War das springende Pferd 2014 noch völlig abgeschlagen unterwegs, so holte Ferrari 2015 doch ordentlich auf die Konkurrenz auf und etablierte sich wieder als zweite Kraft hinter Mercedes. Motorsport-Magazin.com kennt die Gründe für den jüngsten Aufwärtstrend bei den Roten:

1. Sebastian Vettel

Ein neuer Fahrer ist wie ein neues Leben. Sebastian Vettel hat der Scuderia nicht nur das Lachen, sondern auch den Erfolg zurückgebracht. Christian Danner fasst die euphorische Stimmung der Roten so zusammen: "Marc Gené hat gesagt: seit Vettel da ist, ist es herrlich. Er bewirkt Wunder." Selbstverständlich ist der rote Renner viel besser als im Vorjahr. Doch Vettels gute Laune, seine grenzenlose Begeisterung für Ferrari und sein ungebremster Tatendrang reißen das gesamte Team mit. "Da ist man von Haus aus besser aufgelegt", meint Danner.

Der Wechsel von Sebastian Vettel brachte frischen Wind, Foto: Ferrari
Der Wechsel von Sebastian Vettel brachte frischen Wind, Foto: Ferrari

"Er arbeitet und lässt nicht los." Das ist auch Neu-Teamchef Arrivabene aufgefallen: "Seb bring dem gesamten Team einen riesigen Schub." Nach der vergangenen Saison sei das Team am Boden zerstört gewesen. Vettel baute die Mannschaft mit seiner Art wieder auf. Vom ersten Tag an lebte er die Scuderia - rund um die Uhr. "Er ist ein extremer Arbeiter", sagt James Allison. "Wenn er über schwierige Dinge spricht, sagt er es so, dass es konstruktiv ist und dem Team weiterhilft. Jede Erfahrung mit ihm war bislang positiv."

2. Frischer Schwung

Nicht nur Sebastian Vettel brachte frischen Wind in die heiligen Hallen in Maranello. Ein neues Fabrikgebäude, neues Personal und jede Menge Rotation unter den vorhandenen Mitarbeitern bescherten Ferrari einen arbeitsreichen Winter. Seit November ist auch der generalüberholte Windkanal wieder voll einsatzbereit. Das Team hat sich damit in den vergangenen Monaten technisch wie personell komplett neu aufgestellt. "Es gab schon einige Umstrukturierungen", gesteht Technikchef James Allison. Die Integration verlief im ersten Schritt schneller als gedacht.

Technikchef James Allison erhielt viele frische Kräfte von Ferrari, Foto: Sutton
Technikchef James Allison erhielt viele frische Kräfte von Ferrari, Foto: Sutton

In der Vergangenheit kosteten politische Spielchen und Befindlichkeiten viel Energie. Die Schuldzuweisungen innerhalb des Teams führten sogar zu einigen Abgängen. So verließ Aldo Costa das Team vor nicht allzu langer Zeit in Richtung Mercedes, wo er am Auto des jetzigen Gegners entscheidend mitwirkte. Alain Prost fasst das so zusammen: "Jean Todt habe ich seiner Zeit geraten: Versuche eine Gruppe zu formen, in der alle zusammenarbeiten." Diese Aufgabe bewältigte Ferrari über den Winter besonders gut. Weitere Veränderungen schließt Allison deshalb vorerst aus. Mit einer Einschränkung: "So lange wir Leistung bringen."

3. Neuer Chef

Kein Herrscher wie Luca di Montezemolo, kein Arbeiter wie Stefano Domenicali und auch kein Sonnenbrillenträger wie Marco Mattiacci. Bei Ferrari hat seit diesem Jahr Maurizio Arrivabene das Sagen. "Arrivabene ist ein Marketingmann, aber er hat menschliche Führungsqualitäten", erklärt Danner. "Genau das brauchst du bei Ferrari." Der neue Boss versucht so nah wie möglich am Team dran zu sein. Bei seinem ersten Einsatz an der Rennstrecke schwirrte er selbst im Training stets zwischen der Box und dem Kommandostand hin und her. Seine oberste Maxime lautet: Ruhe bewahren.

Maurizio Arrivabene übernahm den Posten des Teamchefs bei Ferrari, Foto: Ferrari
Maurizio Arrivabene übernahm den Posten des Teamchefs bei Ferrari, Foto: Ferrari

"Wenn ich anfange zu schreien und zu zittern, dann schreit und zittert das gesamte Team." Das möchte Arrivabene nicht sehen. Stattdessen steht für ihn der Teamgeist im Vordergrund. "Die Jungs in Maranello haben in den vergangenen Monaten wie verrückt gearbeitet", so Arrivabene. Aus diesem Grund stand bei Vettels Debüt-Sieg in Malaysia auch sein Ingenieur Diego Loverno gemeinsam mit ihm auf dem Podium. "Er repräsentiert die Leute, die sich in der Fabrik die Finger schmutzig machen", begründete Arrivabene diese Entscheidung. "Sie stellen die Leidenschaft und das Herz von Ferrari dar." Arrivabene scheint das Feuer in seiner Mannschaft bereits jetzt entfacht zu haben.

4. Keine Kosten gescheut

Neue Leute, bessere Anlagen, mehr Performance - all das gibt es nicht umsonst, schon gar nicht in der Formel 1. Ferrari hat nicht nur bei den Abfindungen keine Kosten und Mühen gescheut. "Ich habe gelesen, dass sie das Budget deutlich hochgeschraubt haben", wirft auch Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff einen Blick in Richtung des erstarkten Konkurrenten aus Maranello. Angeblich geben die Roten in dieser Saison 100 Millionen Euro mehr aus als im vergangenen Jahr.

Ferrari machte viel Geld für die Weiterentwicklung locker, Foto: Sutton
Ferrari machte viel Geld für die Weiterentwicklung locker, Foto: Sutton

Und damit soll noch lange nicht Schluss sein: "Die Investitionen gehen weiter", betont Allison. "Denn es gibt eine gute Belohnung dafür. Wir haben ein sehr gut finanziertes Programm. Das ist ein wichtiger Punkt, um in der Formel 1 konkurrenzfähig zu sein." An Geld mangelte es der Scuderia zuletzt nie. Schon gegen Ende der vergangenen Saison betonte Christian Danner: "Geld ist nicht das Problem. Technik, Struktur, Abläufe, Politik - da muss viel passieren." Ferrari scheint mit einer Mischung aus dem nötigen Kleingeld und den richtigen, cleveren Köpfen eine Art Abkürzung gefunden zu haben.

5. Verbesserte Power Unit

Enzo Ferrari hätte getobt und geflucht. Ausgerechnet das Herz eines jeden Ferrari, die Power Unit, war die große Schwachstelle des F14 T. Beim Nachfolger ist das klar ersichtlich anders. Fahrbarkeit und Leistung des neuen Ferrari-Antriebsstrangs sind deutlich verbessert. "Ferrari hat definitiv den größten Schritt bei der Power Unit gemacht", sagt Coulthard. "Sie haben ein gutes Auto, aber mit Blick auf die Power Unit haben sie einen großen Schritt nach vorne gemacht." Allison sieht die Grundlage dafür im Elan und dem Mut der Ingenieure. Normalerweise benötigt Motorenentwicklung vor allem eins - viel Zeit. "Wenn du einen Fehler machst, zahlst du ewig dafür", betont Allison.

Die Ferrari-Power-Unit wurde deutlich verbessert, Foto: Renault Sport F1/Motorsport-Magazin.com
Die Ferrari-Power-Unit wurde deutlich verbessert, Foto: Renault Sport F1/Motorsport-Magazin.com

Ferrari machte dies mit einer gehörigen Portion Mut weg. Damit einhergingen auch Verbesserungen am Prüfstand und der gesamten Motorenabteilung. "Es ist schon überraschend, das hätte ich nicht gedacht", sagt Danner. "Ferrari ist vom Spritverbrauch auf einem Niveau mit Mercedes." Im Vergleich zum Titelverteidiger haben die Italiener zu Saisonbeginn sogar noch drei Entwicklungs-Tokens mehr offen, um ihre Power Unit im Verlauf des Jahres zu verändern. "Man muss aber sicherstellen, dass man damit auch die Pferdestärken erhöht", mahnt Allison, der den Abstand zu Mercedes in gleichen Anteilen auf Chassis und Motor verteilt sieht.

6. Bessere Aerodynamik

Der SF15-T ist der erste Ferrari, der komplett unter der Regie von Allison entstanden ist. Der Technikchef betont jedoch, dass er keine einzige Schraube selbst konstruiert habe. Stattdessen traf er die wichtigen und bislang wohl auch richtigen Entwicklungsentscheidungen. Dabei profitiert das Team auch vom verbesserten Windkanal. Aber auch vom früheren Entwicklungsstart. Beim 2014er Auto begann die volle Konzentration auf die Aerodynamik-Arbeiten erst im November 2013. Beim diesjährigen Boliden sei es eine traditionelle Entwicklungsphase ab Mitte des Jahres gewesen.

Ferrari überarbeitete neben dem Motor auch die Aerodynamik des Wagens komplett, Foto: Ferrari
Ferrari überarbeitete neben dem Motor auch die Aerodynamik des Wagens komplett, Foto: Ferrari

"In reiner Rundenzeit ausgedrückt sind die Fortschritte bei Motor und Chassis fast gleich", verrät Allison. Beim Chassis liegt der Löwenanteil natürlich bei der Aerodynamik. 80% der Verbesserungen stammen aus der Aero-Entwicklung, nur 20% aus Bereichen wie gesteigerter Effizienz bei der Kühlung des Autos. "Ich mag den Fluss des Autos", sagt Vettel, der 2014 mit seinem ersten Fahrzeug der neuen Generation zu kämpfen hatte. "Ich bin mit der Balance zufrieden. Wir wissen, dass es noch viel zu tun gibt. Aber mit meinem Gefühl bin ich glücklich."

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