Die Reglements für die Triebwerke der LMP1-Prototypen und der Formel-1-Boliden sind grundverschieden und doch irgendwie ähnlich. Prinzipiell haben beide eine Sache gemeinsam: Es geht um Effizienz. Während das Formel-1-Reglement sehr genau vorgibt, wie die Power Unit auszusehen hat, gibt es in der Hybrid LMP1 quasi keine Vorschriften. Motorsport-Magazin.com vergleicht den jeweiligen Klassenprimus: Das Duell lautet Mercedes gegen Porsche.

Ein deutsches Duell, könnte man meinen. Doch der Mercedes Antrieb wurde von Mercedes High Performance Powertrains in Brixworth entwickelt. Mit Know-how von Daimlers Truck-Abteilung. Porsche entwickelt Chassis und Antrieb in Weissach.

Die Formel 1 wird oftmals wegen ihrer enormen Kosten kritisiert. Doch die Entwicklung des Antriebs bei Porsche war sicherlich nicht gerade ein Schnäppchen. Die Formel 1 regelt genau, was erlaubt ist und was nicht. Das spart enorm Ressourcen. "Vor zwanzig Jahren musste man Tage darüber nachdenken, wie groß die Bohrung sein sollte. Man hat Tage darüber nachgedacht, wie viele Zylinder es werden sollen. Heute ist alles im Reglement", erklärt Mercedes Motorenchef Andy Cowell.

Auf acht Seiten schreibt das aktuelle Formel-1-Reglement die genaue Spezifikation des Motors vor. Das LMP1-Reglement ist dagegen lächerlich einfach. Für die Hybrid-Fahrzeuge gibt es nur eine konzeptionelle Vorgabe: Es muss ein Viertakt-Diesel- oder Benzinmotor sein. Dazu gibt es noch eine Hand voll Einschränkungen bei Details wie Ventilen, das war es aber.

Entsprechend lange dauert die Konzeptfindung. Toyota, Porsche und Audi fuhren 2015 mit komplett unterschiedlichen Konzepten. Das Porsche-Konzept setzte sich mit deutlichem Vorsprung ab, weshalb wir es hier mit dem Formel-1-Motor von Mercedes vergleichen.

Porsche zeigt erstmals Motoren-Bilder

Turbolader und MGU-H wurden für die Aufnahmen abgeschraubt, Foto: Porsche
Turbolader und MGU-H wurden für die Aufnahmen abgeschraubt, Foto: Porsche

Während sich die Formel 1 gerne geheimnisvoll zeigt, wenn es darum geht, Technik offen zu zeigen, hüten Audi, Toyota und Porsche ihre Geheimnisse wie Fort Knox das Gold. Zum ersten Mal hat Porsche jetzt Fotos vom Motor des 919 Hybrid veröffentlicht. Doch die Fotos zeigen nicht viel: Lediglich der Verbrennungsmotor ist darauf zu sehen. Kein Turbolader, keine MGU-H, keine Batterie, kein KERS. Deshalb sieht der Porsche-Motor auf dem Bild besonders mickrig aus. Weil es durch das Reglement mehr Freiheiten gibt, müssen die Ideen auch besser geschützt werden.

Die verschiedenen Konzepte werden in der WEC über die zur Verfügung stehende Energie angeglichen. Je mehr elektrische Energie ein Fahrzeug einsetzt, desto weniger Treibstoff darf es konsumieren. Dazu ist die Hybrid-LMP1 in verschiedene Klassen eingeteilt: Bis zwei Megajoule, bis vier Megajoule, bis sechs Megajoule und schließlich bis acht Megajoule. Die Werte gelten für die Strecke in Le Mans, für kürzere Strecken werden sie entsprechend angepasst.

Die MGU-K am Mercedes-Motor, Foto: Mercedes AMG
Die MGU-K am Mercedes-Motor, Foto: Mercedes AMG

In der Formel 1 dürfen pro Runde – egal auf welcher Strecke – maximal zwei Megajoule kinetisch rekuperiert werden. Vier Megajoule dürfen von der Batterie an die MGU-K abgegeben werden, der Energiefluss von und zur MGU-H ist komplett unlimitiert.

Porsche hat sich bei der 2015er Generation des 919 Hybrid für die Acht-Megajoule-Klasse entschieden. 2015 betrug hier der maximale Benzinfluss 88,5 Kilogramm pro Stunde. Für eine Runde in Le Mans standen maximal 138 Megajoule aus dem fossilen Brennstoff zur Verfügung. In der Formel 1 gilt der maximale Benzinfluss von 100 Kilogramm pro Stunde. Der Treibstoffverbrauch pro Runde ist nicht beschränkt, für die Renndistanz von knapp über 300 Kilometer gilt die Gesamtmenge von 100 Kilogramm Benzin.

0 MJ 2 MJ-Klasse 4 MJ-Klasse 6 MJ-Klasse 8 MJ-Klasse
Fuel Flow kg/h
2015 100,9 94,3 91,9 89,5 88,5
2016 101,4 87,9 85 82 80,6
Megajoule pro Runde
2015 157,2 147 143,3 139,5 138
2016 157,2 136,3 131,7 127,2 124,9

Während in der Formel 1 darüber diskutiert wird, wie die Autos schneller werden sollen, hat die FIA die LMP1-Boliden 2016 eingebremst. Der Benzinfluss wurde nach unten korrigiert, die pro Runde zur Verfügung stehende Energie ebenfalls. Porsche muss 2016 mit 80,6 Kilogramm pro Stunde auskommen. Rund neun Prozent weniger. Das bedeutet auch rund neun Prozent weniger Leistung. Bislang taxierte Porsche den Verbrennungsmotor mit über 500 PS. Nun sollen es unter 500 werden.

Porsche setzt auf einen Vierzylinder-Motor mit zwei Litern Hubraum. In der Formel 1 sind Sechszylinder-Motoren mit 1,6 Liter Hubraum vorgeschrieben. Während in der Formel 1 auch die Bauart des Motors genau vorgeschrieben ist, darf Porsche frei wählen. Beide kommen aber am Ende auf einen V-Motor mit 90 Grad Zylinderwinkel. Der Verbrennungsmotor von Mercedes leistet über 750 PS.

Porsche mit MGU-H-Windrad

Auf diese Leistungen kommen die Motoren natürlich nicht ohne Zwangsbeatmung. Beide Motoren bekommen von einem Turbolader zusätzliche Frischluft. Und hier beginnen die interessanten Unterschiede: Die Formel 1 schreibt einen Turbolader vor. Am Turbolader befindet sich die MGU-H. Bei Mercedes befindet sich die MGU-H zwischen Turbolader und Verdichter. Sie rekuperiert Energie, die dem Verdichter dafür entzogen wird. Dafür spielt der Generator bei niedrigen Drehzahlen E-Motor und treibt den Verdichter mit gespeicherter Energie an.

Die MGU-H sitzt separat im Abgastrakt, Foto: Porsche
Die MGU-H sitzt separat im Abgastrakt, Foto: Porsche

Porsche hat genau genommen anderthalb Turbolader. Die Ingenieure haben zwei Turbinen parallel in den Abgastrakt eingebaut. Eine Turbine fungiert ganz normal als Antrieb des Verdichters. Die zweite Turbine treibt aber keinen Verdichter an, sondern die MGU-H. Über Variable Turbinengeometrie wird gesteuert, wie viel Energie die MGU-H rekuperiert. Die MGU-H Abzweigung funktioniert wie ein Wastegate-Ventil.

In der Formel 1 kontrolliert ebenfalls die MGU-H die Drehzahl des Turboladers. Sie bremst ihn ab, um elektrische Energie zu erzeugen. Im Gegensatz zur Formel 1, kann Porsche mit der Bypass-MGU-H den Turbolader nicht auf Drehzahl bringen.

Allrad gegen Hinterrad-Antrieb

Muss Porsche auch nicht unbedingt, denn bei der MGU-K gibt es die nächsten gravierenden Unterschiede, die dem LMP1 das Beschleunigen erheblich erleichtern. Porsche rekuperiert kinetische Energie an der Vorderachse. Hier kann mehr Energie gewonnen werden als an der Hinterachse. Porsche gibt die acht Megajoule auch wieder an die Vorderachse ab. Der 919 Hybrid wird somit zum Allrad und hat dadurch die deutlich bessere Traktion.

Im Porsche 919 Hybrid sitzt die MGU-K an der Vorderachse, Foto: Porsche
Im Porsche 919 Hybrid sitzt die MGU-K an der Vorderachse, Foto: Porsche

In der Formel 1 wird die Energie an der Hinterachse rekuperiert, auch das schreibt das Reglement genau vor. Genau genommen aber nicht an den Rädern, sondern an der Kurbelwelle. Die MGU-K sitzt direkt am Verbrennungsmotor und ist über ein kleines Getriebe mit der Kurbelwelle verbunden.

Nicht nur beim Konzept selbst gibt es hier große Unterschiede, sondern auch beim Energiefluss. In der Formel 1 ist die Leistung auf 120 Kilowatt, also rund 163 PS begrenzt. Die Zusatzleistung wird konstant abgegeben, bis vier Megajoule aus der Batterie abgerufen wurden. Das sind 33,3 Sekunden pro Runde. Die MGU-H darf zusätzlich ‚kostenlos‘ Energie gewinnen und direkt an die MGU-K abgeben.

Porsche: Elektro-Boost mit über 700 PS

Das LMP1-Reglement schreibt nur die maximale elektrische Energie von acht Megajoule pro Runde vor. Wie sie abgegeben wird, ist egal. Deshalb gibt Porsche bei der Beschleunigung Vollstoff: Der Elektromotor an der Vordachse leistet offiziell rund 300 Kilowatt, als rund 400 PS. Inoffiziell ist es fast das Doppelte. Dadurch wird die Batterie zwar schnell entleert, doch die Energie wird rundenzeitoptimiert abgerufen.

Die Autos beschleunigen deutlich schneller und gewinnen zu Beginn der Geraden viel Zeit. Am Ende von langen Geraden rollen die Autos übertrieben formuliert nur noch aus. Dadurch ist zwar die Höchstgeschwindigkeit geringer, doch die hat auf die Rundenzeit keinen großen Einfluss. 8 Megajoule wären bei 500 Kilowatt Leistung in 16 Sekunden aufgebraucht. Auf eine Runde in Le Mans ist das nicht lange.

Doch auch hier wurde am Reglement nachgebessert: 2016 darf nicht mehr ohne Rücksicht auf Verluste geboostet werden. Nur mehr auf Klasse-1-Strecken darf die volle E-Leistung abgerufen werden. Für alle andere Kurse gilt eine Obergrenze von 300 Kilowatt. Le Mans ist von der FIA als Klasse-2-Strecke eingestuft.

Mit Verbrennungsmotor und voller Elektro-Power kam der Porsche 919 Hybrid 2015 kurzzeitig auf eine Systemleistung von rund 1300 PS. 2016 werden es in Le Mans nur mehr rund 900 PS sein. Mercedes‘ Formel-1-Power Unit kommt auf eine Spitzenleistung von rund 950 PS, die auf den meisten Strecken für einen Großteil der Runde zur Verfügung steht.

Mercedes Power Unit 2015 Porsche 919 Hybrid 2015
Zylinder 6 4
Bauart V-Motor, 90 Grad V-Motor, 90 Grad
Hubraum 1600 ccm 2000 ccm
Aufladung Single-Turbo Single-Turbo
MGU-H An Single-Turbo An Extra-Turbo
MGU-K An Kurbelwelle An Vorderachse
Benzinfluss 100 kg/h 88,5 kg/h
Leistung ICE mehr als 750 PS mehr als 500 PS
Leistung MGU-K 163 PS unbegrenzt
Systemleistung knapp 950 PS rund 1300 PS
Laufleistung ca. 3500 Kilometer ca. 5400 Kilometer