Während sich der Vorhang für den vierten Qualifying-Samstag des Jahres 2005 langsam aber sicher senkt und die Fahrer und Ingenieure noch immer in ihren Datenausdrucken schmökern um das ein oder andere Tausendstel herauszuquetschen, werfen wir einen Blick auf die wichtigsten Schlüsselfaktoren für den morgigen Rennsonntag.

S wie Startaufstellung

Die große Frage lautet natürlich auch an diesem Wochenende wieder: Wer holt die Pole Position? Und so lange Bernie und die Teams kein neues Qualifying-Format einführen, werden wir für diese Frage auch weiterhin jede Menge Zeit haben, nämlich von Samstagnachmittag um 14:00 Uhr bis Sonntagmorgen um 11:00 Uhr.

Die besten Chancen besitzen nach dem heutigen Qualifying natürlich Kimi Räikkönen und Fernando Alonso, die nur drei Tausendstel von einander trennen. Hier wird also der kleinste Fehler in der morgigen zweiten Quali-Runde über Pole oder Nicht-Pole entscheiden.

Michael Schumacher scheint mit knapp vier Zehnteln Rückstand fast schon aus dem Rennen um die Pole heraus zu sein. Nichtsdestotrotz wird auch der Ferrari-Star attackieren, schließlich liegen die Top10 alle innerhalb einer Sekunde, weshalb ein kleiner Fehler bereits einige Startplätze ausmachen kann.

S wie Setup

Das Autodromo Enzo e Dino Ferrari verlangt den Autos trotz der geringen Anzahl an Hochgeschwindigkeitskurven eine große Bandbreite an Fähigkeiten ab, wobei die Boliden nicht nur beim Bremsen und Einlenken ein gutes Handling aufweisen müssen, sondern auch eine gute Traktion beim Herausbeschleunigen benötigen.

Beim Setup müssen zudem die zahlreichen Schikanen in die Überlegungen mit einbezogen werden. "In puncto Handling sollte der R25 bei niedrigen und mittleren Geschwindigkeiten schnelle Richtungswechsel erlauben", sagt Giancarlo Fisichellas Renningenieur Alan Permane. "In der Variante Alta und der Variante Bassa kommt es sehr darauf an, wie sich der Wagen beim aggressiven Überfahren der Kerbs verhält. Der Renault R25 ist in dieser Beziehung der beste Formel 1-Rennwagen, den wir je gebaut haben."

Durch das Einbeziehen der Kerbs in die Ideallinie rückt auch das Thema Zuverlässigkeit verstärkt in den Mittelpunkt des Interesses. "Wenn das Auto unter Voll- oder Teillast wieder "landet", kann es im Antriebsstrang oder im Getriebe zu Problemen kommen", weist Permane auf etwaige Problemfelder hin. "Auch der Unterseite des Chassis widmen wir besondere Aufmerksamkeit, da der Wagen mehrfach hart auf den Randsteinen aufschlagen kann. Dadurch können wichtige Komponenten brechen oder Teile des Frontflügels und des vorderen Überhangs der Bodenplatte in Mitleidenschaft gezogen werden."

Der ideale Abstimmungskompromiss für Imola bedeutet laut Permane, auf verhältnismäßig hohe Abtriebswerte zu setzen. "Dieses Risiko können wir eingehen, da die relativ kurzen Geraden nur sehr wenig Überholmöglichkeiten bieten. Wir müssen uns also nicht mit geringeren Abtriebswerten davor schützen, im Rennen überholt zu werden."

S wie Schonen

Im Hinblick auf die Reifen müssen die Piloten während des Rennens vor allem ihre hinteren Pneus im Auge behalten, was nach den bisherigen Trainingserfahrungen wohl ganz besonders für Toyota gelten dürfte. "Die um diese Zeit des Jahres zu erwartenden kühleren Temperaturen führten in den vergangenen Jahren immer wieder zum gefürchteten "Graining" der Pneus", erinnert sich Permane zurück. "Insgesamt erwarten wir aber, dass der Reifenverschleiß auf einem vergleichbaren Niveau liegt wie in Melbourne, wo zum Saisonauftakt ebenfalls kühlere Temperaturen vorherrschten. Der Asphalt in Imola ist zudem nicht allzu rau."

Aber nicht nur die Reifen gilt es zu schonen, auch die Motoren werden in Imola bei einem Vollgasanteil von 62% stark beansprucht. Fabrice Lom, seines Zeichens Motoreningenieur von Giancarlo Fisichella, betont deshalb, dass Imola sehr hohe Ansprüche an die Motoren stelle: "Während einer Runde beschleunigen die Fahrer zum Beispiel mehrfach hart aus sehr niedrigen Geschwindigkeiten. Da kommt es sehr auf die Leistungsabgabe der Triebwerke an."

Da der Kurs in Imola aber über keine langen Geraden verfügt, werden die Kolben und beweglichen Bauteile nicht allzu hohen Belastungen ausgesetzt. "Dem gegenüber stehen allerdings die zu erwartenden kühlen Temperaturen, die eine höhere Luftdichte zur Folge haben. Dadurch wiederum steigt die Motorleistung, die wiederum das Triebwerk höheren Belastungen aussetzt."

Die wohl herausstechendste Charakteristik des Kurses in Imola stellen die sehr aggressiven Kerbs dar, die die Piloten gerne in die Ideallinie mit einbeziehen. Wenn die Autos über diese Randsteine "springen" heben die Hinterräder vom Boden ab. "Dadurch kann es durchaus passieren, dass die Motoren überdrehen oder der Drehzahlbegrenzer über Gebühr beansprucht wird", verrät Lom. "Die Fahrer sollten überhaupt vermeiden, in den Regelbereich des Begrenzers zu kommen, denn er verursacht Vibrationen, die zu Schäden führen können."

S wie Strategie

Nachdem die Reifen nicht mehr gewechselt werden dürfen, wird auch an diesem Wochenende die Spritmenge der entscheidende Strategiefaktor sein. Bridgestone-Technikchef Hisao Suganuma erklärte deshalb schon im Vorfeld des Rennens, dass er "ein zwei Stopprennen" erwarte, da "der Spriteffekt sehr hoch" sein könne.

Für das Rennen sieht der Japaner nach der bisherigen Leistung seiner Reifen und Kundenteams "eine gute Chance" den Rivalen "einen guten Kampf" zu liefern. Aber auch bei Michelin setzt man auf die Strategie. Die bislang eher enttäuschenden Red Bull Piloten möchten sogar mit einer laut Sportdirektor Christian Horner "kreativen Strategie" noch in die Punkteränge fahren.

S wie Schlüsselstellen

Aufgrund seiner entschärften Schikanen-Charakteristik bietet das Autodromo Enzo e Dino Ferrari vor allem eines: Bremsen mordernde Schikanen. Bei gleich vier davon müssen die Piloten von über 300 km/h auf knapp 100 km/h abbremsen und den Bremsscheiben das Äußerste abverlangen.

Die beste Kurve des Kurses ist für Ex-Rennfahrer Marc Surer die Pitarella, welche "schlecht einzusehen" ist und zudem auch noch "bergab" geht.

S wie Start

Nach dem Start rasen die 20 Piloten auf die Tamburello zu, für welche sie von über 300 km/h auf rund 140 km/h herunterbremsen müssen, was im Gedrängel des Starts natürlich zu einigen Feindkontakten führen könnte.

Ansonsten ist der Start aufgrund der Überholunfreundlichkeit des Kurses fast schon die Rennentscheidung. Danach geht laut Surer höchstens bei den Boxenstopps noch etwas. Die Anzahl selbiger hat in diesem Jahr durch das Verbot von Reifenwechseln allerdings abgenommen, weshalb die übliche Prozession zu befürchten ist.

S wie Spannung

Es gibt aber dennoch Gründe die dafür sprechen, dass es trotzdem spannend wird. So zum Beispiel die Tatsache, dass die Top10 des 1. Qualifyings alle innerhalb einer Sekunde lagen und das Feld mit dem Aufwärtstrend von McLaren, Williams und British American Racing so ausgeglichen wie schon lange nicht mehr wirkt.

Entsprechend muss auch der bisherige Dominator der letzten Rennen, Fernando Alonso, um seine Spitzenposition fighten und möchte auch Michael Schumacher zum ersten Mal in diesem Jahr in den Kampf um den Sieg eingreifen. Die Vorzeichen für einen packenden vierten WM-Lauf sind also gegeben.