Aus der Formel-1-Hölle direkt ins F1-Paradies. Nach dem Horrorjahr 2014 - mit Platz vier einem der schlechtesten der gesamten Teamgeschichte - dreht Ferrari das Ruder 2015 fast um 180 Grad. Nach dem radikalen Teamumbau im Winter greifen die Räder schneller ineinander als die meisten der Scuderia zugetraut hatten.

Sebastian Vettel weckt eine neue Euphorie bei den Roten. Zusammen mit seinem Teamkollegen und Kumpel Kimi Räikkönen sowie Teamchef Maurizio Arrivabene als Motivator und Zugpferd lenkt ein neues Dreamteam Ferrari zurück auf die Erfolgsstraße. 16 Podestplätze, davon drei Siege, gelingen der Scuderia ausgerechnet in jenem Jahr, in dem Mercedes neue Dominanz-Rekorde aufstellt. Nur der Titel bleibt Ferrari noch versagt.

Ferrari: Tops & Flops 2015

Die Tops

  • Malaysia: 1. Ferrari-Sieg für Vettel im 2. Rennen
  • Singapur: Klar bessere Speed als Mercedes
  • Ungarn: Mit Sieg in den Sommer
  • Saisonziel von drei Siegen erfüllt
  • Euphorische Stimmung dank Vettel

Die Flops

  • Australien: Räikkönen-Radmutter sitzt nicht
  • Ungarn: Räikkönen-Motorschaden kostet Doppelsieg
  • Belgien: Vettel-Reifenplatzer in vorletzter Runde
  • Mexiko: Erster Ferrari-Doppelausfall seit Australien 2006
  • Unrühmliches Nachtreten gegen Alonso

Das Auto: Ferrari SF15-T

Der Erbe des gefloppten Ferrari F14 T erweist sich als Glücksgriff. Gleich bei den Wintertestfahrten zeichnet sich deutlich ab, dass der SF15-T über dramatisch größeres Potential verfügt als sein Vorgänger. Im Saisonverlauf bestätigt sich dieser Eindruck nachhaltig. Der neue Bolide ist vor allem auf Seiten der Power Unit, aber auch des Chassis eine deutliche Verbesserung des Vorjahresautos. Ferrari ist im Winter damit der größte Schritt aller Teams gelungen - genug, um sich als klare zweite Kraft hinter Mercedes zu etablieren.

Der SF15-T ist ein Quantensprung verglichen mit seinem Vorgänger, Foto: Ferrari
Der SF15-T ist ein Quantensprung verglichen mit seinem Vorgänger, Foto: Ferrari

Die Stärken des SF15-T liegen im Reifenmanagement. Insbesondere in der ersten Saisonhälfte ist der Ferrari diesbezüglich sämtlicher Konkurrenz - Mercedes eingeschlossen - überlegen. Besonders zum Tragen kommt dieser Effekt je heißer die Temperaturen und je weicher die Pirelli-Reifenmischungen an einem Rennwochenende sind. Die größte Schwäche gegenüber dem Mercedes befindet sich in ultraschnellen Kurven, wo die Silberpfeile über bessere Aero-Effizienz verfügen.

In Sachen Standfestigkeit performt der SF15-T viel zuverlässiger als sein Vorgänger - doch zumindest für Kimi Räikkönen noch immer unbefriedigend. In Ungarn und den USA scheidet er mit Defekten aus. In Belgien verdirbt die Technik sein Wochenende bereits im Qualifying. Dasselbe geschieht Vettel in Kanada.

Sebastian Vettel gelingt bereits im zweiten Rennen für Ferrari der erste Sieg, Foto: Sutton
Sebastian Vettel gelingt bereits im zweiten Rennen für Ferrari der erste Sieg, Foto: Sutton

Die Fahrer: Sebastian Vettel

Zu Sebastian Vettel ist an für sich alles gesagt. Nach einer schwachen Abschiedssaison bei Red Bull Racing gelangt der Deutsche bei Ferrari 2015 sofort zurück zu alter Stärke und seinen eigentlichen Qualitäten. Vettel findet wieder seine rohe Speed, zeigt unglaubliche Qualifying-Pace, fährt wie ein Uhrwerk, bringt Begeisterung ins Team - alles im besten Schumacher-Style. Nicht umsonst werden alle paar Wochen neue Parallelen zwischen dem viermaligen und dem Rekordweltmeister gezogen.

In Mexiko erlebt Sebastian Vettel ein Wochenende zum Vergessen, Foto: Sutton
In Mexiko erlebt Sebastian Vettel ein Wochenende zum Vergessen, Foto: Sutton

In Bahrain leistet sich Vettel zwei kleine Fehler, in Mexiko gar zwei große, die zum einzigen Saisonausfall führen (beim späten Reifenschaden in Belgien wurde Vettel noch gewertet), doch das war es schon. Ansonsten zeigt Vettel seine Galaform, setzt selbst Mercedes das eine oder andere Mal stark unter Druck. Dreimal besiegt er sogar beide Silberpfeile zugleich, erfüllt damit das Ferrari-Saisonziel von drei Siegen im Alleingang. Noch dazu hält er sich bis zum vorletzten Rennen im Kampf und den Vize-Titel gegen Nico Rosberg. Bestnote Vettel.

Die Fahrer: Kimi Räikkönen

Kimi Räikkönens F1-Saison 2015 ist ein wildes Auf und Ab. Die Höhen des Finnen verlaufen synchron zur Tageszeit. Bei Dunkelheit ist der Iceman besonders stark. Seine Podien fährt Räikkönen 2015 allesamt bei den drei Nachtrennen des Jahres in Bahrain, Singapur und Abu Dhabi ein. Dass er damit zehn Podestplätze weniger erzielt als sein Teamkollege, geht über die gesamte Saison gesehen in etwa zu gleichen Teilen auf Rechnung eigener Fehler, Ferrari-Patzer und einer ordentlichen Portion Pech.

Gleich in Australien ziehen die Mechaniker beim Stopp eine Mutter nicht richtig fest - Ausfall. Beim zweiten Rennen in Malaysia verzockt Ferrari die Qualifying-Strategie. Am Sonntag wird Räikkönen auch noch ein Reifen aufgeschlitzt - trotzdem wird er noch Vierter. Auch in Monaco und Mexiko kosten ihn Aktionen anderer Piloten Plätze und damit Punkte. In Ungarn versagt die MGU-K auf sicherem P2-Kurs, in Räikkönens Wohnzimmer Spa beraubt ihn die Technik schon im Qualifying aller Hoffnungen.

Wohl in Kanada (Dreher), offenbar in Österreich (mysteriöser Unfall mit Alonso) und ganz sicher in Italien (Bedienfehler am Start) sowie in Russland (Crash mit Bottas) leistet sich Räikkönen jedoch selbst gewisse 'Momente'. Für einen neuen Vertrag reicht es trotzdem. Mitte des Jahres verlängert Ferrari mit seinem bis dato letzten Weltmeister für 2016.

Sebastian Vettel Kimi Räikkönen
Punkte 278 150
WM-Position 3 4
Quali-Duell 15 4
Durchschnittliche Startposition 4,8 (ohne Strafen)
5,3 (mit Strafen)
6,6 (ohne Strafen)
7,5 (mit Strafen)

Statistik: Ferrari in Zahlen 2015

  • 1 Pole Position
  • 3 Siege
  • 3 schnellste Rennrunden
  • 7 schnellste Boxenstopps
  • 7 Ausfälle
  • 16 Podien
  • 186 Führungsrunden
  • 428 WM-Punkte

Der Ausblick: Ferrari in der F1-Saison 2016

2015 hat die Scuderia ihre Ziele also locker erfüllt, wenn nicht sogar übertroffen. Entsprechend steigen für 2016 Erwartungshaltung und Druck. Idealerweise möchte Ferrari auf Augenhöhe mit Mercedes und beide WM-Titel fahren. Damit das gelingt, muss das Traditionsteam in der Winterpause die von Sebastian Vettel bereits benannten "paar Schippen mehr" aufbringen. Anders lässt sich die Lücke nicht schließen, da auch Mercedes im Winter nicht untätig bleiben wird.

Rot und Silber duellierten sich zum Jahrtausendwechsel über Jahre hinweg auf höchstem Niveau um WM-Titel, Foto: Sutton
Rot und Silber duellierten sich zum Jahrtausendwechsel über Jahre hinweg auf höchstem Niveau um WM-Titel, Foto: Sutton

Entscheidend helfen könnte Ferrari bei dem Projekt Titelangriff ein ehemaliger Mercedes-Mitarbeiter. Nachdem die Sperrfrist von einem Jahr abgelaufen ist, stößt mit Jock Clear nun Mercedes-Expertise zur Scuderia. Bringt Clear noch das eine oder andere kleine Geheimnis mit, könnte das eine starke Symbiose mit den in puncto Hybrid-Technik immer clevereren Ferrari-Motoringenieuren ergeben. Dann dürfte auch James Allisons Traum von einer klassischen F1-Saison - also einem Duell Ferrari vs. Mercedes wie in den Jahren um den Jahrtausendwechsel - wahr werden.