Die Formel 1 2016 startet an diesem Wochenende im australischen Melbourne in die neue Saison. Es ist die 67. Formel-1-Saison der Geschichte. Eine wirkliche Hammer-Änderung gab es über den Winter nicht, doch mehrere Mini-Änderungen könnten einen großen Einfluss haben. Aus Gründen, die erst auf den zweiten Blick ins Auge fallen.

Die interessanteste Änderung sind die Reifen. Nicht, dass Teams und Fahrer nun zehn Sätze selbst aussuchen dürfen macht den großen Unterschied. Es ist vor allem die Tatsache, dass es nun drei statt wie bisher zwei Mischungen an einem Wochenende gibt. Zusammen mit dem neuen Qualifying-Format kann das richtig spannend werden. Warum?

Fahrer, die in Q3 einziehen, müssen weiterhin das Rennen auf den Reifen starten, auf denen sie die schnellste Zeit in Q2 gesetzt haben. Im vergangenen Jahr war das einfach: Es war in der Regel die weichere der beiden zur Verfügung stehenden Mischungen. In diesem Jahr wird es in den meisten Fällen wohl der weichste der drei zur Verfügung stehenden Reifen sein.

Durch das neue Qualifying-Format ziehen nur noch acht Fahrer in den letzten Qualifikations-Abschnitt ein. In Melbourne bedeutet das, dass die ersten Acht das Rennen wohl auf Supersofts starten. Auf gebrauchten Supersofts, die bereits einen Quali-Run auf dem Buckel haben.

Freie Reifenwahl ab Startplatz neun

Ab Platz neun haben die Piloten freie Reifenwahl. Der Neunplatzierte kann den Australien GP theoretisch auf neuen Mediums starten. Der Unterschied ist riesig. Die weichsten und noch dazu gebrauchten Reifen gehen mit vollgetankten Autos schnell in die Knie. "Wir haben Simulationen dazu gemacht, wie alles schief gehen könnte", sagt Williams-Pilot Valtteri Bottas zu Motorsport-Magazin.com. "Der neunte Startplatz könnte besser als der achte sein."

Das kann zu einem leicht chaotischen Rennbeginn führen, weil die Strategien komplett unterschiedlich sein können. Es ist nicht die Wahl der Reifensätze an sich, es ist vor allem die Strategie im Rennen. Auch wenn die Wahl zwischen den Teams und teilweise auch zwischen den Fahrern eines Teams unterschiedlich ist, kann sich das über die Trainings-Sitzungen ausgleichen.

Weil immer wieder Reifensätze wegfallen, die an den Reifenhersteller zurückgegeben werden müssen. Auch wenn die Wahl zunächst unterschiedlich aussieht, kann es sein, dass Fahrer mit exakt den gleichen Sätzen in Qualifying und Rennen gehen. Das Entscheidende ist nicht die Wahl vor dem Wochenende.

Toro Rosso-Pilot Carlos Sainz hat die Erleuchtung im Cockpit - auch im Australien-Rennen?, Foto: Sutton
Toro Rosso-Pilot Carlos Sainz hat die Erleuchtung im Cockpit - auch im Australien-Rennen?, Foto: Sutton

Funkverbot bedeutet ab 2016 mehr Eigenverantwortung der Fahrer

Zum chaotischen Rennbeginn kommt das neue Funkverbot. Die Fahrer haben nun deutlich mehr Eigenverantwortung, wenn es um Rennstrategie geht. Die Boxenmauer darf ihnen nicht mehr mitteilen, wann sie zum Stopp kommen sollen, oder wie sie mit den Reifen haushalten müssen. Erst in der Stopp-Runde selbst darf die Mitteilung kommen. Auch über die Reifenwahl darf nicht mehr diskutiert werden.

Fahrer mit Rennintelligenz und Gespür für die Reifen sind gefragt. "Gibt es intelligente Rennfahrer überhaupt?", fragte Nico Hülkenberg schelmisch. Hülkenberg weiß, dass der Fahrer 2016 wieder einen größeren Unterschied machen kann. Nicht, weil die Autos schwieriger zu fahren sind, sondern weil der Fahrer auch mit dem Kopf mehr gefordert wird. Das wiederum kostet Kapazitäten im Kopf und die Fehlerquote könnte ansteigen.

In der Summe sollte das zu einem deutlich besseren Sport führen. Gute Nachrichten für die Formel 1. Wie sich die Änderungen in der Praxis erweisen werden, ist natürlich die andere Sache. Theorie ist und bleibt Theorie.

Neue Regeln Hilfe für Dominator Mercedes?

In der Theorie droht aber ein großes Problem: Gibt es ein extrem dominierendes Team, wird die Dominanz durch die Regeln noch verstärkt. Kommt Mercedes auf den Soft-Reifen durch Q2, sind sie früh im Rennen auf und davon. Auch das Qualifying-Format an sich ist hier gefährlich: Ist ein Auto überlegen, reicht eine Runde und der Sprung in das nächste Quali-Segment ist sicher.

Während - in einer nicht ganz unwahrscheinlichen Annahme - Mercedes in der Garage steht, kämpfen die anderen Teams ums Weiterkommen und fahren sich die Reifen kaputt. Mercedes spart Laufleistung bei den Motoren und vor allem Reifen. Aber auch hier gilt: Graue Theorie. Mit der Praxis könnten wir uns noch etwas gedulden müssen. Stimmt die Wettervorhersage, wird es am Freitag und Samstag in Melbourne nass. Dann ist die Formel 1 ohnehin immer weit von jeder Theorie entfernt.