Nachdem Esteban Gutierrez bereits am ersten Tag der zweiten und letzten Testfahrten vor der Saison in Barcelona nur wenig zum Fahren gekommen war, sah es einen Tag später noch schlechter für ihn aus. Mehr als eine Installationsrunde war nicht drin. Das konkrete Problem ist der Turbolader, aber es geht auch allgemein um die Komplexität der Technik, wie Teamgründer Gene Haas verdeutlichte. "Wir hatten ein paar Probleme, nichts Großes, aber es dauert etwas, die Fehler zu suchen und dann zu lösen."

Am Dienstag hatte ein kleiner Knick in einem Kabel für Motorfehlzündungen gesorgt. Haas vermutete einen Zusammenhang mit dem Problem, das einen Tag später mit dem Turbolader auftrat. Dabei ging es um zu hohe Drehzahlen. "Sobald die empfohlene Drehzahl überschritten wird, besteht die Gefahr, dass das Turbinenrad das Innere des Gehäuses zerkratzen könnte. Aus Sicherheitsgründen wollten wir daher, dass sie [Ferrari] das Teil zurücknehmen und untersuchen", erläuterte Haas auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com.

Haas machte Ferrari keinen Vorwurf. "Der Turbo ist noch intakt, er dreht sich noch, aber er hat sich zu schnell gedreht", stellte er klar. "Sie sind vorsichtig, wenn sie so etwas untersuchen. Das Problem bei dem Turbolader ist, dass er explodieren kann, wenn dort etwas schief läuft. Daher sind sie darauf bedacht, bestimmte Parameter nicht zu überschreiten und dadurch eine Katastrophe zu verursachen." Da bei Gutierrez' Installationsrunde ein Alarm ausgelöst wurde, ging das Team auf Nummer sicher.

Auch wenn durch das Problem wertvolle Streckenzeit verloren ging, konnte Haas dem Ganzen auch etwas Positives abgewinnen. "Es ist ein sehr guter Zeitpunkt für das Team, das Auto kennenzulernen", betonte er. "Der Prozess, Fehler zu suchen, Dinge auseinanderzunehmen und wieder zusammenzusetzen, war sehr wertvoll, was die Erfahrungen angeht - und die braucht man. Denn bei Rennen hat man Probleme und Dinge, die nicht funktionieren", zeigte er auf.

Esteban Gutierrez verlor sehr viel Streckenzeit - eventuell will Haas für Freitag sein Aufgebot anpassen, Foto: Sutton
Esteban Gutierrez verlor sehr viel Streckenzeit - eventuell will Haas für Freitag sein Aufgebot anpassen, Foto: Sutton

Ins kalte Wasser gesprungen

Was alles nicht funktionieren oder Probleme verursachen kann, war Haas vor dem Formel-1-Einstieg nicht ganz klar. "Die Komplexität der Autos und der Motoren und was sie tun, ist jenseits von allem, was ich je erwartet habe. Der technische Aspekt dieser Autos ist faszinierend", sagte er auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com. "Für die Ingenieure, vor allem diejenigen, die die Autos entwerfen, ist es eine wirkliche Herausforderung. Auf der einen Seite ist es eine Herausforderung, auf der anderen Seite denke ich aber nicht, dass die Fans wirklich verstehen, wie komplex es ist. Sogar ich wusste das nicht! Ich war auch irgendwie naiv."

Er habe nicht geahnt, wie viel nötig ist, damit ein Formel-1-Auto einwandfrei läuft und sei davon überrascht gewesen, wie komplex allein das korrekte Aufwärmen der Bremsen ist. "Es können alle möglichen Katastrophen passieren, wenn man die Dinge nicht perfekt macht", erklärte er und meinte lachend: "Das hier ist nicht North Carolina, das ist mir klar." Er sei ins kalte Wasser gesprungen, ohne ganz zu verstehen, was in der Königsklasse auf ihn zukommt. "Aber wie will man sonst lernen, wenn nicht dadurch, ins kalte Wasser zu springen? Wenn die Leute erwartet haben, dass wir in den ersten Rennen mit den großen Jungs kämpfen, dann war das nicht realistisch", stellte Haas klar.

Haas besteht auf den Lernprozess, so beschwerlich er auch sein mag. Alle Schuld für technische Probleme bei Ferrari abzuladen, kommt für ihn nicht in Frage. "Ich kann mich nicht hinsetzen und nach einem schlechten Tag sagen: 'Das war die Schuld von Ferrari!'. Wir müssen Verantwortung dafür übernehmen, welche Leistung wir auf der Strecke bringen." Stolpern und sich dann wieder aufrichten - das soll Haas von anderen Teams unterscheiden.

Gene Haas ist überrascht von der hohen Komplexität in der Formel 1, Foto: Sutton
Gene Haas ist überrascht von der hohen Komplexität in der Formel 1, Foto: Sutton

Dank an Charlie Whiting

Ein weiterer Unterschied zwischen Haas und den anderen Teams ist, dass die US-Amerikaner, um Kosten und Zeit zu sparen, so viele Teile wie erlaubt von anderen - etwa Ferrari - gekauft haben. Eine Ausnahme bildeten die Teile, die auf der Liste der FIA als unverkäuflich gelistet sind. "Die Liste der Teile ist im Laufe der Jahre kleiner geworden - dafür müssen wir Charlie Whiting danken", sagte Haas. "Das ist ein großer Vorteil für uns." Eine kurze Liste bedeutet nämlich, dass nur eine geringe Anzahl von Teilen vom Verkauf an Kunden ausgeschlossen ist.

"Ich glaube nicht, dass man heutzutage ein Team starten kann, indem man alles selbst macht", meinte Haas und führte erneut die Komplexität der Technik ins Feld. Er würde es begrüßen, wenn weitere Teile, wie etwa der Kühler, von der Liste genommen und damit zum Kauf bereitstehen würden. Und das nicht nur aus eigenem Interesse. "Es wäre für künftige Teams einfacher, wenn diese Liste gekürzt werden würde. Aber im Moment sind wir zufrieden. Wir haben uns viel Zeit gespart."