Er fordert erste Startreihen, Siege in Serie und inzwischen auch ganz deutlich den WM-Titel. Ferrari-Präsident Sergio Marchionne reicht mit seinen markigen Ansagen inzwischen fast an die großspurigen Dominanz-Ambitionen eines Ron Dennis heran. Aktuell allerdings auch wesentlich berechtigter als bei McLaren: Ferrari gilt durchaus als Anwärter, mit Mercedes um den Titel zu ringen.

Beinahe könnte man angesichts der Forderungs-Flut meinen, die Scuderia sei gar Favorit. Die Folge: Auf der Mannschaft aus Maranello lastet ein unwahrscheinlicher Druck. Zu viel des Guten? Nein, verteidigt Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene in Australien das Vorgehen Marchionnes.

"Es ist normal, dass der Präsident dich im nächsten Jahr nicht bittet, weniger zu schaffen als das, was du schon getan hast", sagt Arrivabene. Zustimmung von Sebastian Vettel: "Klar, vergangenes Jahr war es anders, weil das Jahr davor schwer war. Da gab es nicht wirklich Erwartungen - wenn dann haben wir sie übertroffen. Wenn man aber als Zweiter ins Ziel kommt, was die Konstrukteurs-WM angeht, will man natürlich einen daraufsetzen, dann spricht man davon, dass man ganz vorne ist. Das ist unser Ziel, in Zukunft wollen wir nicht die Jäger sein, sondern die Gejagten. Das ist kein Geheimnis."

Druck ist Teil des Jobs, Stillstand in der Formel 1 fatal

Passendes Beispiel für die nachhakenden Journalisten gefällig? Kein Problem für Ferrari-Teamchef Arrivabene! "Wenn Ihr Chefredakteur von Ihnen verlangt, mehr Stückzahlen zu verkaufen, dann setzt Sie das auch unter Druck", vergleicht er. "Die Rolle des Präsidenten ist, die Leute anzutreiben, es besser, besser und besser zu machen. Wenn es damit Druck schafft, dann ist das einfach nur normal. Es ist ein Teil unseres Jobs, Teil jeder Art von Job. Er erfüllt einfach seine Rolle. Er treibt uns an, uns immer um das Beste zu bemühen", schildert Arrivabene seine Sicht der Dinge.

Der von Mercedes losgeeiste und nach einem Jahr Sperrfrist zu Ferrari gestoßene Top-Ingenieur Jock Clear stimmt Arrivabene zu: "Egal welche Sportart man anschaut - wenn du noch so gut bist wie du es vor zehn Jahren warst, bist du heute nicht mehr gut genug. Auch, was ich darüber weiß, Meistertitel zu gewinnen, ist nicht mehr genug, um Meistertitel zu gewinnen. Also muss ich mich auch weiterentwickeln - mit dem Team."

Clear geht sogar einen Schritt weiter, klingt schließlich fast wie Marchionne selbst - der Titel ist fest eingeplant. "Ich komme nicht hierher und sage, ich weiß, was ihr tun müsst, um den Titel zu gewinnen. Das funktioniert nicht mehr. Der Sport bewegt sich dazu zu schnell. Ich entwickle mit dem Team und wir sind zuversichtlich, dass wir in eine Richtung gehen, die uns den Meistertitel mit Ferrari gewinnen lassen wird. Also ist der Meistertitel, den ich mit Ferrari gewinnen werde, auf einem neuen Level", sagt Clear.

Auch Räikkönen und Vettel sprechen offen vom WM-Titel

Kimi Räikkönen weiß mit Druck umzugehen. Heute vor neun Jahren, am 18. März 2007, gewinnt er in Melbourne. Am Saisonende ist der Finne Weltmeister, Foto: Sutton
Kimi Räikkönen weiß mit Druck umzugehen. Heute vor neun Jahren, am 18. März 2007, gewinnt er in Melbourne. Am Saisonende ist der Finne Weltmeister, Foto: Sutton

Und die Piloten? Immerhin sind es Kimi Räikkönen und Sebastian Vettel, die letzten Endes am Lenkrad mit den ganzen Erwartungen umgehen und liefern müssen. Beide haben die ganz große Zurückhaltung längst beendet. "Im Idealfall fahren wir mit ihnen (Mercedes) nicht Rad an Rad, sondern davor, aber wir müssen erstmal auf dem Boden bleiben", sagt Vettel.

Trotzdem sei das Ziel ganz klar der Titel. "Anders finde ich es schwer, mich zu motivieren. Mir das Ziel zu setzen, einfach nur etwas mitzurollen finde ich fad. Es ist das Ziel jeden Fahrers, am Ende ganz vorne zu stehen", sagt Vettel. Ein Spielball, den Kollegen Räikkönen direkt aufnimmt. "Wir sind hier, um den Meistertitel zu gewinnen - für das Team und als Fahrer. Ich spekuliere nicht. Aber ich hoffe natürlich, dass wir dabei sind. Wir versuchen jedes Wochenende das Beste", sagt der Iceman.

In Maranello spricht man sich also überall selbst Mut zu großen Taten zu. Teamchef Arrivabene ist angesichts solch ambitionierter Teammitglieder überzeugt: An Ferrari selbst wird das Projekt Titel nicht scheitern, die Scuderia wird liefern. Nur die Konkurrenz bleibt als Störfaktor. "Wir erledigen unseren Job. Wir haben über den Winter sehr hart gearbeitet und wissen, wo wir stehen. Aber wo du wirklich stehst, hängt davon ab, wo deine Wettbewerber sein werden. Dieses Wochenende werden wir es erfahren", sagt Arrivabene.