Red Bull Racing hat sich in Barcelona in die lange Schlange eingereiht. Wie der Großteil der anderen F1-Teams enthüllte der Rennstall seinen neuen Boliden für die Formel-1-Saison 2016 am ersten Testtag des Jahres. Der RB12 zeigte somit seine Kurven erstmals in der Öffentlichkeit. Zuvor hatte Red Bull bei einem Event in London Mitte der Woche bereits die neue, deutlich mattere Lackierung auf das Vorjahres-Auto gepinselt und dafür viel positives Feedback erhalten.

"Die neue Lackierung schaut gut aus, das Auto ist unglaublich. Natürlich ist es für uns Fahrer wichtiger, wie das Auto auf der Strecke funktioniert, aber es ist auch wichtig, dass es gut aussieht", lobte Daniel Ricciardo. Nun ist also auch das neue Chassis hinzugekommen, mit dem Red Bull an die in diesem Bereich existente Spitzenklasse alter Tage anknüpfen möchte.

Das Auto

Nach der seit Mittwoch bekannten Lackierung fällt in Sachen Chassis-Design nun - ähnlich wie bei Williams und ganz anders als bei Ferrari - nur wenig Markantes ins Auge. Immerhin sah der Plan Red Bulls vor, vorhandene Stärken zu optimieren. "Wir haben auf den Lektionen des vergangenen Jahres aufgebaut. All die Indikationen von unseren Simulationen haben ergeben, dass das Chassis sehr stark sein sollte", sagt Cheftechniker Adrian Newey. Rein optisch fällt vor allem die etwas spitzere Nase ins Auge, zudem der sehr feingliedrige Frontflügel.

Aero-Chef Dan Fallows: "Bisher sind die Hausnummern von CFD und Windtunnel ziemlich ermutigend. Auf jeden Fall bin ich unglaublich überrascht, wie viel wir aus dem stabilen Reglement noch herausgeholt haben. Das hat damit zu tun, dass wir alle besser verstanden haben, wie das Vorjahres-Auto funktionierte und einige Probleme damit identifiziert und uns auf diese fokussiert haben. So haben wir ein paar große Schritte nach vorne getan."

Der Antriebsstrang im RB12 stammt nach einigem Hin und Her im vergangen Jahr weiterhin von Renault. Weil die Franzosen jedoch selbst mit einem Werksteam antreten, heißt der Red-Bull-Motor TAG-Heuer. Entsprechende Logos befinden sich auf der Motorenabdeckung. Diese große Verzögerung im Winter stellte zugleich die größte Herausforderung bei der Konzeption des RB12 dar.

"Das hat zu einer sehr komprimierten Design-Phase geführt. Was das angeht haben wir in Sachen Packaging des Autos alles getan was wir konnten ohne die Power Unit zu kennen", beschreibt Newey die Problematik. Immerhin der Motor selbst soll diesmal deutlich besser funktionieren. "Es scheint, dass die Kollegen in Frankreich über den Winter einige Fortschritte gemacht haben", sagt Horner.

Daniel Ricciardo und Daniil Kvyat wollen 2016 wieder öfter feiern, Foto: Sutton
Daniel Ricciardo und Daniil Kvyat wollen 2016 wieder öfter feiern, Foto: Sutton

Die Fahrer

Nach seinem brillanten Debütjahr bei Red Bull, in dem er sogar Vierfach-Champion Sebastian Vettel alt aussehen ließ, folgte für Daniel Ricciardo 2015 eine schwierige Saison. Am Saisonende fehlten dem Australier sogar drei WM-Punkte auf seinen Newcomer-Teamkollegen Daniil Kvyat. An den Qualitäten Ricciardo zweifelt bei Red Bull dennoch niemand. "2015 hatte er mit größeren Herausforderungen zurecht zu kommen. Er hat das gut gemacht und einige richtig starke Rennen gezeigt, besonders in Ungarn und in Singapur", erinnert Teamchef Christian Horner an zwei starke zweite Plätze.

Und sein russischer Teamkollege? Der ist bei Red Bull ohnehin immer besser zurecht gekommen, entwickelte sich im Saisonverlauf des Vorjahres von Rennen zu Rennen. "Daniils erste Saison mit dem Team war eine Evolution für ihn, er ist immer noch sehr jung. Er kam zu Red Bull mit dem Auftrag, Sebastian Vettel zu ersetzen und er ist mit dem Druck sehr gut umgegangen", lobt Horner. Insgesamt verfüge Red Bull somit über eine starke Fahrerpaarung: "Die Kombination aus beiden Daniels ist gut. Beide sind jung, dynamisch, beide haben eine gesunde Rivalität. Sie arbeiten gut zusammen und haben ein ähnliches Gefühl für das Auto."

Das Team

Wie bei den Fahrern setzt Red Bull auch im Team auf Konstanz. Der größte Unterschied betrifft jedoch die Motorenabteilung. Da Renault fortan wieder mit eigener Equipe vertreten ist, verliert Red Bull den Status als deren "Quasi-Werksteam". Vernachlässigung fürchtet Christian Horner dennoch nicht. "Wir sollten nicht vergessen, dass wir 2010 eine Weltmeisterschaft gewonnen haben, als sie ein Werksteam hatten", sagt der Teamchef.

Der übrige Stab ist jedoch erhalten geblieben und tüftelte im Winter eifrig am RB12. Weiterhin mehr unter Oberaufsicht als eigener Aktivität von Design-Guru Adrian Newey arbeitete ein eingespieltes Team am neuen Boliden. Wegen der späten Bekanntgabe des Motorenausstatters für 2016 eine Aufgabe, die es in Rekordzeit zu bewältigen galt. "Die Jungs, vor allem die Zeichner, haben da einen fantastischen Job gemacht, das in so kurzer Zeit zu schaffen", lobt Newey. Erst am vergangenen Mittwoch bestand der RB12 den letzten Crashtest.

Die Ziele

Das Wort Titel nimmt bei den ehemaligen Serien-Weltmeistern inzwischen längst niemand mehr in den Mund. Dazu fährt Red Bull seit Beginn der Hybrid-Ära in der Formel 1 zu weit hinterher. Zeichnete dafür 2014 vor allem die anfällige wie schwache Power Unit von Renault verantwortlich, übernahm sich das Team im darauf folgenden Winter auch am Zeichenbrett. 2015 gesellte sich zum weiter existenten Motoren-Problem somit noch ein gewaltiges Chassis-Missverständnis hinzu, das der Rennstall erst Mitte des Jahres auszumerzen wusste.

Dennoch reichte es nicht mehr, um das mit Rang vier schlechteste Abschneiden in der Konstrukteurswertung seit 2008 zu verhindern. 2014 war Red Bull dank drei Abstauber-Siegen Ricciardos noch Zweiter gewesen. 2015 hingegen reichte es lediglich zu drei Podien ohne Sieg. Wegen des weitestgehend stabilen Reglements erwartet das Team keine dramatischen Sprünge im neuen Jahr. "2016 ist eine Evolution der 2015er Regeln, daher wird man zumindest in der ersten Hälfte des Jahres eine ähnliche Reihenfolge haben", sagt Teamchef Christian Horner.

Doch spätestens im zweiten Halbjahr will es Red Bull wieder krachen lassen. "Ich hoffe, wir können ein paar Rennen gewinnen. Auch wenn das nach der Performance im vergangenen Jahr etwas fern erscheint", sagt Chefingenieur Rob Marshall. Der Chef der Abteilung Car Engineering, Paul Monaghan; träumt sogar von viel früheren Erfolgen: "Erster und Zweiter in Australien wäre schön, wenn Sie nach Hoffnungen fragen." Realistisch gesehen sollte sich Red Bull am Ende der Saison zufrieden zeigen, sollte man Williams den dritten Platz in der Hackordnung abgeluchst haben.