Endlich geht es wieder los. Ihr Eindruck von den Testfahrten: Kann Ferrari Mercedes schlagen?
Christian Danner: Diese Frage stellt sich jeder und alle rechnen herum. Ich glaube schon. Das ist aber eher ein Bauchgefühl. Und zwar deshalb, weil ich Sebastian Vettel, als er das Auto das erste Mal gefahren ist, bei uns vor der RTL-Kamera gesehen habe: Wie der Kerl gestrahlt hat, das zeigt mir einfach: das Auto ist sau gut. Deswegen glaube ich ja. Aber das ist mehr Bauchgefühl als eine technische Analyse. Denn du weißt nie genau welche Probleme das Auto noch in petto hat, speziell was den Motor angeht.

Zum Mercedes-Duell: Kann Nico Rosberg sein Momentum vom Saisonende mit in die neue Saison nehmen?
Christian Danner: Bei den Testfahrten hat es so ausgesehen. Warum nicht? Es wäre ja mal an der Zeit... Vettel und Rosberg machen das unter sich aus und Hamilton schimpft das ganze Jahr über Benachteiligung. Das wäre doch mal was.

Gehen wir gleich ans andere Ende des Feldes. Manor scheint sich stark verbessert zu haben. Kann Pascal Wehrlein sogar mit Punkten rechnen?
Christian Danner: Sie haben jetzt Mercedes-Antrieb und das Williams-Heck. Das allein sollte sie schon mal in Schlagdistanz zu dem Nächstliegenden bringen. Aber nein, ich glaube nicht, dass sie aus eigener Kraft in die Punkte fahren können. Aber man darf natürlich nicht vergessen: Selbst ich habe mal mit einem schweinelangsamen Auto einen vierten Platz heimgefahren. Mit einem Auto, mit dem man sich bei jedem Grand Prix unter Einsatz seines Lebens qualifizieren musstest. Aus eigener Kraft nein. Aber der Manor scheint standfest zu sein. Und mit Zuverlässigkeit kannst du in die Punkte fahren - heutzutage, da die ersten zehn Punkte bekommen, ganz besonders.

Das Haas F1 Team ist 2016 neu in der Formel 1, Foto: Sutton
Das Haas F1 Team ist 2016 neu in der Formel 1, Foto: Sutton

Ein anderes Team hinten ist Haas. Kann man mit dem Neuling schon im hinteren Mittelfeld rechnen?
Christian Danner: Ich sehe Haas viel weiter vorne, nicht hinten bei Manor. Ich sehe sie - zumindest Grosjean, bei Gutierrez kann man schwer einschätzen, wie er sich entwickelt hat - eher auf Top-10-Kurs. Aber dazu muss der Hass natürlich fahren und die Probleme aus der zweiten Testwoche gelöst haben.

Und McLaren, bessergesagt Honda? Kommen die wieder aus den Puschen?
Christian Danner: Das ist eine schwierige Geschichte. Es sind natürlich zwei Partner, die in der Formel 1 Geschichte geschrieben haben. Ein Erfolg, der sich schwer toppen lässt. Und beide - McLaren und Honda - haben jetzt allergrößte Schwierigkeiten, den Anschluss zu schaffen. Ich weiß, dass Eric Boullier das Team sehr effizient umgebaut und die Zügel sehr gut in der Hand hat.

Ob es dieses Jahr schon mit den Vorstellungen von Fernando Alonso, nämlich auf dem Podium zu stehen, klappen wird, daran habe ich so meine Zweifel. Aber ich glaube, dass McLaren über die Saison hinweg das Team sein wird, das sich am meisten entwickelt. Wo sie genau losfahren werden? Schwer zu sagen. Wahrscheinlich werden sie auf dem 15. oder 16. Platz losfahren. Mehr kann ich mir nicht vorstellen. Aber warten wir mal das Ende des Jahres ab. Ich glaube, dass sie konstant aufholen und ein solider Punktekandidat werden.

Schafft es Red Bull 2016 wieder zurück in die Spitzengruppe?, Foto: Sutton
Schafft es Red Bull 2016 wieder zurück in die Spitzengruppe?, Foto: Sutton

Dann gibt es noch Dauerpatient Red Bull. Renault scheint ja doch einen größeren Sprung gemacht zu haben. Zumindest einmal, was die Zuverlässigkeit angeht.
Christian Danner: Ja, die Zuverlässigkeit ist ganz offensichtlich besser. Ich glaube aber, dass sich die Verfolger von Strecke zu Strecke abwechseln werden.

Mit den Verfolgern meine ich die Gruppe hinter Mercedes und Ferrari. Wenn man mal genau hinsieht: Der Red Bull produziert seit Jahren Abtrieb ohne Ende, kommt aber nicht aus den Strümpfen. Selbst als Vettel eine Weltmeisterschaft nach der anderen gewonnen hat, war das nicht anders - auf den Geraden ist er verhungert. Diese Philosophie haben sie noch immer.

Wenn also viele Ecken da sind, dann ja - mit der richtigen Zuverlässigkeit. Wenn viele Geraden da sind, dann ist der Williams besser. Es ist schwer zu sagen - vielleicht spielt auch der Force India mit. Und dazwischen darf man auch den Toro Rosso nicht vergessen. Der sieht auch stark aus. Ich bin ein großer Freund von diesem Team, weil James Key das so unspektakulär und gleichzeitig gut macht.

Danner erwartet auch 2016 packende Zweikämpfe im Mittelfeld, Foto: Sutton
Danner erwartet auch 2016 packende Zweikämpfe im Mittelfeld, Foto: Sutton

Wenn es vorne also nicht ganz für spannende Duelle zwischen Ferrari und Mercedes reicht, dürfen wir uns also wieder über reichlich Action mit Mittelfeld freuen...
Christian Danner: Ja, das wird super! Und mit all denen mischt auch mal der Grosjean mit. Da bin ich mir ziemlich sicher.

Große Regeländerungen haben wir in diesem Jahr nicht, aber mehrere Mini-Änderungen. Zum Beispiel die Freiheit bei der Reifenwahl. Die Mercedes-Piloten haben schon unterschiedliche Reifen für Australien gewählt. Kann das den Unterschied machen?
Christian Danner: Ja, das kann schon einen kleinen Einfluss haben. Aber wie immer wird sich das ausnivellieren. Jetzt ist noch alles neu, man probiert ein bisschen herum. Ein bisschen konservativer, ein bisschen aggressiver. Aber nach ein paar Rennen wird sich herausgestellt haben, was da das richtige Vorgehen ist. Deswegen glaube ich, dass die Ingenieure relativ schnell wissen, was für ihren jeweiligen Fahrer da das Beste ist.

Grundsätzlich finde ich es ganz, ganz toll, dass Pirelli das vorgeschlagen hat. Dass es in der Umsetzung jetzt so kompliziert ist, ist nicht Pirellis Schuld - das muss man mal ganz klar sagen. Die ursprüngliche Idee von Rob Fernley war noch viel simpler und spannender, aber durch die Entscheidungsstrukturen in der Formel 1 ist jetzt doch ein im Detail relativ kompliziertes Konstrukt herausgekommen. Wenn sie dann alle mal fahren, wird es wieder recht überschaubar. Ich sehe die Änderung positiv. Es ist eine weitere Farbvariante im wahrsten Sinne des Wortes.

Der Radio-Bann kann ein Vorteil für Rosberg sein, sagt Danner, Foto: Sutton
Der Radio-Bann kann ein Vorteil für Rosberg sein, sagt Danner, Foto: Sutton

Noch eine Änderung ist der Radio-Bann. Kann der diesmal wirklich etwas ändern? Vorteil Rosberg?
Christian Danner: Hier bin ich auf die Umsetzung des Ganzen gespannt. Das Problem ist, wie wird es geahndet? Wann sagen die Stewards, dass etwas nicht erlaubt war? Wenn es wirklich so kommt, dass die Funkkommunikation auf ganz, ganz wenige Basics beschränkt wird, dann glaube ich, ja. Rosberg hat sich mit den ganzen Systemen und dem Umgang damit besser auseinander gesetzt als der Hamilton. Hamilton hat einfach gefragt: 'Was soll ich denn machen?' Diese Funksprüche haben wir ja oft genug gehört. 'Any idea what to do?' Jetzt müsste er sich selbst etwas ausdenken.

Am liebsten wäre mir eigentlich, die würden überhaupt nichts mehr sagen und die Ingenieure hätten überhaupt keine Telemetrie mehr. Denn dann wäre - und da gibt es ein wichtiges Wort das ich immer wieder gerne einbringe - Eigenverantwortung wichtig. Ich habe es gerne, wenn ein Fahrer sich in Eigenverantwortung seine Bremsbalance einstellt, sich in Eigenverantwortung an seinen Knöpfen dreht und vor allem selbst seinen Bremspunkt wählt und auch einlenkt, wann er will - in kompletter Eigenverantwortung!

Das ist der Grund, warum ich zuschauen möchte. Ich möchte Fahrer haben, die in Eigenverantwortung ihren Job machen. Der eine eben besser als der andere. Das ist genau das, was ich haben will. Es gab so etwas in der Vergangenheit schon relativ konkret, was dann eben in der Praxis nicht durchgezogen wurde. Deshalb müssen wir hier abwarten, wie es konkret aussieht und wie es umgesetzt wird.

Nach langem Hin und Her haben wir jetzt auch ein neues Qualifying-Format. Aber wird das wirklich etwas ändern?
Christian Danner: Nein. Der Zufallsfaktor kann mal etwas durcheinander bringen, aber grundsätzlich ist an dem Format ja nichts anders. Außer dass dieser Strich nicht einmal am Ende von Q1 gezogen wird, sondern nach sieben Minuten alle 90 Sekunden. Aber mal ganz ehrlich: Was soll sich denn dadurch ändern? Außer du größere Probleme oder kannst gar nicht fahren. Dann kann es schon etwas durcheinander wirbeln. Aber wenn alles halbwegs normal läuft, ist es nicht so viel anders.

Zum Kommentieren wird es aber schwierig, hier kommt es stark auf das Fernsehbild an. Du weißt nie genau, wer noch auf einer Runde ist und wo er genau ist. Deshalb muss man eigentlich alle 90 Sekunden nur auf den Driver-Tracker schauen, wer noch eine Runde fährt und ob das was wird. Ich kommentiere also mehr nach hinten - wer fällt raus - als nach vorne - wer ist schnell. Mit Heiko [Wasser] habe ich das schon durchgespielt, aber es wird nicht ganz einfach.