Stellen Sie sich vor, die ganze Formel-1-Welt freut sich auf die ersten Testfahrten. Neue Autos, lautere Motoren, endlich wieder Fahrbetrieb. Und dann interessiert sich am ersten Testtag in Barcelona kaum mehr jemand für das Geschehen auf der Strecke. Grund dafür sind die bevorstehenden Treffen der Strategiegruppe und der Formel-1-Kommission am Dienstag in Genf.

Die Gremien müssen darüber entscheiden, wie die Autos 2017 aussehen sollen. Wird am Dienstag keine Entscheidung getroffen, sieht es schlecht aus. Ab März müssten die Teams einstimmig für Änderungen für die kommende Saison stimmen. Ein Ding der Unmöglichkeit in der modernen Formel 1.

Was steht zur Diskussion?

Worum geht es genau? In erster Linie um die Aerodynamik-Regeln für 2017. Die Autos sollen breiter werden, die Reifen ebenfalls. Der ursprüngliche Plan war es, die Autos fünf bis sechs Sekunden pro Runde schneller zu machen. Red Bull hat dafür ein radikales Konzept vorgelegt. Nicht nur die Spur soll wachsen, sondern auch das Bodywork.

So aggressiv könnten die Formel-1-Autos 2017 aussehen, Foto: Mercedes/Motorsport-Magazin.com
So aggressiv könnten die Formel-1-Autos 2017 aussehen, Foto: Mercedes/Motorsport-Magazin.com

Das Problem: Nicht alle wollen einen Paradigmenwechsel. Vor allem Mercedes nicht, zu groß ist die Gefahr, bei einer großen Regeländerung die Spitzenposition zu verlieren. Und dann gibt es noch ein weiteres Problem: Viele zweifeln daran, ob Pirelli die entsprechenden Reifen für diese Autos bauen könnte.

Red Bull Teamchef Christian Horner will das nicht als Ausrede gelten lassen, wie er gegenüber Motorsport-Magazin.com sagte: "Wir hatten das Meeting mit Pirelli in Mailand. Dort wurde uns vom Pirelli-Vorstand gesagt, sie würden die Reifen liefern, die die Formel 1 will. Es wäre falsch, Pirelli als Sündenbock hinzustellen." Horner fürchtet, dass viele die Reifen nur als Ausrede hernehmen.

Ist Pirelli das Problem?

Doch Pirelli könnte tatsächlich zum Problem werden. Den Italienern ist der große Performance-Sprung zu gefährlich. Eigentlich kann die FIA in Abstimmung mit Pirelli in diesem Jahr bis zu sechs zweitätige Tests abhalten, um die neuen Reifen zu entwickeln. Doch da ist schon das nächste Problem: Wann soll das passieren? Der aktuelle Kalender erlaubt diese Tests gar nicht.

Die Tests finden bestenfalls in Europa statt. Doch im Anschluss an den Spanien GP werden bereits zwei reguläre Testtage ausgetragen. Im Anschluss an den Österreich GP kann nicht getestet werden, weil eine Woche darauf Silverstone ansteht. In Silverstone finden am Dienstag und Mittwoch nach dem GP ebenfalls 'normale' Tests statt. Budapest und Hockenheim sind back-to-back Rennen. Die Sommerpause zwischen Deutschland und Belgien ist ohnehin auf drei Wochen gekürzt worden. Testfahrten dazwischen? Eher schwierig. Spa und Monza sind ebenfalls back to back. Bleibt noch Monza für die Reifentests. Und am Ende der Saison möglicherweise in Abu Dhabi. Das ist aber fast schon zu spät.

Das Test-Problem ist nur eines von vielen. Auch für Autos, die 'nur' drei Sekunden schneller werden, müssen die Reifen getestet werden. Erst recht, wenn sich auch die Reifendimensionen ändern. Die Teams müssen am Dienstag entscheiden.

Force India: Wir wollen, was die Fans wollen

"Die größte Gefahr ist vermutlich, dass die Tendenz besteht, dass die Team in ihrem eigenen Interesse entscheiden und nicht danach, was am besten für den Sport ist", weiß Adrian Newey aus Erfahrung. Force Indias Otmar gibt sich zumindest offen: "Wir wollen das, was die Fans wollen: schnellere Autos." Doch Szafnauer ist Realist. Und als Realist befürwortet er den Vorschlag von Mercedes, die Autos um rund drei Sekunden schneller zu machen. "Das ist schon eine Menge", wirft er ein.

Diese Lösung ist für Horner eine Katastrophe. "Wir haben morgen die Chance, etwas Fantastisches für die Fans zu tun. Entweder wir machen es richtig, oder wir machen es gar nicht." Gut möglich, dass gar nichts zur Realität wird. Wird die Änderung verschoben? "Ich sehe nicht, was in zwölf Monaten anders sein soll?", fragt sich Horner. "All die Analysen, all die Berechnungen wurden jetzt schon gemacht."

Mit der Zeit werden die Konzepte nicht besser, wie Newey weiß. Um die verschiedenen Vorschläge zu testen, durften die Teams zusätzliche Ressourcen bei der CFD-Berechnung anwenden. Die reglementierten Terraflops waren davon nicht betroffen. "Das Problem ist, dass diese Phase stoppte und danach diese Regularien durch allerlei Versuche verwässert und geändert wurden. Und seither wurde dazu nichts mehr gemacht, was meiner Meinung nach eine vergebene Option ist."

Ecclestone mit wilden Vorschlägen

Bernie Ecclestone steht auf Red Bulls Seite, Foto: Sutton
Bernie Ecclestone steht auf Red Bulls Seite, Foto: Sutton

Bernie Ecclestone bringt der Stillstand auf die Palme. Der Formel-1-Zampano bekam gemeinsam mit FIA Präsident Jean Todt ein Mandat, mit dem beide quasi nach Gusto regieren konnten. Ecclestone aber braucht Todt dazu. Weil die Motorenhersteller sich auf eine Senkung der Preise für die Power Units geeinigt haben, ist Todt nicht mehr auf Ecclestones Seite. Der Brite steht gemeinsam mit Red Bull auf verlorenem Posten.

Deshalb wirft Ecclestone vor dem Meeting völlig abstruse Ideen in den Raum. Ein Beispiel: Punkte für das Qualifying vergeben und anschließend die Startaufstellung bunt durcheinanderwürfeln. Keine umgekehrte Startaufstellung, sondern gemischt. Auch diese Vorschläge werden in Genf diskutiert. "Ich bin da vielleicht ein Traditionalist, aber man muss nicht alles ändern. Kann man die Rennen spannender machen? Ja, aber nicht mit allen Mitteln", meint Horner.

Ecclestones Vorschläge sind aus der Verzweiflung geboren. Ob sie sich durchsetzen werden, ist eher fraglich. Aktuell ist unklar, wie die Teams, die FIA und CVC entscheiden werden. Es sieht allerdings nicht danach aus, als würden 2017 radikale Änderungen kommen. Der Mittelweg oder Stillstand scheinen realistisch.