Das Warten hat bald ein Ende, die Formel-1-freie Zeit ist in der Schlussphase. In etwas mehr als einem Monat starten in Barcelona die ersten richtigen Testfahrten des Jahres 2016, kurz zuvor werden die ersten Teams ihre Boliden präsentieren. Auch wenn das technische Reglement weitgehend stabil bleibt, werden sich die Autos ein wenig ändern. Motorsport-Magazin.com wirft einen Blick in die Zukunft und sagt, was sich ändern könnte.

Ferrari und die Radaufhängung

Links 2011 mit Pushrods, rechts 2012 mit Pullrods, Foto: Ferrari
Links 2011 mit Pushrods, rechts 2012 mit Pullrods, Foto: Ferrari

Seit Ferrari 2012 auf die Pull-Rod-Vorderradaufhängung wechselte, gibt es immer wieder Gerüchte, die Italiener würden auf Druckstreben zurückgehen. Mindestens einmal vor der Präsentation kommen diese Gerüchte auf, so auch in diesem Jahr. Ferrari fährt als einziges Team mit Zugstreben an der Vorderachse, alle anderen setzen auf Druckstreben. Man verspricht sich durch eine fast waagrechte Strebe eine bessere Aerodynamik und zugleich einen tieferen Schwerpunkt, weil die Feder-Dämpfer-Einheit unten im Chassis liegt.

In blau dargestellt: Die Umlenkhebel, Foto: Ferrari
In blau dargestellt: Die Umlenkhebel, Foto: Ferrari

Nachteil: Die Kinematik. Weil die Streben kaum angewinkelt sind, werden die Umlenkhebel beim Einfedern nur wenig bewegt. Entsprechend schwierig ist die Abstimmung. Teamchef Maurizio Arrivabene erzählte bei seinem Amtsantritt im vergangenen Jahr schon von Plänen, die Vorderachse zu ändern. Speziell wegen Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen, da beide sehr sensibel auf Feedback der Vorderachse reagieren. Im vergangenen Jahr war die Zeit vielleicht noch zu knapp, von Pull- auf Pushrods zu wechseln. Vielleicht kommt der Wechsel in diesem Jahr.

Wahrscheinlichkeit: 50 Prozent. Es war Zeit, die Änderungen vorzunehmen und es würde wegen der Piloten Sinn machen. Dagegen spricht, dass 2016 ein Evolutions-Jahr wird. Jede Änderung vorne, bewirkt nach hinten weitere aerodynamische Änderungen.

Force-India-Nachahmer?

Force India ist mit der Löchernase ein Clou gelungen, Foto: Sutton
Force India ist mit der Löchernase ein Clou gelungen, Foto: Sutton

Force India zeigte bei den Testfahrten im Anschluss an den Österreich GP im vergangenen Jahr erstmals die große Ausbaustufe des Boliden. Und die sorgte mit Löchern in der Nase für Aufsehen. Findige Ingenieure umgingen die neuen Nasen-Regeln, die einen homogenen Übergang fordern, mit zwei Löchern. Somit bleibt die Oberfläche an der Außenseite homogen.

Der Clou dabei: Die Luft gelangt trotzdem an den Unterboden. Im Gegensatz zu vielen anderen cleveren Tricks wurden die Löcher nicht gleich verboten. Somit könnten 2016 auch andere Teams mit dieser Lösung aufwarten. Force Indias B-Spec war eine deutliche Verbesserung. Schnellschuss-Kopien gab es 2015 noch nicht. Erstens ist es nicht so einfach, die Luft durch Löcher genau an die Stellen zu leiten, wo sie auch landen sollen, zweitens sind neue Crashtests nötig, um die Nase fahren zu dürfen.

Wahrscheinlichkeit: 70 Prozent. Alle Teams werden die Lösung zumindest simuliert haben.

Ferrari bekommt kürzere Nase

Ferrari setzte auf die lange Nase, Foto: Sutton
Ferrari setzte auf die lange Nase, Foto: Sutton

Als einziges Team fuhr Ferrari die gesamte Saison 2015 über mit der Ultra-Langnase. Toro Rosso und McLaren stellten ihre Boliden zu Beginn der Saison ebenfalls mit der langen und breiten Front vor, rüsteten aber während des Jahres auf eine kürzere Nase um. Ferrari wollte die Balance an der Vorderachse nicht ändern, deshalb blieb die Nase lang.

Fast alle verkürzten die Nase, Foto: Sutton
Fast alle verkürzten die Nase, Foto: Sutton

Aerodynamisch ist Ferraris bisherige Lösung sicherlich nicht ideal, weil weniger Luft zum Diffusor kommt. Dass Dominator Mercedes einen anderen Weg geht und Red Bull mit einem konkurrenzfähigen Chassis ebenfalls, sollte Ferrari zu denken geben. Vielleicht löchert Ferrari die Nase auch wie Force India?

Wahrscheinlichkeit: 75 Prozent. Ferrari hatte 2015 definitiv Defizite am Chassis. Warum etwas anders machen als der Klassenprimus?

Zusätzliche Auspuffrohre

Die zusätzlichen Rohre kommen sicher, Foto: Renault Sport F1/Motorsport-Magazin.com
Die zusätzlichen Rohre kommen sicher, Foto: Renault Sport F1/Motorsport-Magazin.com

Eine der wenigen Regeländerungen ändert das Design der Fahrzeuge im Heck. Neben dem zentralen Auspuffendrohr wird es ab der kommenden Saison noch ein bis zwei weitere Röhrchen geben. Hinter den Wastegate-Ventilen dürfen die Abgase nicht mehr in das zentrale Rohr münden, sondern müssen über ein oder zwei separate Rohre nach hinten geführt werden. Dadurch soll der Sound verbessert werden. Auch Heckflügelhalterung und Monkey Seat werden dadurch beeinfluss. In diesem Bereich wird es die größten Änderungen geben,

So könnte ein Heck aussehen, Foto: Sutton/Motorsport-Magazin.com
So könnte ein Heck aussehen, Foto: Sutton/Motorsport-Magazin.com

Wie das konkret aussehen könnte, hat Motorsport-Magazin.com schon vor einigen Monaten gezeigt. Den Teams ist freigestellt, ob ein oder zwei zusätzliche Rohre den Sound verbessern. Die Position der Rohre ist hingegen ziemlich genau festgelegt, gleiches gilt für die Größe. Sie ist über Querschnittsflächen begrenzt. Egal ob ein oder zwei Rohre, die Querschnittsfläche muss insgesamt zwischen 1.590 und 2.375 Quadratmillimeter betragen. Bei einem einzelnen Rohr würde das einen Durchmesser zwischen 4,5 und 5,5 Zentimeter bedeuten. Bei zwei Rohren müsste der Durchmesser zwischen 3,2 und 3,9 Zentimeter liegen. Wichtig: Die zwei Rohre müssen gleich groß sein.

Wahrscheinlichkeit: 100 Prozent. Das Reglement schreibt die zusätzlichen Rohre fest.

Renault, Toro Rosso und Manor müssen umbauen

Die Power Units müssen ins Chassis integriert werden, Foto: Mercedes-Benz
Die Power Units müssen ins Chassis integriert werden, Foto: Mercedes-Benz

Drei Teams bekommen in diesem Jahr einen neuen Motor: Renault fährt das eigene Triebwerk statt den Mercedes-Motor, Toro Rosso tauscht 2015er Renault gegen 2015er Ferrari und Manor tauscht 2014er Ferrari gegen 2016er Mercedes. Für die Teams ändert sich dadurch eine ganze Menge, muss auch die ganze Peripherie auf die anderen Power Units umgestellt werden. Die Änderungen beginnen schon an der Chassis-Rückseite.

Mercedes hat Turbolader und MGU-H räumlich getrennt. Eine lange Welle zwischen dem V verbindet die beiden rotierenden Teile miteinander. Entsprechend fällt die Mercedes-Power-Unit hinten etwas kleiner aus, dafür schließt vorne die MGU-H direkt an das Chassis an. Auch der Öltank bestimmt, wie das Monocoque hinten aussehen muss. Von außen sind diese Änderungen jedoch kaum wahrzunehmen. Auch bei Teams mit gleichem Motor gibt es unterschiedliche Herangehensweisen, wie beispielsweise der Kühlbedarf gedeckt wird.

Wahrscheinlichkeit: 100 Prozent. Für die Rennställe ändert sich mit einem anderen Motor (fast) alles.

Hecks werden enger

Die Hecks sollen immer schmaler werden, Foto: Sutton
Die Hecks sollen immer schmaler werden, Foto: Sutton

Ein beliebtes Spielfeld der Teams: das Heck. Bei Ferrari gab es schon Gerüchte, dass die Heckpartie schmaler ausfallen soll. Das wollen prinzipiell alle Teams. Allerdings hängt die Form des Hecks in großem Maße vom Motor ab. Ändert Ferrari hier nicht etwas, wird es schwer, das Heck enger zu bauen. Vielleicht verschiebt auch Ferrari die MGU-H nach vorne, dann könnte Platz im Heck frei werden.

Wahrscheinlichkeit: 90 Prozent. Die Frage lautet eigentlich nur: Wie viel enger. Hier sind die Aerodynamiker von den Motorenleuten abhängig.

Mercedes bekommt S-Schacht

S-Schacht oder Sicht-Test?, Foto: Sutton
S-Schacht oder Sicht-Test?, Foto: Sutton

In Brasilien sorgte Mercedes im Training mit einem kleinen Kasten auf dem Chassis für Aufregung. Mercedes gab an, für 2016 testen zu wollen, mehr war dem Team nicht zu entlocken. Das kleine Teil sah einem S-Schach verblüffend ähnlich. Allerdings wäre für den Test ein neuer Crashtest nötig gewesen. Möglich also, dass Mercedes etwas anderes damit testen wollte - möglicherweise die Sicht der Piloten mit einer geänderten Sitzposition, wie anschließend gemutmaßt wurde. Mercedes änderte schon von 2014 auf 2015 die Sitzposition. Ob dafür aber so ein aufwändiger Test nötig ist?

Wahrscheinlichkeit S-Schacht: 50 Prozent. Red Bull setzt seit Jahren auf die Luftdurchführung. Möglich, dass Mercedes nun auch damit kommt.

Wahrscheinlichkeit Sitzposition:30 Prozent. Weil sich die Chassis-Abmessungen durch das Reglement nicht ändern, ist es eher unwahrscheinlich, dass es gravierende Änderungen gibt.

Neuer Manor

Manor wird am meisten ändern müssen, Foto: Sutton
Manor wird am meisten ändern müssen, Foto: Sutton

Die größte Veränderung wird wohl Manor hinlegen. Hier wurde quasi eine Fahrzeuggeneration übersprungen, weil der 2015er Bolide nur ein leicht umgebauter 2014er Wagen war. Das komplett neue Auto kommt dann für 2016. Dann auch mit Mercedes-Motor und Williams-Teilen. Der 2016er Manor sollte also nicht besonders viel mit dem Vorgänger zu tun haben.

Wahrscheinlichkeit: 99 Prozent. Es bleibt zu hoffen, dass Manor mit einem wirklich neuen Auto um die Ecke kommt. Sonst sieht es düster aus.

Lackierungen

Renault wird zum traditionellen Gelb zurückkehren, Foto: Sutton
Renault wird zum traditionellen Gelb zurückkehren, Foto: Sutton

Die größte Änderung wird es bei Renault geben. Die neue Werksmannschaft wird wohl wieder in traditionellen Farben an den Start gehen. Das schicke schwarz/gold aus den ruhmvollen Lotus-Zeiten wird wieder verschwinden, stattdessen wird der neue Bolide höchstwahrscheinlich in Gelb gehalten sein. Corporate Identity eben. Sonst sind keine größeren Änderungen zu erwarten, das Design richtet sich nach Sponsoren. Neue dicke Fische sind nicht bekannt. Bei Manor wird sich auch viel an den Fahrern orientieren, weil sich diese wiederum nach den Sponsoren richten.

Wahrscheinlichkeit: 90 Prozent, dass Renault wieder in Gelb antreten wird. Der Rest dürfte wenig spannend werden.