstappen und Daniily Kvyat zwischen Red Bull und Toro Rosso in der offiziellen FIA-PK der Weltpresse stellen. Eine höchst spannende und irre unterhaltsame Vorstellung. Kult-Status garantiert. Motorsport-Magazin.com zeichnet die bizarre Situation im Detail nach.

Insbesondere der auf's Abstellgleis Toro Rosso verbannte Kvyat steht natürlich zuerst im Fokus. "Das war ein Schock für mich", berichtet der sichtbar angeschlagene 22-Jährige. Mit zittriger Stimme, aber mit klaren, meinungstarken Aussagen. Erfahren hätte er von seiner Ausbootung auf dem Sofa. Red-Bull-Motorsportberater Helmut Marko habe ihn angerufen, als er gerade eine Folge 'Game of Thrones' angesehen habe. Ausgerechnet die Kultserie Game of Thrones, deren Leitmotive der ewige Kampf um den Thron, Intrigen, gescheiterte und gestürzte Helden sind. Ein Spiegel für Kvyat Schicksal in der Formel 1.

Kvyat versteht die Welt nicht mehr:
Alles gegeben, keine Begründung von Red Bull

Aber zurück in eben diese Realität und zu dem Anruf Markos. Ein gar nicht mal so kurzes Gespräch, etwa 20 Minuten, so Kvyat. Eine genaue Begründung aus der Chefetage sei trotzdem ausgeblieben. "Es gab keine echten Erklärungen. Wenn die Bosse etwas wollen, dann machen sie es eben. Ich sehe keine echten Gründe, habe nur ein paar interessante Details erfahren, die ich aber erst einmal für mich behalten möchte", sagt Kvyat.

Kvyat kann die Entscheidung Red Bulls demtentsprechend in keiner Weise nachvollziehen. "Aus meiner Sicht habe ich dem Team alles gegeben. Ich habe Punkte geholt, Entwicklungsarbeit geleistet und stand vor drei Wochen auf dem Podium. Die Frage nach den Gründen können die Entscheidungsträger besser beantworten", ergänzt der Russe. "Ich habe alles richtig gemacht und werde nichts ändern." Allein der Unfall mit Sebastian Vettel in Russland könne jedenfalls nicht den Ausschlag gegeben haben. Ohnehin sind sich in der Szene viele einig, Red Bull habe den Patzer Kvyats in Russland schlicht als Aufhänger für eine Beförderung Max Verstappens genutzt, um diesen an den Rennstall zu binden, sich so vor Abwerbeversuchen seitens Ferrari zu bewahren. "Damit wollten sie wohl sicher gehen, dass Max in ihrem Team bleibt", sagt etwa Romain Grosjean.

Verstappen im siebten Himmel: Chance statt Risiko

Hört man sich PK-Teilnehmer Verstappen an, ist dieser Plan offensichtlich aufgegangen. Für den 18-jährigen Youngster ist ein Traum früh wahr geworden. "Ich bin sehr glücklich über diese Chance, die sie mir gegeben haben", sagt Verstappen am Donnerstag. "Es war immer der Plan, für ein Topteam zu fahren. Aber es ist nicht an mir, zu sagen, wer etwas verdient hat und wer nicht."

Das Risiko, der Weg ins Topteam könne zu früh für ihn kommen, redet der Niederländer klein: "Ich glaube, es war ein größeres Risiko überhaupt so früh in die Formel 1 zu kommen. Und eine zufriedene Person leistet immer mehr - und genau das bin ich gerade ..." Noch dazu könne er jetzt auf einen erfahreneren Teamkollegen bauen. "Daniel hat keine Schwäche. Er ist ein großartiger Typ und sehr schnell. Ich werde viel von ihm lernen können", schwärmt Verstappen von Ricciardo.

Kvyat unterdessen sieht seine F1-Karriere durch den Abstieg zum Schwesterteam Red Bulls alles andere als in der Dämmerung - so war es nicht wenigen; zunächst hoch gelobten; Talenten im Ausbildungsmodell Red Bulls ergangen. "Gefeuert finde ich etwas hart gesagt. Ich habe bei Toro Rosso ja immer noch eine gute Chance", meint er. Kurzfristig muss Kvyat jedoch einen Kompromiss eingehen: "Das Team wählt die Reifen aus, nicht der Fahrer, also habe ich jetzt die Wahl, die Toro Rosso für Max getroffen hat", erklärt er - und kann schon wieder scherzen: "Aber meine Punkte und mein Podium behalte ich!"

Kämpfer Kvyat: Gebe laute Antwort auf der Strecke!

Und die wolle, nein werde, er nutzen: "Ich versuche, eine laute Antwort auf der Strecke zu geben, nichts ändert sich für mich", sagt Kvyat. "Ich bin sehr hungrig, und ich habe nicht das Gefühl, dass ich fallengelassen wurde. Es gibt auch bei Toro Rosso Vieles, für das es sich zu kämpfen lohnt."

Kvyats neuer Teamkollege Carlos Sainz, ebenfalls Teilnehmer der PK, gibt unterdessen den Diplomaten. "Wir müssen jetzt einfach weitermachen und mit Dany versuchen, um P5 in der Team-WM zu kämpfen. Es gab viele Änderungen im Team. Aber es ist nicht mein Job, die Wechsel von Fahrern und Ingenieuren zu kommentieren. Ich vertraue Toro Rosso und Red Bull da vollkommen", sagt der Spanier.

Carlos Sainz freut sich auf seinen neuen Teamkollegen, Foto: Sutton
Carlos Sainz freut sich auf seinen neuen Teamkollegen, Foto: Sutton

Hamilton und Alonso machen Witzchen

Etwas anders sieht das Lewis Hamilton. Der Weltmeister, in dieser Pressekonferenz ausnahmsweise nur Randnotiz, hegt gewisse Zweifel am Vorgehen Red Bulls. Ja, es sei wichtig, einen jungen Fahrer nicht zurückzuhalten. Manche bräuchten eben länger, andere seien schneller so weit. Aber: "Ich drücke Danill wirklich die Daumen. Sie haben hier zwei großartige Fahrer und ich hoffe, dass das jetzt keiner ihrer Karrieren schadet. Zu viel Druck, zu viel Stress können so früh in die falsche Richtung führen", warnt Hamilton. Der Weltmeister weiß, wovon er spricht. Immerhin startete Hamilton selbst seine Karriere sogar direkt bei McLaren - damals absolutes Top-Team.

Dort fuhr Hamilton an der Seite von Fernando Alonso. Genau der sitzt in der berüchtigten Spanien-PK nun neben ihm - und liefert gemeinsam mit Lewis den Lacher schlechthin. "Sie haben die Fahrer gewechselt??", entgegnet Schauspieler Alonso auf eine Nachfrage zu seiner Meinung zum Thema. Dann Richtung Hamilton: "Wusstest du es?" Hamilton spielt grandios mit: "Nein - ich hatte ja keine Ahnung!"

Weitere Stimmen zum Fahrerwechsel bei Red Bull

Carlos Sainz: Ich bewerte nicht die Performance einzelner Fahrer - das machen meine Bosse. Aber ich finde es gut, was Red Bull macht - junge Talente einsetzen. Ich muss jetzt mehr als je zuvor für meine Chance kämpfen. Wenn ich die gleiche Leistung bringe wie bisher - nur mit besseren Ergebnissen - bin ich sicher, dass meine Chance kommen wird. Die persönliche Beziehung zwischen mir und Max hat dabei keine Rolle gespielt. Die ist in Ordnung. Zwischen uns herrschten immer Respekt und 'good Vibes'. Klar gab es auf der Strecke ein paar Kämpfe, aber die sind immer auf der Strecke geblieben. Es war mehr eine Sache der Teamperspektive, warum Franz Tost und Helmut Marko zu dieser Entscheidung gekommen sind.

Günther Steiner: Ich glaube, es ist gut für Verstappen, dass er sich mit jemand messen kann, dessen Leistung man kennt. Bei Daniel Ricciardo weiß jeder, was er leisten kann. Mit Sainz und Verstappen ist es schwierig zu sehen, wie gut Verstappen eigentlich ist, denn auch Sainz ist nicht bekannt. Vielleicht ist Sainz das größere Talent als man glaubt, aber wir wissen es ja nicht. Es kann auch genau umgekehrt sein. Wenn man die Möglichkeit wie Red Bull hat, zwei Teams zu haben, warum nicht? Ich finde nicht, dass Kvyat degradiert wurde, sondern wenn man die Möglichkeit intern hat, sollte man es machen. Das hilft allen, da weiß jeder wo er steht. Wenn man zwei Teams hat, ist es einfacher.

Fernando Alonso: Ja, es ist eine gewisse Überraschung nach dem vierten Rennen. Aber sie promoten ihre Fahrer eben so und haben damit in der Vergangenheit einen guten Job gemacht.

Romain Grosjean: Ich denke es ist eine sehr strenge Entscheidung gewesen. Daniil war in China am Podium und im nächsten Rennen war er einfach zu aufgeregt und hat die ersten zwei Turns verhauen. Fehler passieren, es ist sehr streng. Aber auf der anderen Seite ist es eine große Chance für Max. Er ist sehr jung und hat schon einen Platz in einem Topteam. Damit wollten sie wohl sicher gehen, dass Max in ihrem Team bleibt.

Kimi Räikkönen: Kein Kommentar. Es ist nicht meine Angelegenheit. Ich kenne ja nicht die ganze Geschichte im Hintergrund. Das ist Formel 1.

Jolyon Palmer: Es überrascht mich, weil er einen ziemlich guten Job gemacht und ein Podium geholt hat. Am Ende des vergangenen Jahres schien er ganz eng mit Ricciardo zusammen zu liegen. Er hatte einen etwas härteren Start in diese Saison. Mich besorgt es aber nicht - anderes Team, andere Situation. Sie haben ja alle Verträge mit Red Bull und er ist ja auch immer noch in der Formel 1, aber mit einem anderen Team.

Sebastian Vettel: Für den Einen war es eine gute News, für den Anderen eine schlechte. Red Bull ist das stärkere Team, aber wenn man auf die Performance sieht, dann gibt es nicht den ganz so großen Unterschied. Ehrlich gesagt habe ich keine Lust mehr, das Thema ist für mich ausgeschlachtet. Ich bin ja nicht dafür verantwortlich. Was soll ich da großartig dazu sagen?

Sergio Perez: Es ist wirklich eine große Überraschung. Aber das ist die Formel 1. Es ist nicht nur Red Bull, es ist überall so in der Formel 1. Hier gibt es viele Möglichkeiten und alle Leute stehen sehr unter Druck. Ich denke, Kvyat hätte den Platz bei Red Bull auch für den Rest der Saison verdient. Die Leute haben vergessen, dass er eine Woche vorher noch auf dem Podium war und in den Punkten letztes Jahr vor Ricciardo lag. Jeder vergisst es. Aber nur die Zeit wird zeigen, ob sie die richtige Entscheidung getroffen haben. Ich denke, Kvyat ist ein sehr starker Fahrer, auch mental. Er wird mit dem Rückschlag klarkommen, denn es ist auf jeden Fall ein Rückschlag. Aber ich hoffe, er kommt damit zurecht. Und er steigt auch in ein gutes Auto, denn der Toro Rosso ist ein gutes Auto. Ich denke, sie werden hier sehr stark sein.

Die bizzarsten Szenen aus der PK im Rückblick

Das komische Sainz-Vorspiel: Zuerst spricht Carlos Sainz über die Fahrer-Rochade - und irgendwie klingt es so, als sei Kvyat der viel, viel bessere Mann für Toro Rosso als Max Verstappen. "Du kannst bereits jetzt etwas Erfrischendes in den Gesichtern sehen. Ich bin überzeugt, dass es jetzt besser weitergeht. Mit Daniil können wir jetzt vielleicht um P5 in der WM kämpfen."

Der wortgewaltige Auftakt: Mit Daniil Kvyats erster Äußerung geht bei der Pressekonferenz das Drama aber erst richtig los. "In gewisser Weise war die Entscheidung auch für mich selbst ein Schock", sagt der Russe über seine Ausbootung bei Red Bull. Dann: "Ich werde versuchen, eine Antwort auf der Strecke zu geben - so laut wie möglich! Ich denke, ich habe alles richtig gemacht bis hierher. Und ich werde von meiner Seite nichts ändern."

Die Sainz-Klarstellung: Nein, nein. Es habe nie ein persönliches Problem zwischen ihm und Verstappen gegeben, stellt der Spanier schließlich noch einmal klar. Stattdessen: "Good Vibes!" Ob die auch ohne den Holländer-Dunst bleiben?

Fahrerwechsel? Welcher Fahrerwechsel? Als Fernando Alonso nach unzähligen Fragen an die Red-Bull-Jungs um eine Stellungnahme gebeten wird, hat der Spanier schon genug von Ernsthaftigkeit. "Sie haben die Fahrer gewechselt??", entgegnet Schauspieler Alonso auf die Nachfrage zu seiner Meinung. Dann Richtung Hamilton: "Wusstest du es?" Hamilton spielt grandios mit: "Nein - ich hatte ja keine Ahnung!" Die versammelte Presse johlt.

Verstappen und Kvyat haben sich nichts mehr zu sagen. Frage: Habt ihr auch mal miteinander über die Sache gesprochen?
Verstappen: "Ich habe ihn beim Essen gesehen, ja."
Kvyat: "Und ich habe ihn jetzt gesehen."
Verstappen: "Wir sitzen ja nebeneinander."
Aha.

Kvyat & A Game of Thrones: Wie Kvyat von seinem Aus erfahren hat?
"Ich war in Moskau, ich habe auf dem Sofa gelegen, ich habe eine TV-Serie geschaut und dann kam der Anruf. Es war so: 'Hallo, nun, wir haben ein paar Nachrichten für dich' und dann etwa so 20 Minuten Gespräch darüber. Ich wollte - und ich denke ich habe es verdient - eine Erklärung. Ich habe viele interessante Dinge erfahren, muss ich sagen, die ich aber erstmal für mich behalten will", sagt er.
Wer angerufen hat?
"Dr. Marko rief an. Wir haben dann das Gespräch beendet und ich habe meine Serie zuende geschaut. Das ist alles."
Welche Serie?
"Game of Thrones!"

Die Gelangweilten aus Reihe zwei: Eine Frage nach der anderen prasselt weiterhin auf die drei Fahrer mit Red-Bull-Hintergrund ein. In der zweite Reihe sitzten Hamilton, Alonso, Magnussen wie bestellt und nicht abgeholt. Der Spanier und der Brite widmen sich Snapchat, der Däne schläft fast ein. "Sorry, ich habe die Frage nicht gehört", sagt er, als sich dann doch einmal ein Journalist für ihn interessiert. Später trifft es auch Alonso. Der wird etwas gefragt, muss aber erst sein Mikro wieder anlegen. "Ich habe nicht mit einer Frage gerechnet", entschuldigt er sich.