Renault lässt sich Zeit. Viel Zeit. Am 28. Oktober haben die Franzosen bekanntgegeben, eine Absichtserklärung unterzeichnet zu haben. Eine Absichtserklärung, die Mehrheit am Lotus F1 Team zu erwerben. Seitdem ist es ruhig geworden um Renault - zu ruhig. So ruhig, dass selbst Bernie Ecclestone keine Prognose wagen will.

Zunächst schien es um die Sonderbehandlung aus Bernie Ecclestones Preisgeldtopf gegangen zu sein. Diese Extra-Millionen sind aber nicht mehr das Problem. Für Carlos Ghosn geht es um viel mehr. Wie viel ist für ein ordentliches Formel-1-Engagement tatsächlich nötig?

Wie viel kann Renault investieren?

Renault Sport F1 Managing Direktor Cyril Abiteboul und Markenbotschafter Alain Prost wollen Ghosn von der Formel 1 überzeugen. Sie rechnen dem Franzosen mit brasilianischen und libanesischen Wurzeln vor, wie preiswert es gehen kann. Ghosn kennt aber auch Dieter Zetsche von Daimler und Sergio Marchionne von Fiat Chrysler - und weiß, wie viel diese Unternehmen für ihre erfolgreicheren Formel-1-Engagements ausgeben.

Carlos Ghosn trifft die Entscheidung, ob Renault als Werksteam zurückkehrt, Foto: Sutton
Carlos Ghosn trifft die Entscheidung, ob Renault als Werksteam zurückkehrt, Foto: Sutton

Bei Lotus ist man optimistisch. Egal wen man fragt, es heißt: "Das dauert eben, aber der Deal wird passieren - sicher." Laut dem stellvertretendem Teamchef Federico Gastaldi seien sogar schon Renault-Männer in Enstone. Motorsport-Magazin.com-Experte Christian Danner warnt jedoch: "Ob Ghosn jetzt dann zu dem Entschluss kommt und sagt, 'das ist doch Käse', das weiß ich nicht. Es kann aber passieren."

Lotus hat schon jetzt große Probleme. Die aktuellen Anteilseigner wollen kein Geld mehr in den Rennstall investieren, deshalb gibt es im Zweiwochentakt neue Hiobsbotschaften von verschlossenen Hospitalitys oder Garagen. "Es wird nur noch das Nötigste gemacht und das zahlt eine Person aus seiner Privatkasse, die anderen nicht", weiß Danner.

Die Entwicklung für das nächstjährige Auto läuft schon bei allen Teams seit Monaten. Nur fehlt bei Lotus das Geld und zusätzlich das Wissen, mit welchem Motor gefahren wird. Steigt Renault ein, wird es ein Renault-Motor. Macht Renault doch noch einen Rückzieher, sieht Plan B vor, bei Mercedes zu bleiben.

Aktuell wird das Auto um die Renault-Power-Unit herum konstruiert. Ein Notfallplan für Mercedes liegt aber auch noch bereit. Optimal ist das nicht. "Aber das Problem ist es, einen neuen Motor zu integrieren. Die Mercedes-Power-Unit kennen wir bereits, das sollte kein allzu großes Problem sein", hofft Jolyon Palmer, der den nächstjährigen Boliden bewegen darf.

Pastor Maldonado sieht die Zukunft trotzdem rosig. Auch wenn in diesem Jahr Updates am E23 Mangelware waren, heißt das nicht, dass nicht entwickelt wurde. "Die Fabrik hat konstant Fortschritte gemacht. Wir haben die Teile nicht produziert, aber wir haben alles, um deutlich schneller zu sein."

Der Venezolaner gibt sich Geheimnisvoll. "Ich habe gehört, dass wir unterschiedliche Lösungen versuchen, bei der Front, dem Heck und eigentlich bei allem. Vielleicht sollte etwas Großes in punkto Design des Autos passieren." Mit einem radikalen Design fiel Lotus 2014 schon auf die Nase. Das Konzept wurde komplett verworfen. "Ich weiß nicht, ob sie es konservativ angehen und die Saison recht ähnlich zum derzeitigen Fahrzeug starten", schränkt Maldonado deshalb ein.

Der Lotus Jahrgang 2014 war ein Flop, Foto: Sutton
Der Lotus Jahrgang 2014 war ein Flop, Foto: Sutton

Ob nun mit Renault oder mit Mercedes, 2016 wird so und so ein heikles Jahr für Lotus. Sollte Renault absagen, fehlen die finanziellen Mittel. "Enstone wird dann natürlich noch weiter runtergefahren. Sie werden dann zwar mit Mercedes-Motor weiterfahren - diese Option haben sie noch -, aber sie werden dann trotzdem auf Sauber oder Manor-Niveau absacken", glaubt Danner.

Power Unit von Renault ein Rückschritt?

Kommt Renault doch, stellen sich zwei Fragen: Mit welchem Budget kommen die Franzosen, und wie viel besser wird die Power Unit? Aktuell wäre es eher eine Strafe, von Mercedes auf Renault gehen zu müssen. Maldonado wie immer optimistisch zu Motorsport-Magazin.com: "Jetzt ist Mercedes besser, aber Renault holt auf. Sie werden besser und besser. Zu Beginn der Saison habe ich die Toro Rosso und Red Bulls auf Höhe Mitte der Geraden überholt. Jetzt ist es nicht mehr so einfach." Daniel Ricciardo, der beim Brasilien GP Renaults neueste Ausbaustufe probieren durfte oder eher musste, wird dem Lotus-Piloten wahrscheinlich nur bedingt zustimmen.

Selbst wenn Renault einsteigt, einen tollen Motor baut und viel Geld für das Team in die Hand nimmt, fehlt erheblich Entwicklung aus 2015. Maldonado gibt zu bedenken: "Das ist bei allen Teams in der Vergangenheit schon mal passiert. Ich erinnere mich, dass Sauber letztes Jahr schlecht war und zu Beginn dieser Saison waren sie wirklich gut. Aber es wird nächstes Jahr schwierig, es wird unser erstes Jahr, wir müssen zusammen lernen. Ich denke, wir haben großartiges Potenzial in der Fabrik, aber wir brauchen vermutlich mehr Leute."

So optimistisch wie der Venezolaner sind aber längt nicht alle. Auch Jolyon Palmer ist zuversichtlich, dass der Renault-Deal zustande kommen wird. Der Brite hat sich aber abgesichert. Er hat für die nächste Saison zwei Verträge unterschrieben: Einen mit Lotus, einen mit Renault. Angeblich ist mit einer Bekanntgabe der Renault-Pläne rund um das Saisonfinale in Abu Dhabi zu rechnen.