In der Formel 1 werden Rennen häufig am Kommandostand entschieden. So auch an diesem Sonntag in Australien. Mercedes schnappte Ferrari den Sieg dank einer überlegenen Strategie vor der Nase weg. Haben die Silberpfeile alles richtig gemacht - oder hat Ferrari einfach nur geschlampt und den möglichen Sieg weggeworfen?

Knackpunkt war die Rennunterbrechung infolge von Fernando Alonsos Unfall in der 17. Runde. Beim Re-Start blieb Ferrari seiner Reifenwahl treu und ließ Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen mit superweichen Reifen wieder auf die Strecke. Komplett anderes Bild bei Mercedes. Der spätere Rennsieger Nico Rosberg und Lewis Hamilton kehrten auf den härteren Medium-Reifen zurück. Es war der entscheidende Taktik-Clou zum anschließenden Doppelsieg.

Für Sebastian Vettel wäre in Melbourne mehr drin gewesen, Foto: Sutton
Für Sebastian Vettel wäre in Melbourne mehr drin gewesen, Foto: Sutton

Hamilton versteht Ferrari nicht

Vor allem Hamilton lachte sich ins Fäustchen, lag er zum Zeitpunkt des Re-Starts doch nur auf dem siebten Platz. "Wenn ich ehrlich bin, weiß ich nicht, warum nicht auch alle anderen auf den Medium gewechselt haben", sagte der amtierende Weltmeister. "Aber ich bin froh, dass sie es nicht gemacht haben, denn sonst wäre ich wahrscheinlich viel weiter hinten ins Ziel gekommen." Stattdessen ließ er am Ende sogar Vettel hinter sich, der eine Zeit lang wie der sichere Sieger ausgesehen hatte.

Am Ende erwies sich die Entscheidung, den Rest des Rennens auf Medium-Reifen zu bestreiten und somit einen weiteren Boxenstopp zu vermeiden, als goldrichtig. Hamilton war ohnehin auf einer Ein-Stopp-Strategie unterwegs, doch bei Rosberg hatte Mercedes eigentlich zwei Reifenwechsel einkalkuliert.

Vettel startet mit Platz 3 in die neue Formel-1-Saison, Foto: Sutton
Vettel startet mit Platz 3 in die neue Formel-1-Saison, Foto: Sutton

Mercedes dankt Ferrari-Führung

Der Richtungswechsel war der Schlüssel zum Sieg. "Ich war froh, dass sie auf den Supersofts waren", bedankte sich Rosberg in Richtung Ferrari-Kommandostand. "Ich war nicht sicher, ob sie es machen würden. Beim Re-Start hatte ich etwas Sorge, ob ich ihnen auf den Mediums würde folgen können, weil sie noch kalt waren. Aber das hat gut funktioniert."

Toto Wolff ging in seinen Ausführungen nach dem Rennen sogar noch einen Schritt weiter. Der Mercedes-Motorsportchef habe laut eigener Aussage zum ersten Mal an den Rennsieg geglaubt, als er Vettel und Räikkönen auf den rot markierten Reifen aus der Box fahren sah. "Wir waren tatsächlich recht überrascht über die Reifenwahl der anderen", sagte Wolff. "Zu diesem Zeitpunkt muss man sagen, dass James Vowles und sein Team einen unglaublichen Job gemacht haben."

Vettel hatte trotzdem seinen Spaß auf dem Podium, Foto: Sutton
Vettel hatte trotzdem seinen Spaß auf dem Podium, Foto: Sutton

Arrivabene: Schwammige Aussagen

Doch was brachte Ferrari dazu, eine völlig andere Strategie zu wählen? Einen wirklichen Fehler wollte keiner der Beteiligten eingestehen. Stattdessen rettete sich der Verantwortliche Maurizio Arrivabene in Floskeln. "Ich will keine Ausreden suchen, aber die letzten roten Flaggen gab es 2009, wenn ich mich recht erinnere", so der Ferrari-Teamchef. Und weiter: "Zu diesem Zeitpunkt des Rennens mussten wir ein bisschen aggressiver vorgehen - das könnte falsch oder richtig gewesen sein."

Dass die Entscheidung am Ende falsch war, ließ der Leidtragende Vettel zumindest anklingen. "Vielleicht hätten wir bei der Strategie ein bisschen was besser machen können", sagte der vierfache Weltmeister. "Aber das kann man hinterher immer leicht sagen. Ich denke, wir haben genug schlaue Köpfe und zu dem Zeitpunkt waren wir überzeugt, dass das richtig war. Vielleicht gab es aber im Endeffekt noch etwas Besseres."

Vettel kam am Ende nicht an Lewis Hamilton vorbei, Foto: Sutton
Vettel kam am Ende nicht an Lewis Hamilton vorbei, Foto: Sutton

Vettel trauert verpasstem Sieg hinterher

Ferrari war natürlich bewusst, dass sie so einen weiteren Boxenstopp einlegen mussten. Allerdings war die Truppe um Arrivabene davon ausgegangen, dass Vettel mit seinen Supersofts etwas länger hätte draußen bleiben können. "Wir sind mit den Reifen ein bisschen früher eingebrochen", bestätigte Vettel. Nach seinem letzten Boxenstopp startete er zwar zur Aufholjagd auf Hamilton, doch der wusste sich zu wehren. Vettel: "Wir konnten den Vorteil nicht nutzen. Ich war deutlich schneller, aber nicht genug, um vorbeizukommen. Ich habe dann versucht die Brechstange auszupacken."

Mit dem Resultat, dass er sich in der Schlussphase hinter Hamilton verbremste und die Chance auf den zweiten Platz endgültig vertan war. Es war das Ende einer Aneinanderreihung von taktischen Fehlern seitens Ferrari, die Vettels Siegchancen drastisch einbremsten.

Zwar fokussierte sich Vettel in der Öffentlichkeit lieber auf die technischen Fortschritte von Ferrari anstatt den eigenen Arbeitgeber zu kritisieren. Ein bisschen schmerzte der vertane Sieg dann aber doch: "Wenn man schon am Sieg riechen kann, ist es ein bisschen schade, wenn es nicht klappt."