Mercedes liegt zum halben Europa-Auftakt der Formel-1-Saison 2016 in Russland im Plan. Und das obwohl Lewis Hamilton einen für seine Verhältnisse katastrophalen Saisonstart erwischte. Denn: Trotz aller Probleme liegt er, zwar abgeschlagen hinter Seriensieger Nico Rosberg, noch immer auf Rang zwei in der WM-Wertung. Dank seines enteilten Teamkollegen an der Spitze ist Mercedes bei den Konstrukteuren bereits nach drei Rennen ein gutes Stück enteilt.

Dennoch bleiben die Silberpfeile vorsichtig, die Konkurrenz sei näher dran und habe noch dazu bislang nicht ihr volles Potential ausgeschöpft. Gut, dass mit dem Russland GP in Sochi jetzt eine absolute Mercedes-Strecke kommt ...

Das letzte Rennen: China GP der Extreme

Unterschiedlicher hätte das Wochenende in China für die Mercedes-Piloten kaum verlaufen können. Während Nico Rosberg einen vom ersten Training weg problemfreien Abstecher nach Shanghai mit einem absolut überlegenen Sieg krönte (größter Vorsprung im Ziel der Geschichte des China GP), ging es bei Lewis Hamilton drunter und drüber.

Zunächst wurde ein Getriebewechsel bekannt, der dem Champion eine Strafversetzung um fünf Plätze einbrachte, nur einen Tag später folgte ein Problem an der Power Unit. Mercedes wechselte das Aggregat nachdem Hamilton im Qualifying einen Leistungsverlust beklagte, sodass der Brite vom letzten Startplatz ins Rennen ging. Nach gutem Start knallte es gleich in Kurve eins - dann die starke Aufholjagd vom Ende des Feldes bis auf Rang sieben.

Mercedes ist dem ERS-Problem am Hamilton-Auto in China auf der Spur, Foto: Sutton
Mercedes ist dem ERS-Problem am Hamilton-Auto in China auf der Spur, Foto: Sutton

Die Neuerungen: Mercedes untersucht Power Unit

Während bei Nico Rosberg im Nachhinein des China GP nur wenig Anlass zur Analyse zu Optimierungszwecken geboten war, hatte Mercedes in der Pause bis zum nun bevorstehenden Rennen in Russland am Auto von Lewis Hamilton so Einiges zu tun. "Das Wochenende in China verlief aus Zuverlässigkeitssicht alles andere als zufriedenstellend", poltert Mercedes-Technikfuchs Paddy Lowe. Am Donnerstag traf die am China-Samstag beschädigte Power Unit des Weltmeisters in der Motorenschmiede Brixworth ein. Dort laufen die Untersuchungen noch immer ohne Unterlass.

Bislang wird vermutet, dass das Problem an der MGU-H im Zusammenhang mit der Isolierung steht. Noch dazu wurden im Ölsystem Teilchen gefunden, sodass Mercedes Turbolader und Ölpumpen ersetzt. Somit konnte das Team die Power Unit retten - sie bleibt im Fundus und wird schon in Sochi als Ersatzaggregat fungieren.

Leistungsbezogene Verbesserungen der Power Unit hat Mercedes unterdessen nicht angekündigt, genau sowenig ein Aero-Upgrade. Interessanter ist schon die die Reifenwahl: Die Silberpfeile setzen in Sochi mit acht Satz Supersofts auf den Mittelweg - Ferrari hat nur sechs, Red Bull gar zehn.

Die Erwartungen: Weitersiegen vs. Zurückschlagen

Nicht nur China lief höchst unterschiedlich für Rosberg und Hamilton. Der gesamte Saisonstart läuft bislang ideal für Nico Rosberg. Seine drei Auftaktsiege bedeuten zumindest statistisch sogar schon den sicheren WM-Titel. Rosberg selbst will davon nichts wissen. "Es ist natürlich großartig, dass wir noch immer das schnellste Auto haben, aber ich hätte niemals gedacht, dass die ersten drei Wochenenden so verlaufen würden", sagt der Deutsche. Er habe einfach nur das Beste aus seinen Chancen gemacht und so einen kleinen Vorsprung eingefahren. "Aber es liegen erst drei Rennen hinter uns und es braucht nur ein schlechtes Wochenende, um den Vorsprung aufzubrauchen." Er schaue weiterhin einfach nur von Rennen zu Rennen.

Gleich eine ganze Phalanx an Konkurrenten hat Rosberg längst nicht abgeschrieben: "Lewis ist der amtierende Champion und damit für mich noch immer die Messlatte, Ferrari hat noch nicht gezeigt, was sie können, und Red Bull scheint ebenfalls stärker zu werden." Eine Einstellung, die ihm ein Extra-Lob von Motorsportchef Toto Wolff einbringt. "Nico ist in einer großartigen Form, bleibt jedoch mit beiden Beinen auf dem Boden.", sagt er. Allerdings würden sich beide Fahrer in einer guten mentalen Verfassung befinden. "Lewis hätte allen Grund, von seinem Saisonstart entmutigt zu sein. Aber er ist ruhig und zuversichtlich – er geht mit den Rückschlägen wie ein echter Champion um", sagt Wolff.

Und das heißt? "Ich habe das schon einige Male erlebt. An den kommenden 18 Rennwochenenden kann viel passieren und ich habe vollstes Vertrauen in dieses Team. Rückschläge gehören zum Sport dazu: Sie schweißen uns zusammen, machen uns stärker und ich weiß, dass wir gemeinsam zurückschlagen werden", so Hamilton. Schon der in China deutlich verbesserte Start zeige einen Aufwärtstrend, da komme ihm Russland gerade recht: "Ich habe dort bei bislang beiden Rennen gewonnen und die Strecke scheint mir ziemlich gut zu liegen."

Genau davon geht jedoch auch sein erwartet schärfster Widersacher aus. "Ich kann ich Sochi kaum noch erwarten. Im vergangenen Jahr sah es dort für mich das gesamte Wochenende über gut aus, bis ein technisches Problem mein Rennen beendete. Im Jahr davor hatte ich viel Spaß, mich vom Ende des Feldes nach vorne zu kämpfen. Ich weiß also, dass ich auf dieser Strecke konkurrenzfähig bin", sagt Rosberg.

Technikguru Lowe gibt unterdessen weitaus weniger auf die Erfolge der Vorjahre. Grund ist der neue, viel frühere Termin. "Es ist unüblich. Eine dermaßen einschneidende Änderung am Rennkalender könnte durchaus andere Wetterverhältnisse mit sich bringen. Wir reisen zum insgesamt dritten Mal nach Sochi und es wird interessant sein, zu sehen, wie sich die Strecke verändert hat", sagt Lowe. Dennoch freue er sich auf Russland und die Chance, die starke Form der Vorjahre zu bestätigen.

Die Statistik: Mercedes beim Russland GP

SiegePolesSchn. RundenPodiumPunktekm geführt
Mercedes 2 2-3 68619
Nico Rosberg - 1-1 1835
Lewis Hamilton 2 1-2 50585

Mercedes: Team und Fahrer beim Russland GP

Mercedes in Russland: Die Bilanz ist eindeutig: Mercedes ist in Russland eine Macht. Beide bisherigen Läufe in Sochi haben die Silberpfeile gewonnen, hinzu kommt noch ein zweiter Platz. Außerdem beide Pole Positions und eine Quote von 100 Prozent im Hinblick auf die potentiell möglichen Führungskilometer.

Nico Rosberg in Russland: Beim Russland-Debüt 2014 verlor Nico Rosberg durch einen kapitalen Verbremser in Kurve eins das teaminterne Duell gegen Lewis Hamilton. Nach dem folgenden Reifenschaden und Stop in Runde eins fuhr der Deutsche mal eben durch und wurde noch Zweiter. 2015 schied Rosberg derweil in Führung liegend aus.

Lewis Hamilton in Russland:Blütenweiße Weste für den Weltmeister. Lewis Hamilton hat bislang alle Poles und Siege, die in Russland möglich waren abgeräumt. Im Vorjahr profitierte er allerdings von einem Defekt am Boliden seines Teamkollegen.

Nico Rosberg und Lewis Hamilton lieferten sich in Russland 2015 nur kurz ein intensives Duell, Foto: Mercedes-Benz
Nico Rosberg und Lewis Hamilton lieferten sich in Russland 2015 nur kurz ein intensives Duell, Foto: Mercedes-Benz

Die Prognose: Mercedes spielt Sieg-Quartett

  • Hamiltons Power Unit aus China gerettet
  • Makellose Mercedes-Bilanz in Sochi
  • Rosberg auf Erfolgswelle
  • Hamilton brennt auf den Konter
  • Mercedes weiter stärkstes Gesamtpaket

Motorsport-Magazin.com meint: Keine Frage: Wer Mercedes nicht ganz oben auf die Favoritenliste für den Sieg beim Russland GP schreibt, macht einen Fehler. Der F1 W07 Hybrid ist (und bleibt erst einmal) das stärkste Gesamtpaket im Feld. Zwar sind Ferrari und Red Bull dran, doch läuft alles normal, sind die Silberpfeile ihrer Konkurrenz entgegen aller eigner Warnungen weiter die entscheidende Portion Viagra voraus, wie Maurizio Arrivabene sagen würde. Daran ändert auch ein erwartetes Motor-Upgrade Ferraris nicht zwingend dramatisch viel - schon eher der Unsichheitsfaktor Jahreszeit: Dieses Jahr kommt der F1-Tross viele Monate früher nach Sochi. Mercedes muss die überragenden Leistungen der Vorjahre also unter anderen Bedingungen bestätigen. (Jonas Fehling)