Spätestens seit seinem Wechsel zu Ferrari ziehen alle liebend gerne Parallelen zwischen Sebastian Vettel und Michael Schumacher. Beide begannen ihre Karrieren bei einem jungen, rebellischen Team. Beide holten dort Weltmeistertitel und wechselten später zum kriselnden Ferrari. Beide siegten in ihrer ersten Ferrari-Saison dreimal und beendeten das Jahr auf dem dritten Gesamtrang. Die Parallelen ließen sich fast beliebig weiterführen.

Nun haben Ingenieure die Fahrstile der beiden miteinander verglichen. Bremsenlieferant Brembo kennt beide seit ihren Anfängen. Schumacher fuhr schon bei Benetton mit Brembo-Material, Vettel ist seit seiner Toro-Rosso-Zeit mit den italienischen Scheiben unterwegs. Schumacher holte alle 91, Vettel bislang alle 42 Siege mit jener Marke.

Beide könnten laut den Italienern verschiedene Komponenten am Auto bestens evaluieren. "Man könnte sie sogar Aushilfs-Ingenieure nennen, die den Job des Technischen Direktors einfacher machen", heißt es im Vergleichs-Feature des Lieferanten. "Weil sie sie bei technischen Entscheidungen eine Richtung vorgeben und als Ergebnis auch die Entwicklung des Fahrzeugs", heißt es.

Vettel kennt als Einziger den Unterschied

Vor allem die Zusammenarbeit mit dem Rekordweltmeister scheint die Brems-Ingenieure geprägt zu haben. "Michael Schumacher gilt als der mental stärkste Fahrer aller Zeiten. Er hat vom Bremssystem erwartet, dass es so gut funktionierte wie er und auch über die gesamte Länge eines Grand Prix konstant und zuverlässig." Vettels Einstellung sei sehr ähnlich - und noch mehr: Weil er signifikant mit zur Entwicklung des Fahrzeugs beitrage, nennen ihn die Techniker sogar 'Baby-Schumi'.

Das Lob für Vettel geht sogar noch weiter: "Er hat die angeborene Fähigkeit, feine Unterschiede zwischen Bremsmaterialien auszumachen - er ist der einzige in der heutigen Formel 1, der zwischen zwei Sets Karbonbremsen unterscheiden kann, auch wenn sie bei der Performance nur minimal unterschiedlich sind." An dieser Stelle soll nicht unerwähnt bleiben, dass Brembo nicht nur Bremsenhersteller, sondern auch Ferrari-Partner ist.

Im Gegensatz zur MotoGP lassen sich Unterschiede zwischen den Fahrern beim Bremsen in der Formel 1 weniger gut mit dem bloßen Auge ausmachen. Aufgrund des enormen Abtriebs, der großen Auflagefläche der Reifen und modernster Bremsmaterialien sind die Bremswege der Formel-1-Boliden unfassbar kurz. In der MotoGP verbringen die Piloten deutlich mehr Zeit auf der Bremse, somit lassen sich unterschiedliche Fahrstile deutlich besser erkennen.

Datenvergleich Schumacher/Vettel

In der Formel 1 hilft da nur die Datenanalyse. Und die sagt, dass Vettel und Schumacher Vorlieben für kurze und heftige Stöße auf das Bremspedal haben. Trotz geringer Körpermasse bringen beide beim Bremsen große Kräfte auf.

Ferraris Bremsscheibe 2006 mit rund 100 Belüftungslöchern, Foto: Sutton
Ferraris Bremsscheibe 2006 mit rund 100 Belüftungslöchern, Foto: Sutton

Auch die Herangehensweise der beiden im Qualifying ist identisch: Vor dem letzten und entscheidenden Run lassen beide neue Brems-Sets montieren. Allerdings ist das nicht wirklich eine Besonderheit der beiden Deutschen: Wer es sich leisten kann, fährt im Qualifying immer mit neuem Bremsmaterial, weil die Bremse dadurch schlicht besser beißt.

Ferrari-Bremsscheibe 2015 mit mehr als 1200 Löchern, Foto: Sutton
Ferrari-Bremsscheibe 2015 mit mehr als 1200 Löchern, Foto: Sutton

Allerdings hinkt der Brems-Vergleich etwas: Über die Jahre hat sich die Technologie stark verbessert. In Schumachers letztem Ferrari-Jahr hatten die Bremsscheiben beispielsweise rund 100 Belüftungslöcher, heute sind es mehr als 1200. Dadurch werden die Scheiben deutlich besser gekühlt, weil die Oberfläche, die mit Luft in Kontakt kommt, größer ist. Thermik spielt bei den Bremsen eine wichtige Rolle, weil sich mit der Temperatur der Reibwert ändert. Schon während eines Bremsvorgangs ändert sich die Bremskraft.

Zusätzlich wurden natürlich auch die Materialien ständig verbessert. Seit 2014 gibt es außerdem das sogenannte Brake-by-Wire-System, dass die Bremswirkung auf der Hinterachse regelt, je nachdem, wie viel Energie dort rekuperiert wird.