Die Formel 1 ist ein paranoider Zirkus - in vielerlei Hinsicht. Bei den Testfahrten - wo es noch erlaubt ist - werden die Fahrzeuge nur im fahrenden Zustand offen gezeigt. Sobald ein Auto in die Box kommt, wird die Garage verbarrikadiert. Noch immer stellen sich an Rennwochenenden Teammitglieder vor die Autos, um der Konkurrenz keine Details zu zeigen. Beim Motor wird es besonders heikel. Ein Blick darauf? Können Sie vergessen. Leistungsdaten? Netter Versuch.

Geheimhaltung geht vor, Foto: Motorsport-Magazin.com
Geheimhaltung geht vor, Foto: Motorsport-Magazin.com

Zumindest bislang. Denn die Hersteller tauen allmählich auf. Renault gab bei der Präsentation des alten Autos in Interims-Lackierung zum ersten Mal sinnvolle Angaben zur Leistung der Power Unit: 875 PS standen in der Pressemappe. Nur wenige Tage später lud Mercedes einige Journalisten in die Motorenschmiede nach Brixworth ein und gab tiefe Einblicke in die Techniker der Power Units.

Mercedes stellte eine nicht modifizierte und nicht abgedeckte Power Unit mitten in einen Besprechungsraum. Es war exakt jene Power Unit, mit der Lewis Hamilton die Weltmeisterschaft einfuhr. Dazu gab es interessante Fakten von Motorenchef Andy Cowell.

Die absolute Leistung des aktuellen Aggregates wollte Mercedes nicht rausrücken, dafür gab es aber einen interessanten Vergleich. Cowell zeigte Leistungskurven der drei letzten Formel-1-Antriebe. Mit dabei: Der 3,0 Liter V10-Motor aus dem Jahr 2005, der V8-Motor mit voll aktiviertem KERS aus 2013 und die letzte Ausbaustufe der Power Unit von 2015. Leider ohne Skalierung auf der Leistungsachse.

10.500 statt 20.000 Umdrehungen

Beim Anblick der übereinandergelegten Leistungskurven funkeln Cowells Augen: "Die Power Unit ist der leistungsstärkste Formel-1-Motor, den Mercedes je gebaut hat." Um den Vergleich der verschiedenen Motoren zu erleichtern, wurde die Drehzahlachse so geändert, das sie der Getriebeübersetzung der jeweiligen Antriebe gleicht.

Andy Cowell bekommt beim Anblick der Power Unit leuchtende Augen, Foto: Mercedes AMG
Andy Cowell bekommt beim Anblick der Power Unit leuchtende Augen, Foto: Mercedes AMG

Der V10-Motor drehte 2005 bis zu 20.000 Mal pro Minute und leistete über 900 PS. Mit zunehmender Drehzahl stieg seien Leistung kontinuierlich, sein Maximum erreichte der V10 sehr spät. Ähnlich sieht es beim V8 aus. Bei ihm war die Drehzahl auf 18.000 Umdrehungen beschränkt. Der 2,4-Liter-Motor stemmte trotz voll aktiviertem KERS deutlich weniger Kraft auf die Kurbelwelle. Er fällt im direkten Vergleich deutlich ab.

Die Power Unit ist bei der Peak-Leistung König(in). Sie erreicht deutlich über 900 PS. Das Maximum ist früh erreicht, danach fällt die Leistungskurve recht schnell. Das liegt an der Durchflussbegrenzung. Bis 10.500 Umdrehungen steigt der maximal erlaubte Benzindurchfluss kontinuierlich mit der Drehzahl. Bei 10.500 Umdrehungen fließt das Maximum von 100 Kilogramm pro Stunde.

Deshalb sinkt die Leistung bei höheren Drehzahlen bei gleichbleibendem Verbrauch. Die maximal erlaubten 15.000 Umdrehungen werden gar nicht ausgereizt. Über 10.500 geht es nur, damit die Drehzahl beim Schalten nicht in den Keller geht. Bei den hochdrehenden Saugern war es genau umgekehrt: Mit jeder Umdrehung wurde mehr Benzin durch die Leitungen gejagt.

Mercedes veröffentlicht neue Bilder

Mercedes zeigt neue interessante Fotos von der Power Unit, Foto: Mercedes AMG
Mercedes zeigt neue interessante Fotos von der Power Unit, Foto: Mercedes AMG

So kommen völlig unterschiedliche Leistungskurven zustande. Die abgebildeten Graphen sind nicht jene, die Cowell in Brixworth präsentierte, sondern eine aus aufgezeichneten Notizen erstellte Nachbildung. Hier sollen nur grob die Leistungsverläufe veranschaulicht werden.

Bemerkenswert: Der V10-Motor verbraucht am oberen Extrempunkt 194 Kilogramm Benzin pro Stunde. Die Power Unit benötigt bei ihrem Maximum lediglich 100 Kilogramm pro Stunde. Vorteil Sauger: Die Power Unit kann die Maximalleistung nur unter bestimmten Umständen abrufen. Im Gegensatz zum 2,4 Liter V8 hat die Power Unit aber deutlich länger Qualm an der Kette: KERS durfte nur für 6,67 Sekunden pro Runde 81,5 PS abgeben.

Der neue Motor ist oben voluminöser, Foto: Mercedes AMG
Der neue Motor ist oben voluminöser, Foto: Mercedes AMG

Für alle, die nicht in Brixworth sein konnten hat Mercedes noch einige neue Bilder veröffentlicht. Wer sich wundert, warum das neu Aggregat oben deutlich voluminöser ist: 2015 durften die Hersteller variable Ansaugsysteme verwenden. Das war 2014 noch verboten. Dadurch kann das Ansprechverhalten des Verbrennungsmotors bei allen Drehzahlen verbessert werden.

Langsam wird es also mit Informationen und Bildmaterial. Allerdings gibt es bisher nur gute Aufnahmen von Renault und Mercedes. Von Ferrari gibt es bislang überhaupt nichts, von Honda nur ein schlechtes Rendering.

Einen ausführlichen Bericht über den Besuch bei Mercedes High Performance Powertrains in Brixworth lesen Sie in der neuen Print-Ausgabe von Motorsport-Magazin.com, die ab 03.03.2016 im Handel erhältlich ist - oder gleich online bestellen!