In Maranello läuten zurzeit nicht die Kirchenglocken für Ferrari-Siege. Stattdessen schrillen in den Hallen der Scuderia die Alarmsirenen. Genauer gesagt in der Motorenabteilung. Mit einer Ausfallquote von 50 Prozent steht Ferrari nach zwei Saisonrennen alles andere als glänzend da. Die beiden Defekte an der Power Unit zum Saisonstart haben Ferrari früh einen herben Dämpfer verpasst. Dennoch bleiben die WM-Ambitionen von Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen unverändert. Trendwende beim China GP?

Das letzte Rennen: Rauch und Räikkönen-Rutscher

Und täglich grüßt das Murmeltier. Aus Ferrari-Sicht hoffentlich zum vorerst letzten Mal in Bahrain. Dort erwischte es die Scuderia erneut: Zweiter Motorschaden im zweiten Rennen, diesmal am Boliden von Sebastian Vettel. Noch in der Einführungsrunde rollte Vettel mit heftig rauchendem Heck aus. Teamkollege Kimi Räikkönen rutschte beim Start vom Kupplungshebel und fiel ein paar Positionen zurück. Doch der Finne rehabilitierte sich schnell, war bis zum ersten Boxenstopp schon wieder Zweiter. Diesen Platz behauptete der Iceman bis ins Ziel und splittete damit das Mercedes-Duo auf dem Podium.

Die Neuerungen: Frische Power Unit für Vettel erwartet

Zunächst sollte es 'nur' ein Schaden am Turbo sein, dann bekam Kimi Räikkönen nach seinem Australien-Ausfall in Bahrain doch fast eine komplett neue Power Unit. Dasselbe blüht nun offenbar auch Sebastian Vettel beim China GP nach seinem Motorschaden in Bahrain. Der defekte Motor gilt als so gut wie verloren - ein herber Rückschlag zu diesem frühen Zeitpunkt in der Saison. Immerhin sind insgesamt nur fünf Power Unit straffrei erlaubt.

Auch bei Kimi Räikkönen versagte schon eine Power Unit - in Australien, Foto: Sutton
Auch bei Kimi Räikkönen versagte schon eine Power Unit - in Australien, Foto: Sutton

Die Teamführung gibt sich jedoch zuversichtlich, den Problemen in der Pause zwischen dem zweiten und dritten Saisonlauf auf die Schliche gekommen zu sein. Ohnehin habe es sich bei den bisherigen beiden Ausfällen um verschiedene Defekte gehandelt. Es sei also kein tiefer gehendes Problem - heißt es zumindest. Was sonstige Neuerungen betrifft, etwa Aero-Updates am Ferrari, ist im Vorfeld des China GP nichts bekannt geworden.

Die Erwartungen: Doppelt viele Punkte

So bitter es ist, so sehr es nach der Ambition eines Mittelfeldteams klingt: Oberste Priorität für Ferrari hat in China die erste Zielankunft mit beiden Autos. Aber das freilich so weit vorne wie möglich - also im Idealfall mit einem Doppelsieg oder -podium. Die Chancen dafür stehen, Zuverlässigkeit einmal vorausgesetzt, jedenfalls nicht dramatisch schlecht.

Anders als die extreme Motorenstrecke Bahrain sollte der Shanghai International Circuit Ferrari deutlich besser liegen, auch wenn Mercedes hier in den Vorjahren dominierte. Hintergrund ist, dass Ferrari 2016 weniger auf rohe Power, sondern mehr auf hohe Speed in den mittelschnellen und schnellen Kurven setzt. Genau die gibt es in Shanghai in mannigfaltiger Ausführung. "Wenn du richtig gut durch die ersten Kurven kommst, kannst du da jede Menge Rundezeit holen", sagt Kimi Räikkönen.

Allerdings gibt es in Shanghai auch eine extrem lange Gerade. Dort wird Ferrari erneut bluten. "Es wird eine Herausforderung, das Setup richtig hinzubekommen, weil wir diese sehr lange Gerade, aber auch langsame und schnelle Kurven haben", bestätigt Sebastian Vettels Renningenieur Riccardo Adami.

Dennoch kündigte Vettel bereits an: "Wir werden sicherstellen, dass das nächste Rennen sehr viel besser läuft!" Nach einem Ausfall jedoch keine allzu schwere Aufgabe. Doch auch der starke Zweite von Bahrain ist zuversichtlich. "Es geht in die richtige Richtung. Mit nur einem Auto im Ziel ist es nicht ideal für das Team, aber weil du in diesem Sport immer die Grenzen auslotest, kann manchmal etwas schief gehen. Wir wissen aber, dass das Auto ziemlich gut ist. Wir müssen nur gewisse Dinge verbessern", sagt Räikkönen.

Strategisch wagt Ferrari eine etwas aggressivere Strategie als Mercedes, hat einen Satz der superweichen Reifen mehr im Gepäck. Allerdings kann sich das bis zum Rennen noch ausgleichen. Das Wetter bleibt derweil ein Unsicherheitsfaktor. In China schwanken die Bedingungen ähnlich krass wie sonst fast nur in Belgien. Sollte es warm werden, kann sich Ferrari naturgemäß umso mehr ausrechnen.

Aktuell sagt die Wettervorhersage jedoch einen milden Rennsonntag voraus. Ein Problem für die Scuderia: "In den vergangenen Jahren haben wir uns mit kalten und regnerischen Bedingungen schwer getan", gesteht Adami. "Wir müssen uns also ganz genau mit dem Setup beschäftigen, um eine gute Balance zu finden."

Die Statistik: Ferrari beim China GP

SiegePolesSchn. RundenPodiumPunktekm geführt
Ferrari 4 129 159725
Kimi Räikkönen 1 -15 64174
Sebastian Vettel 1 113 88398

Ferrari: Shanghai Bilanz

Ferrari in Shanghai: Mit vier Siegen in zwölf Rennen ist die Scuderia das erfolgreichste Team im Land der Drachen. Rubens Barrichello gewann bei der Premiere im Jahr 2004, Michael Schumacher (2006), Kimi Räikkönen (2007) sowie Fernando Alonso (2013) taten es ihm gleich. Zudem sorgten der Spanier (Dritter 2014), Räikkönen (Dritter 2008) Felipe Massa (Dritter 2007 und Zweiter 2008) sowie Sebastian Vettel (Dritter im Vorjahr) für vier weitere Podiumsplatzierungen.

Sebastian Vettel in Shanghai: Je ein Sieg, ein zweiter und ein dritter Platz sowie drei Pole Positions stehen für Sebastian Vettel bei seinen neun Einsätzen in China zu Buche. Bemerkenswert: Gleich bei seinem ersten Auftritt 2007 sicherte sich der damalige Toro-Rosso-Fahrer den vierten Rang. Den Sprung in die Punkte verpasste er mit Platz neun nur bei seinem zweiten Rennen in Shanghai, ansonsten gab es stets Zählbares.

Kimi Räikkönen in Shanghai: Kimi Räikkönen ist ein echter Shanghai-Spezialist. Bei seinen bisherigen zehn Auftritten raste der Finne fünf Mal auf das Podium - letztmalig vor drei Jahren in Diensten von Lotus. Im Weltmeisterjahr 2007 sicherte sich Räikkönen sogar den Sieg. Der Finne schied bislang nur einmal aus, 2006 als er für McLaren fuhr.

Die Prognose: Bedingte Siegchance

  • Kurvige Strecken wie Shanghai liegen Ferrari 2016 besser
  • Gute Bilanz beim China GP für Team und Fahrer
  • Risikofaktor Power Unit bleibt bestehen
  • Wetter als Zünglein an der Waage

Motorsport-Magazin.com meint: Für Ferrari steht und fällt die Chance auf den ersten Sieg über Mercedes im Jahr 2016 vor allem mit zwei Faktoren: Wetter und Zuverlässigkeit. Zunächst sollten mal beide Power Units durchhalten, um zwei Eisen gegen die Silberpfeile im Feuer zu haben. Dann sollte der Wettergott für einen wohlig warmen Frühlingsrennsonntag sorgen.

Die kurvige Strecke in Shanghai kommt der Scuderia ohnehin einen Tick mehr entgegen als der Kurs in Bahrain. Gutes Wetter würde das Ferrari-Blatt noch optimieren. Allerdings sieht es aktuell nicht danach aus. Doch selbst wenn muss das noch längst nicht gegen Mercedes reichen, wenn die Weltmeister den Hahn voll aufdrehen. Ferrari ist also erneut nicht Favorit, doch eine Chance ist da. (Jonas Fehling)