Was Mitte März in Australien begann, endete am ersten Adventwochenende in Abu Dhabi. Die Rede ist natürlich von der Formel-1-Saison 2015. Nicht nur für die Teams und Piloten standen 19 Rennen auf dem Programm, sondern auch für den Medientross, der den F1-Zirkus rund um den Erdball begleitet. Neben Journalisten der schreibenden Zunft, wie es Motorsport-Magazin.com ist, gehören der Königsklassen-Karawane auch zahlreiche TV-Stationen an, die bewegte Bilder in Abermillionen Haushalte liefern. Wir nehmen unter die Lupe, wie sich die Zuschauerzahlen im deutschsprachigen Raum entwickelt haben.

RTL verliert Zuschauer

RTL büßte in der Saison 2015 Zuschauer ein, Foto: Sutton
RTL büßte in der Saison 2015 Zuschauer ein, Foto: Sutton

Seit 1992 ist RTL ein treuer Begleiter der Formel 1 und überträgt die Rennen exklusiv im deutschen Free-TV. Die Blüte der Königsklasse auf dem Kölner Privatsender fand zu Michael Schumachers Ferrari-Zeiten statt, als sich sonntagnachmittags teils mehr als zehn Millionen Zuschauer vor den Fernsehschirmen einfanden, um ihrem Idol beim nächsten Sieg zuzujubeln. In den letzten Jahren verlor die Formel 1 allerdings sukzessive an Publikumsgunst, was 2014 in einem neuen Tiefstwert von durchschnittlich nur mehr 4,36 Millionen Zuschauern pro Rennen gipfelte.

Damit war die Talsohle aber noch nicht erreicht, denn in der zurückliegenden Saison gaben die Zahlen noch ein weiteres Mal nach. Nur noch 4,19 Millionen Zuschauer interessierten sich im Schnitt für die 19 Grands Prix. Auf den ersten Blick ein Tiefschlag für RTL, der auf den zweiten Blick jedoch etwas von seinem negativen Touch verliert, da einige Rahmenbedingungen den Fernsehmachern alles andere als in die Karten spielten.

RennenZuschauer 2014Zuschauer 2015MA (3+) 2014MA (3+) 2015MA (14-59) 2014MA (14-59) 2015
Australien3.120.0001.710.00043,3%38,4%43,6%34,6%
Malaysia4.210.0004.320.00035,9%38,4%34,7%35,5%
China3.900.0003.840.00040,3%42,6%38,6%40,3%
Bahrain5.100.0004.940.00027,6%29,4%27,0%27,4%
Spanien4.690.0004.270.00028,7%32,2%26,9%29,1%
Monaco4.230.0004.220.00034,0%31,2%34,6%27,7%
Kanada4.400.0004.430.00017,9%14,4%19,1%14,1%
Österreich4.220.0004.800.00029,3%29,6%28,9%28,5%
Großbritannien4.210.0004.650.00030,1%30,2%28,6%27,2%
Deutschland4.820.000-32,0%-30,9%-
Ungarn4.980.0004.620.00033,6%32,8%31,9%32,0%
Belgien4.580.0004.260.00030,1%29,7%29,2%28,6%
Italien4.070.0004.990.00030,2%29,2%28,4%26,5%
Singapur4.320.0004.640.00027,8%31,6%28,0%30,0%
Japan3.070.0002.460.00036,5%40,3%33,9%39,6%
Russland4.210.0004.640.00033,6%28,2%31,9%25,2%
USA4.130.0004.590.00012,6%12,6%12,8%12,4%
Mexiko-3.710.000-10,3%-9,8%
Brasilien4.930.0004.640.00022,2%18,6%22,4%17,2%
Abu Dhabi5.710.0003.830.00034,1%20,3%33,1%18,7%
Durchschnitt4.360.0004.190.00030,3%28,4%29,6%26,5%

Auftakt und Finale sorgen für ein Minus

Da wäre zum Beispiel der Umstand, dass die Rennen in Asien und Australien eine Stunde früher als bisher gestartet wurden. So begann die Saison in Melbourne schon um 6 statt wie bisher um 7 Uhr mitteleuropäischer Zeit, was nicht wenige Zuschauer davon abhielt, sich aus dem Bett zu quälen. Ein dementsprechendes Minus stand für RTL zu Buche, von 3,12 Millionen Zuschauern im Vorjahr brach die Reichweite auf 1,71 Millionen ein. Kompensiert wurde das Minus allerdings durch jene 1,63 Millionen, die sich am Vormittag die Aufzeichnung des Rennens in Albert Park zu Gemüte führten.

Australien trübte die Bilanz..., Foto: Sutton
Australien trübte die Bilanz..., Foto: Sutton

Doch nicht nur der Saisonstart fiel für RTL unschön aus, auch das Finale stand unter keinem guten Stern. Waren 2014 in Abu Dhabi noch 5,71 Millionen Zuschauer dabei, fanden sich diesmal nur 3,83 Millionen Interessierte, die das letzte Saisonrennen verfolgten. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Während es im Vorjahr zwischen Lewis Hamilton und Nico Rosberg um die WM-Entscheidung ging, wurde der Titel diesmal bereits vier Rennen vor dem Saisonschluss vergeben. Dass die letzten Rennen, bei denen es nur mehr um die goldene Ananas ging, weniger Zuschauer als in der Vorsaison anlockten, überrascht nicht.

Die negativen Faktoren aus der Sicht von RTL, die zu einem saisonalen Minus beitrugen, sind somit aufgezählt, es gab allerdings auch einige Rennen, die in der Zentrale des Kölner Privatsenders für Hochstimmung sorgten. Allen voran ist hier der Große Preis von Singapur zu nennen, das einzige Rennen, bei dem die magische Marke von fünf Millionen Zuschauern übersprungen wurde. Ein sattes Plus von 930.000 gegenüber dem Vorjahr wurde beim Nachtrennen verzeichnet. Nur unwesentlich geringer war der Zuwachs beim Italien GP in Monza mit 920.000 Zuschauern.

...ebenso wie Abu Dhabi, Foto: Sutton
...ebenso wie Abu Dhabi, Foto: Sutton

Bei zehn der 19 Saisonrennen verzeichnete RTL weniger Zuschauer als im Vorjahr, acht Läufe brachten hingegen ein Plus (der ausgefallene Deutschland GP respektive der neue Mexiko GP fehlen in dieser Rechnung). Die Bilanz hält sich somit fast die Waage - dass RTL im Saisonschnitt nicht zulegen konnte, war den gewaltigen Einbußen beim ersten und letzten Saisonrennen geschuldet, die einen harten Schlag ins Kontor darstellten, der nicht ausgeglichen werden konnte.

Dementsprechend gaben auch die Marktanteile nach. In der allgemeinen Zielgruppe fielen die durchschnittlichen Quoten von 30,3 auf 28,4%, in der Zielgruppe der werberelevanten 14-59-Jährigen von 29,6 auf 26,5%. Das Rennen mit den höchsten Marktanteilen war aufgrund der frühen Sendezeit der Große Preis von China (42,6 bzw. 40,3%), die geringsten Werte wurden in der Prime Time beim Rennen in Mexiko erreicht (10,3 bzw. 9,8%).

RTL wünscht sich mehr Spannung und baut auf Vettel

"Sportlich war in der Saison wieder aller drin, was die Königsklasse so attraktiv macht. Wie alle Fans hätten wir uns natürlich ein spannenderes Finale gewünscht, aber der Motorsport ist kein Wunschkonzert", betonte RTL-Sprecher Matthias Bolhöfer im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com, dass man sich erneut eine Entscheidung erst in Abu Dhabi erhofft hätte. "Die Quoten sind deshalb gegenüber dem Vorjahr leicht rückläufig, aber mit Marktanteilen von oft über 30 Prozent ist die Formel 1 weiterhin ein Premium-Format im deutschen Fernsehen."

Abgesehen von der fehlenden Spannung sieht man bei RTL auch die allgemeine Situation der Formel 1 als problematisch an. "Es wäre natürlich schön, wenn wir die Zuschauerzahlen wieder ein wenig ausbauen und verloren gegangene Zuschauer wieder für die Formel 1 gewinnen könnten. In diesem Zusammenhang wäre es hilfreich, wenn sich die Formel 1 wieder auf das eigentliche, nämlich den Rennsport, konzentriert und nicht so viel Aufmerksamkeit durch Diskussionen bindet, die in letzter Konsequenz mehr Probleme schaffen als Lösungen", gab Bolhöfer zu bedenken.

Die Formel 1 ist bemüht, mit neuen Regeln, die ab 2017 in Kraft treten sollen, Zuschauer zurückzugewinnen. Breitere Reifen und lautere Motoren sollen das Publikum wieder in den Bann ziehen. Dass die Königsklasse dann wieder Zuschauerzahlen wie zu Schumachers Zeiten erreichen wird, hält man bei RTL dennoch für ausgeschlossen. "Wir sind Realisten, der TV-Markt des Jahres 2015 ist ein ganz anderer als der TV-Markt des Jahres 2000", wies Bolhöfer auf die Fragmentierung mit immer mehr Sendern hin.

Trotz alledem blickt man bei RTL optimistisch in die Zukunft, was nicht zuletzt an Sebastian Vettel liegt. Der Wechsel des Heppenheimers von Red Bull zu Ferrari und seine drei Siege waren mitverantwortlich dafür, dass die Zuschauerzahlen bei einigen Rennen in die Höhe schossen. "Dass Sebastian für Ferrari fährt, hat in der Formel-1-Fangemeinde für viel Begeisterung gesorgt. Er war schon in dieser Saison überaus erfolgreich, viele hatten diesen Entwicklungsschritt noch gar nicht für möglich gehalten", hielt Bolhöfer fest. "Sebastian ist eben ein genialer Fahrer und darüber hinaus eine sehr starke Identifikationsfigur. Ich bin mir sicher, dass wir an ihm auch im nächsten Jahr große Freude haben werden."

Wie viele Rennen es im nächsten Jahr geben wird, steht noch nicht definitiv fest. Zwar verabschiedete die FIA einen Rekordkalender mit 21 Grands Prix, hinter dem Rennen in Austin steht allerdings noch ein Fragezeichen. "Bleibt es bei den 21 Rennen, dann werden wir auch die personell und produktionstechnisch stemmen können. Ob allerdings die Spannungsdramaturgie von so vielen Rennwochenenden profitiert oder ob der Rennkalender 2016 die Gefahr eines gewissen Abnutzungseffekts birgt, muss man abwarten", blickt man bei RTL dem neuen Jahr mit gemischten Gefühlen entgegen.

Österreich: ORF verzeichnet Minus

Eine ganz ähnliche Entwicklung wie bei RTL legte die Formel 1 auch in Österreich hin. Von durchschnittlich 485.000 Zuschauern im Jahr 2013 und 467.000 in der Vorsaison fielen die Zahlen auf nunmehr knapp 420.000. "Tatsächlich gab es über die gesamte Saison gerechnet einen leichten Rückgang bei den Reichweiten, mit im Schnitt 420.000 Zuschauern hält die Formel 1 aber auch 2015 weiterhin eine sehr treue SeherInnen-Gemeinde", erklärte ORF-Sportchef Hans Peter Trost gegenüber Motorsport-Magazin.com.

Ernst Hausleitner kommentiert die Formel 1 im ORF, Foto: Sutton
Ernst Hausleitner kommentiert die Formel 1 im ORF, Foto: Sutton

Wie in Deutschland hofft man auch in Österreich, dass die Mercedes-Vorherrschaft 2016 gebrochen werden wird. "Sollte der Spannungsverlauf der WM wieder nach oben gehen, werden zu den Stammsehern auch wieder Event-Seher dazu kommen", ist Trost überzeugt. Eventcharakter hatte fraglos der Große Preis von Österreich in Spielberg, den 747.000 Zuschauer sahen - klarer Saisonrekord. Die geringste Reichweite wurde beim Auftakt in Melbourne mit 167.000 erreicht.

Der ORF hält die Rechte noch bis zum Ende der Saison 2016. Wie es darüber hinaus weitergeht, ist noch offen, Verhandlungen über die Verlängerung des Vertrags mit Bernie Ecclestone laufen. Bis dahin wird es laut Trost keine Änderung an der bewährten Art der Berichterstattung geben - auch 2016 wird das mehrfach ausgezeichnete Kommentatoren-Duo Ernst Hausleitner und Alexander Wurz auf gewohnt unterhaltsame und kompetente Art und Weise durch die Rennwochenenden führen.