Spät am Donnerstagabend gab Renault offiziell bekannt, Lotus zu übernehmen. Damit ist das Renault Werksteam 2016 perfekt. Nachdem Renault vor Wochen schon eine Absichtserklärung unterschrieben hatte, gab es zuletzt immer mehr Zweifel daran, ob Renault nun ernst macht, oder den Stecker doch komplett zieht.

Wahrscheinlich zog sich die finale Entscheidung, weil Renault-Chef Carlos Ghosn mehr Geld von Bernie Ecclestone wollte. Es geht um historische Bonuszahlungen, die Renault für einen Werkseinstieg zugesichert bekommen wollte. Um auf Ecclestone Druck aufzubauen, war das Szenario des kompletten Stecker Ziehens genau richtig. Damit wären möglicherweise drei Teams zugrunde gegangen. Doch welche Konsequenzen hat das Zustandekommen der Übernahme nun?

Überlebensgarantie für Lotus

Für Lotus ist es die Überlebensgarantie. Das Team aus Enstone hangelte sich zuletzt von Rennen zu Rennen, der operative Betrieb war nicht mehr reibungslos möglich, weil Geld gefehlt hat, um Garagen- und Hospitality-Mieten zu bezahlen. Mit Renault sind die Kriegskassen nun wieder prall gefüllt, das Team ist gerettet - auch wenn Gerard Lopez Motorsport-Magazin.com sagte, dass Lotus auch ohne Renault hätte überleben können.

Seit die Absichtserklärung unterzeichnet wurde, schickt Renault bereits Personal nach Enstone. Dabei wird es aber freilich nicht bleiben. Renault will auf Dauer Weltmeisterschaften gewinnen. Dazu muss das Team auf Mercedes-Größe aufgestockt werden.

Nicht nur bei der Größe wird es Änderungen geben, auch bei der Teamführung. Gerard Lopez und Federico Gastaldi werden wohl das Zepter abgeben müssten, auch wenn Lopez noch Anteile am Rennstall halten wird. Die Frage lautet: Wer macht es? "Dafür braucht man einen echten Durchblicker. Aktuell weiß ich nicht, wer das machen soll. Daran kann es aber schnell scheitern", meint Motorsport-Magazin.com-Experte Christian Danner.

Die Fahrer sind hingegen schon klar: Weil Romain Grosjean zu Haas wechselt, wird nichts aus dem französischen Nationalteam. Jolyon Palmer und Pastor Maldonado wurden von Lotus bereits als Fahrerpaarung für 2016 bekanntgegeben. Beide Verträge sind auch von Renault abgesegnet.

Mehr Unterstützung durch Ilmor

Neben Enstone muss auch die Motorenfabrik in Viry neu strukturiert werden. Mit der aktuellen Power Unit sind Weltmeisterschaften komplett unrealistisch. Die zusätzlichen Token, welche die Motorenhersteller nun bekommen, helfen alleine nicht. Es braucht Ideen. Da der Konzern nun tief in die Tasche greifen wird, könnten auch Ingenieure aus Brixworth abgeworben werden. So konnte Ferrari einen Großteil des Rückstandes aufholen. Eine Vertiefung der Zusammenarbeit mit Ilmor scheint gesichert.

Renault will Details zum Werksengagement erst im Januar bekanntgeben. Bis dahin wird die Struktur stehen. Eine Sache ist aber klar: Der kommende Bolide wird von einem Renault-Aggregat angetrieben. Damit steht der Mercedes-Plan, neben dem eigenen Team noch Williams, Force India und Manor zu beliefern. Lotus hatte eigentlich bis 2020 einen Kontrakt mit Mercedes, der allerdings aufgelöst wurde. Wäre Renault noch abgesprungen, wäre die Mercedes-Option aber noch da gewesen.

Seit Monaten entwickeln die Ingenieure den Boliden in Enstone aber rund um das Renault-Aggregat - allerdings nicht von Anfang an. Dazu kamen bei der Entwicklung bislang finanzielle Probleme. Ein Top-Chassis ist also 2016 nicht zu erwarten. Auch der Renault-Motor wird wohl über den Winter nicht zum Mercedes-Killer. "Kurzfristig erwarte ich einen leichten Durchhänger", meint deshalb auch Danner.

Folgen über Renault und Lotus hinaus

Der werksseitige Einstieg hat aber auch weitreichendere Konsequenzen. Bei Red Bull herrscht somit erstmal Klarheit über die kommende Saison. Der einstige Dauerweltmeister bekommt trotz ursprünglicher Trennung von den Franzosen nun wieder Renault-Power, allerdings unter anderem Namen. Bei einem kompletten Ausstieg wäre Red Bull komplett ohne Lieferant dagestanden.

Gleichzeitig hat der Deal auch Auswirkungen auf Toro Rosso: Das Juniorteam musste mit der Vertragsunterzeichnung auf das Schwesterteam warten. Franz Tost liegt seit Wochen ein unterschriftsreifer Kundenvertrag mit Ferrari vor. Offiziell ist es noch nicht, doch Toro Rosso wird 2016 mit Vorjahresmotoren von Ferrari an den Start gehen. Der Motorsportweltrat hat einer Belieferung mit Vorjahresmotoren bereits zugestimmt.

"Grundsätzlich ist das im Sinne der Formel 1 sehr, sehr positiv zu bewerten", meint Danner. Die Zukunft von jetzt drei gut finanzierten Rennställen ist gesichert. Noch immer wirft die Motorenformel aber Fragen auf: Möglicherweise schon 2017, spätestens aber 2018 will die Formel 1 vereinfachte Motoren. Investiert Renault jetzt noch mit Vollgas in die hochkomplexen Power Units oder treiben die Franzosen die Simplifizierung des Antriebsstrangs voran?

Viele Fragen wurden durch den Renault-Einstieg beantwortet, alle noch nicht. Auch politisch könnte die Konstellation interessant werden, gibt es nun einen starken Hersteller mehr, der Bernie Ecclestone auf der Nase herumtanzen kann.

Allerdings haben Ecclestone und FIA Präsident Jean Todt vom Weltrat ein Mandat bekommen, mit dem sie über mehr Entscheidungsgewalt verfügen. Außerdem, so gibt Danner zu bedenken, kennen sich die drei europäischen Konzernbosse in der Formel 1 bereits sehr gut und arbeiten teilweise in der Automobilindustrie zusammen. "In letzter Instant gibt es hier - wie ich glaube - kein großes Drama."