Renault kehrt mit einem Werksteam in die Formel 1 zurück. Am Donnerstagabend folgte per Pressemitteilung die Bestätigung dessen, was bereits seit der unterzeichneten Absichtserklärung im September sicher schien: die Übernahme von Lotus. Doch die Saga ging noch weiter zurück, fast das gesamte Jahr über kreisten Spekulationen durch das Paddock, dass Renault wieder einsteigen könnte. Sogar eine Übernahme von Toro Rosso stand im Raum. Motorsport-Magazin.com liefert die Chronologie der (fast) unendlichen Geschichte.

20. Februar 2015: Bereits vor Beginn der neuen Saison gibt es erste Anzeichen, dass Renault an einer Rückkehr als Werksteam interessiert ist. Hintergrund ist der Ausstieg Caterhams zum Saisonende 2014 sowie der Wechsel von Lotus zu Mercedes-Motoren. Plötzlich standen die Franzosen nur noch als Lieferant der beiden Red-Bull-Teams da. Eine unbefriedigende Situation. "Effektiv haben wir nur einen Kunden und unser Ziel ist, diesen Kunden zufriedenzustellen. Aber es ist eine Situation, in der wir voll und ganz von Red Bull abhängig sind", sagte Geschäftsführer Cyril Abiteboul damals.

14. März 2015: Red-Bull-Motorsportberater Dr. Helmut Marko berichtet von Gesprächen mit Renault über eine Übernahme von Toro Rosso. "Es stimmt, dass wir mit Renault über eine andere Form der Kooperation bezüglich Toro Rosso sprechen. Es kann sein, dass die Autos komplett in Gelb fahren oder es kann auch überhaupt eine Übernahme durch Renault geben", sagte er am Rande des Saisonauftaktes in Australien. Eine mögliche Übernahme des Lotus-Rennstalls hielt Marko aus Renault-Sicht damals für unattraktiv. "Toro Rosso wäre von den eventuell zu habenden Teams ganz sicher die beste Frau", stellte er klar.

Toro Rosso galt zuerst als Übernahmekandidat, Foto: Sutton
Toro Rosso galt zuerst als Übernahmekandidat, Foto: Sutton

27. März 2015: Nachdem der Saisonauftakt erneut misslang, brachte Abiteboul selbst erstmals einen Ausstieg der Franzosen ins Gespräch. "Ich kann bestätigen, dass wir uns viele Optionen ansehen, inklusive aus der Formel 1 auszusteigen", formulierte er damals ganz deutlich. Aufwand und Ertrag liefen Gefahr, in einem Missverhältnis zu enden. "Ehrlich gesagt, wenn die Formel 1 für den Ruf von Renault so schlecht ist, wenn wir sehen, dass wir mit der aktuellen Formel zu kämpfen haben, wenn die Formel 1 nicht den Wert liefert, die sie Renault kostet... Man muss bedenken, dass man als Motorenhersteller keinen finanziellen Anreiz hat, zu entwickeln und Motorenentwicklung zu finanzieren", erklärte Abiteboul.

14. Mai 2015: Nach einer mehrwöchigen Ruhephase nahm Toro-Rosso-Teamchef Franz Tost das Thema wieder auf. Der Österreicher sagte, dass eine etwaige Übernahme seines Teams durch Renault erst einmal zur Seite geschoben wurde. "Momentan, so hat mir Cyril [Abiteboul] gesagt, ist ihr Hauptproblem, die Zuverlässigkeitsprobleme auszusortieren und nicht, wie ein Auto lackiert sein soll", so Tost damals. Auch ein Ausstieg Renaults sei vorläufig zu den Akten gelegt worden. "Diese Ehe hat jeden Grund der Welt, weiter zu bestehen. Wir müssen einen besseren Job auf und neben der Strecke machen", sagte Tost.

15. Mai 2015: Nur einen Tag später meldete sich Lotus-Geschäftsführer Matthew Carter zu Wort und schloss einen Verkauf seines Teams an Renault kategorisch aus. "Meine Anteilseigner haben sehr deutlich gesagt, dass das Team nicht zum Verkauf steht", stellte Carter klar.

Matthew Carter schloss einen Verkauf des Lotus-Teams im Mai noch kategorisch aus, Foto: Sutton
Matthew Carter schloss einen Verkauf des Lotus-Teams im Mai noch kategorisch aus, Foto: Sutton

07. Juni 2015: Im Juni vermeldete die spanische Presse, die Übernahme des Lotus-Teams durch Renault befände sich in einer weit fortgeschrittenen Phase. Demnach wurde zum damaligen Zeitpunkt bereits eine Firma gegründet, die sich auf Sponsorensuche für das künftige Werksteam begeben sollte. Carter äußerte sich wieder zurückhaltend dazu. "Ich kann nur sagen, was ich bereits vorher formuliert habe: Die Aktionäre haben mir gesagt, dass die Firma nicht zum Verkauf steht", so Carter damals. Er ergänzte jedoch: "Ich glaube, dass ich zuvor in der Presse gesagt hatte, dass für einen bestimmten Preis alles verkäuflich ist."

03. Juli 2015: Erste Details der Übernahme sickerten an die Öffentlichkeit. So sollte Renault 51 Prozent des Rennstalls übernehmen, 49 Prozent sollten im Besitz von Gerard Lopez verbleiben. Auf Anfrage von Motorsport-Magazin.com verneinte Lotus jedoch, dass der Deal bereits fix sei.

Finanzielle Probleme bei Lotus werden bekannt

07. Juli 2015: Bei Lotus selbst wurden nun finanzielle Probleme offenkundig. Gleich mehrere Gläubiger hatten beim Obersten Gerichtshof in London beantragt, die Liquidität des Rennstalls überprüfen zu lassen. Bei Lotus selbst gab man sich entspannt. "Eine Reihe von Zulieferern ist nach dem, was mit Marussia und Caterham geschehen ist, ein bisschen negativ geworden", sagte Matthew Carter. "Alles ist unter Kontrolle. Eine Lösung ist bereits gefunden worden, deshalb wurde das Verfahren vertagt. Die Dinge wurden angegangen", beschwichtigte er. Dass es um Lotus' Finanzen schlecht aussieht, wurde in den folgenden Monaten jedoch immer deutlicher.

17. Juli 2015: Mitte Juli meldete sich eine prominente Stimme in der Causa Renault zu Wort: Alain Prost. Der langjährige Berater der Franzosen merkte an, dass innerhalb der Renault-Führungsetage noch keine Entscheidung getroffen wurde. "Wir schauen auf alle Optionen - obwohl es derzeit auch nur zwei gibt! Oder drei, wenn man einen Ausstieg als Möglichkeit betrachtet. Nichts ist unmöglich. Ein großer Hersteller kann sich schnell für einen anderen Weg entscheiden", so der viermalige Weltmeister, der einen Ausstieg der Franzosen jedoch für unwahrscheinlich hielt.

23. Juli 2015: Erstmals wird bekannt, dass Renault um einen Vorteil bei der Preisgeldverteilung kämpft. So will man wie Mercedes, Ferrari, McLaren, Red Bull und Williams einen Promi-Bonus aufgrund der historischen und sportlichen Bedeutung innerhalb der Formel 1. "Sie haben darüber gesprochen, Lotus zu übernehmen. Daher gibt es einen Weg, damit sie zurückkommen könnten und wir würden uns freuen, sie an Bord begrüßen zu können", sagte Bernie Ecclestone damals erfreut. Die Verhandlungen zogen sich jedoch noch über Monate hin.

Renault pochte auf ähnliche finanzielle Vorteile, wie sie unter anderem McLaren erhält, Foto: Sutton
Renault pochte auf ähnliche finanzielle Vorteile, wie sie unter anderem McLaren erhält, Foto: Sutton

03. August 2015: Inzwischen befindet sich die Saison in ihrer zweiten Halbzeit. Eine Entscheidung über die Zukunft Renaults sollte kurz bevor stehen, doch Cyril Abiteboul teilte mit, dass die Entscheidung vertagt wird. "Es ist wahr, dass wir uns verschiedene Optionen ansehen, aber es gibt keine schnelle Entscheidung. Es ist ein langfristiger Prozess, weil egal was entschieden wird eine langfristige Entscheidung sein wird. Deshalb werden wir nichts überhasten und vor September keine weiteren Kommentare abgeben", sagte er. Und weiter: "Wir sind weit von den Grundlagen entfernt, die richtige Entscheidung treffen zu können."

Absichtserklärung wird unterschrieben

28. September 2015: Die Übernahme deutet sich weiter an, der bis dato größte Schritt wurde vollzogen. Renault unterschrieb eine Absichtserklärung über die Übernahme des Lotus-Teams. "Die Unterschrift dieser Absichtserklärung bedeutet den ersten Schritt von Renault hinsichtlich des Projekts eines Renault-Formel-1-Teams ab der Saison 2016 und damit der Fortsetzung von 38 Jahren Engagement der Marke in der Königsklasse des Motorsports", hieß es in einer Aussendung. Für Lotus waren das auch deshalb gute Nachrichten, weil sich die finanzielle Schlinge immer enger zog. Die Schulden beim britischen Staat waren so hoch, dass man sich bei den Rennen nicht einmal mehr eine Hospitality leisten konnte. Aufgrund der Absichtserklärung wurde das Gerichtsverfahren verschoben.

04. November 2015: Die endgültige Vollzugsmeldung ließ weiter auf sich warten, Anfang November aber nahmen einige Techniker Renaults ihre Arbeit am Lotus-Standort in Enstone auf. "Sie haben Leute geschickt, um uns bei der Entwicklung des nächstjährigen Autos zu helfen", sagte Lotus' stellvertretender Teamchef Federico Gastaldi.

28. November 2015: Noch immer erfolgte keine offizielle Verlautbarung, die Verhandlungen mit Bernie Ecclestone über die Preisgelder stockten. "Was ich sagen kann, ist, dass es keine Verkündung betreffend Renaults Zukunft - kurz- oder mittelfristig - am Wochenende geben wird, aber es wird eine Verkündung geben, sehr wahrscheinlich im Laufe der nächsten Woche", sagte Abiteboul am Rande des Saisonabschlusses in Abu Dhabi.

03. Dezember: Übernahme perfekt

03. Dezember 2015: Nach fast einem Jahr Gerüchten, Meldungen und Äußerungen ist es vollbracht: Renault bestätigte den Kauf des Lotus-Teams und den Wiedereinstieg als Werksteam mit Beginn der Saison 2016. "Nach einer detaillierten Untersuchung habe ich beschlossen, dass Renault in der Formel 1 sein wird, beginnend mit 2016", wird der Vorstandsvorsitzende von Renault, Carlos Ghosn, in einer Pressemitteilung zitiert. "Unser Ziel ist es zu gewinnen - selbst wenn es einige Zeit dauern wird", formulierte er gleich die Vorgabe. Details zum Formel-1-Programm will Renault im Januar 2016 bekanntgeben.

03. Februar 2016: Zwei Monate nach der offiziellen Bekanntgabe der Rückkehr stellte sich das neue Renault-Team in Paris vor. Damit begann der Startschuss in die dritte Ära als Werksteam.