Niki Lauda fand fünf Minuten nach dem Ende des Qualifying zum Australien Grand Prix die passenden Worte: "Es war ein Griff ins Klo." In der Tat wurde das revolutionäre Qualifying-Format in Melbourne mit Kritik überschüttet. Niemand im Fahrerlager stellte sich auf die Seite einer Idee, die zu Beginn für Chaos sorgte und in gähnender Langeweile endete.

Die finale Bestätigung, dass ohnehin diskutable Vorhaben grandios gescheitert war, erhielt Toto Wolff noch während seiner Presserunde am späten Samstagabend per Telefon. "Wir haben es vermasselt", gab der Mercedes-Motorsportchef die Ansage von Bernie Ecclestone höchstpersönlich direkt an die versammelten Journalisten weiter.

Kaum noch Fahrbetrieb im Q3 des Qualifying, Foto: Sutton
Kaum noch Fahrbetrieb im Q3 des Qualifying, Foto: Sutton

Änderung beim Bahrain GP

Verrückt: Schon beim kommenden Rennen in Bahrain Anfang April könnte das neue Qualifying schon wieder über den Haufen geworfen werden. Alle Teamchefs und auch die meisten Fahrer regten sich kollektiv über die Quali-Farce auf. Am Sonntagmorgen vor dem Rennen in Melbourne treffen sich die F1-Entscheider zum Meeting. Die Chancen stehen gut, dass das Format dabei wieder gekippt wird.

Eine Rückkehr zum bewährten Qualifying-Modus aus der Saison 2015 wäre tatsächlich sogar möglich. "Wenn alle Teams zusammenkommen und sagen, dass es eine einheitliche Meinung gibt, dann haben wir ziemlich gute Chancen, das auch zu erreichen", sagte Wolff. "Ich bezweifle, dass jemand die Hand heben und sagen würde: Ich finde das Quali-Format gut. Wir müssen es nur ziemlich schnell machen, um das alte Format rechtzeitig für Bahrain wieder zu bekommen."

Gleiches Bild wie so oft 2015: Doppel-Pole für Mercedes, Foto: Mercedes-Benz
Gleiches Bild wie so oft 2015: Doppel-Pole für Mercedes, Foto: Mercedes-Benz

Unnatürliche Einigkeit

Niemand muss sich Sorgen machen, dass auch nur ein Team sich für die Quali-Revolution ausspricht. Ob Mercedes, Ferrari oder Red Bull - selten herrschte eine derartige Einigkeit im Fahrerlager der Formel 1. "Wir sollten sofort zurück zum alten Format", forderte Red Bulls Motorsportberater Helmut Marko im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com. "Es hat ja funktioniert. Es war gut. Und das, was man erreichen wollte - nämlich, dass Mercedes in irgendeiner Weise bestraft wird - ist voll in die Hose gegangen."

Dessen Kollege Christian Horner entschuldigte sich stellvertretend sogar für die Fans, die wie die meisten Zuschauer das Quali-Treiben mit Ratlosigkeit beobachtet hatten. Nachdem zunächst im Q1 die Technik gestreikt hatte, gipfelte die Farce in einem Q3-Segment, in dem in den letzten acht Minuten kein Auto mehr auf der Strecke fuhr. Und am Ende? Mercedes und Ferrari an der Spitze. Viel Wirbel um Nichts.

In Bahrain könnte wieder das alte Quali-Format kommen, Foto: Sutton
In Bahrain könnte wieder das alte Quali-Format kommen, Foto: Sutton

Grandios gescheitert

"Wir haben es versucht, es hat aber nicht funktioniert", räumte Horner ein. "Wir dürfen jetzt nicht einfach den Kopf in den Sand stecken, sondern müssen es ändern. Ich denke, schon ab Bahrain. Ich würde das alte Qualifying bevorzugen. Ich denke, so war es besser." Immerhin: Die Formel 1 hat diesmal kollektiv eingesehen, dass die Änderung des Formats ein großer Fehler war. Dabei sei die Idee dahinter nicht schlecht gewesen, meinte Toto Wolff. Man habe dem Sport ja nicht absichtlich schaden wollen.

"Die Basis des Konzepts war nicht völlig dumm", so Wolff. "Aber wie bei vielen Dingen geht es um die Details. Wir haben heute gesehen, dass wir die Dinge verkomplizieren in einer Zeit, in der wir es einfacher machen sollten. Wir sollten unsere Augen nicht davor verschließen, das Spektakel zu verbessern. Aber es sollte ein gründlicher Gedankenprozess dahinterstecken."

50. Pole für Lewis Hamilton in der Formel 1, Foto: Mercedes-Benz
50. Pole für Lewis Hamilton in der Formel 1, Foto: Mercedes-Benz

Peinliche Nummer

Immer wieder war das Qualifying in den vergangenen Wochen umgeworfen worden, auch dank Bernie Ecclestones Input. Das letztendliche Ergebnis war offensichtlich die Folge einer Vielzahl an Anpassungen, die gemeinsam nicht funktionierten. "Das war ziemlich peinlich", sagte Wolff. "Wir sind ein globaler Sport mit Millionen Zuschauern. Und da haben wir die Regeln geändert in einer Art und Weise, wie wir es nicht hätten machen sollen. Stabilität ist wichtig. Als die technischen Leuten gezeigt haben, dass es in der Tat viel komplizierter war als der einfache Gedanke dahinter, waren wir wohl schon zu sehr im Prozess drin." Die Folge war ein Qualifying, das es in dieser Form vermutlich nie wieder geben wird.

Dabei war schon im Vorfeld abzusehen gewesen, dass das Quali im Albert Park nicht problemlos über die Bühne gehen würde. Einige Fahrer hatten ihre Zweifel öffentlich geäußert - und am Ende Recht behalten. "Da waren genug Leute auf den Tribünen, die sich gedacht haben: ‚Was ist denn das für ein Quark´. Damit waren sie nicht alleine", sagte Sebastian Vettel. "Man kann vieles probieren, aber gewisse Dinge machen einfach keinen Sinn. Das Format gehört dazu. Wenn man etwas Neues probieren will, sollte man es sich vorher so überlegen, dass es Sinn macht."

Sebastian Vettel startet von Platz 3 in den Australien GP, Foto: Sutton
Sebastian Vettel startet von Platz 3 in den Australien GP, Foto: Sutton

Reality Show statt Sport

Nicht nur Wolff forderte nun, dass sich die Formel 1 - trotz allen Anspruchs aus Spektakel - auch auf seine Reinheit fokussieren müsse. Künstliche Elemente wie umgekehrte Startaufstellung, Zeitstrafen oder Zusatzgewichte dürften in den weiteren Überlegungen infolge der Farce erst einmal keine Rolle spielen. "Ich habe den Eindruck, dass Entscheidungen getroffen wurden, um eine Reality Show für die TV-Zuschauer zu erschaffen", sagte Chefkritiker Jacques Villeneuve bei Motorsport-Magazin.com. "Aber jedes Mal, wenn man so etwas versucht, macht man es kaputt."

Viel Zeit bleibt nun nicht, um eine Lösung für das kommende Rennen in Bahrain zu finden. Aufgrund der Kürze deutet alles darauf hin, dass es einen Rückschritt zum bewährten 2015er-Format geben wird. Ginge es unterdessen nach Lewis Hamilton, könne sich der kreative Quali-Prozess sogar noch eine Weile hinziehen.

"Vielleicht sollten wir einen Schritt zurückgehen und schauen, was wir beim nächsten Rennen ändern könnten. Und wenn das nicht klappt, dann probieren wir eben noch mal was anderes aus. Es gibt keinen Grund, warum wir in den kommenden Rennen nicht ein paar unterschiedliche Varianten haben sollten", fand der Pole-Setter des Australien-Rennens. Nach dem Debakel von Melbourne dürfte Hamilton mit dieser Meinung allerdings ziemlich allein dastehen.

Wie soll das neue Qualifying aussehen?

Die Rückkehr zum 2015er-Modus könnte eine Lösung sein. Doch schon jetzt wird darüber diskutiert, wie das Qualifying der Zukunft aussehen soll. Die Redakteure von Motorsport-Magazin.com haben sich ebenfalls Gedanken gemacht.

Haris Durakovic: Auch wenn allseits verpönt und unbeliebt, aber meines Erachtens war das Einzelzeitfahren das spannendste Quali-Format der F1-Neuzeit. Eine Runde, kein Verkehr, no excuses. Das Feld startet in umgekehrter WM-Reihenfolge. Ein Bonbon für die Sponsoren: Jedes Team hätte seine Sendezeit. Ein Bonbon für die Zuschauer: Man verpasst keine Runde, weil die Regie gerade einen anderen Fahrer im Fokus hat.

Jonas Fehling: Ich will das für mich schon fast perfekte System von 2015 zurück! Eine langsame Steigerung bis zum Knaller-Finale war doch ideal. Um das noch spektakulärer zu machen nur eine Änderung: Im dritten Abschnitt bekommen alle zwei frische Sätze der weichsten Reifen, die beide verpflichtend eingesetzt und anschließend wieder abgegeben werden müssen. So ist ultimativer F1-Speed der schnellsten Autos im Kampf um die Pole sicher.

Stephan Heublein: Mein Traum-Qualifying? Spannung bis zur letzten Sekunde. Mehrere Fahrer unterbieten sich gegenseitig bis nach Ende der regulären Zeit mit Bestzeiten. Ob dazu alle gleichzeitig fahren, Fahrer der Reihe nach eliminiert werden oder sie vom Trampolin ins Cockpit springen ist mir egal - nur zwei Dinge darf es nie wieder geben: zweistündige One-Lap-Qualifyings wie einst in Silverstone (schauderlicher Gedanke) und nicht durchdachte Schnellschüsse wie an diesem Wochenende, nur um von den eigentlichen Problemen abzulenken - der Unfähigkeit sich auf wichtige Änderungen zu einigen...

Marion Rott: Alle Fahrer am Limit, schon beim Kampf um die Startpositionen. Wie? Mit einem Qualifying-Rennen. 15 Minuten Zeittraining als Grundlage und dann ein Sprintrennen von 30 Minuten am Samstag, für das zwei zusätzliche Reifensätze zur Verfügung gestellt werden. Das Ergebnis entscheidet über die Startpositionen, ausgeschiedene Piloten beginnen das Rennen am Sonntag von ganz hinten. So ist schon am Samstag Rennaction geboten und die Startaufstellung ist am Sonntag möglicherweise komplett durcheinandergewürfelt.

Manuel Schulz: Das dreigeteilte Qualifikationsformat ist ja schon eine gute Grundlage. Als einzige Änderung würde ich einen Reifensatz dafür vorgeben, der schnell ist, sich kaum abnutzt und nur beim Kampf um die Poleposition eingesetzt wird. Dann käme es nur noch darauf an, wer die beste Runde zusammenbekommt.

Philipp Schajer: Ganz klassisch: Eine Stunde Zeit, zwölf Runden pro Pilot, frische Reifen für das Rennen. Kein aufwändiger Schnickschack, keep it simple. Und falls es wieder einmal mehr als 13 Teams geben sollte, könnte ich mit einer Vor-Qualifikation gut leben. Aber damit werden wir uns so schnell wohl leider nicht beschäftigen müssen.

Robert Seiwert: Ich mochte das alte Format aus der DTM mit vier Quali-Abschnitten. Vor allem das Shootout am Ende. Ein Schuss für jeden Fahrer und fertig. Bei vier Segmenten gibt´s auch für die Zuschauer genug zusehen, und dann eben der Höhepunkt als Spitze des Spektakels.