Mercedes hat beim Brasilien Grand Prix den elften Doppelsieg in dieser Saison eingefahren – und doch kam es wieder einmal zu Kontroversen innerhalb des Teams. Auslöser war Lewis Hamilton, der während des Rennens nach einer anderen Boxenstopp-Strategie als Nico Rosberg fragte, um möglicherweise eine bessere Chance auf den Sieg zu haben. Der Kommandostand spielte jedoch nicht mit und setzte beide Silberpfeil-Piloten auf die gleiche Dreistopp-Taktik.

So stoppte Hamilton jeweils eine Runde nach Rosberg und fand am Ende keine Möglichkeit, seinen Teamkollegen zu überholen. Der Weltmeister wirkte nach dem Rennen angefressen und machte noch einmal deutlich, dass er sich mehr individuelle Freiheiten bezüglich der Strategie wünscht. "Ich bin hier um Rennen zu fahren", sagte Hamilton. "Und wenn du die gleiche Strategie hast, ist es ab dem Beginn festgelegt. Also lasst uns ein Risiko eingehen."

13. Formel-1-Sieg für Nico Rosberg, Foto: Sutton
13. Formel-1-Sieg für Nico Rosberg, Foto: Sutton

Ärger über Strategie-Entscheidung

Hamilton war überzeugt, dass er genügend Speed hatte, um Rosberg gefährlich werden zu können. Doch sei es schwierig, in Interlagos zu überholen. Abauende Reifen und zu kurze DRS-Zonen als Gründe. "Also wollte ich sehen, ob es noch andere Strategien gibt", sagte Hamilton. "Es wäre toll, auch mal was anderes zu machen als, ‚Du kommst in Runde 15 rein und du in Runde 16‘. Ein paar Optionen haben und dann schauen, wie es läuft."

Mit seiner Forderung stieß Hamilton bei seinen Vorgesetzten allerdings auf sehr taube Ohren. Toto Wolff machte sehr deutlich, dass der Kommandostand das Sagen hat und die Fahrer nicht individuell die Strategie wählen lässt. Die Teamführung habe schließlich ein besseres Gesamtbild vom Rennen als die Fahrer in den Autos. Für Hamiltons Reaktion während des Rennens hatte Wolff allerdings Verständnis: "Dass Fahrer im Auto emotional sind, ist verständlich. Wir wollen Wachhunde und keine Welpen. Wir wollen auch, dass sie Wachhunde sind. Wenn es dann mal etwas intensiver wird, ist das in Ordnung."

Würden die Fahrer allerdings aus eigener Kraft handeln, wäre das fatal. "Wenn der Fahrer im Auto anfängt, die Strategie zu machen, wird er jedes einzelne Rennen verlieren", sagte Wolff. "Weil das Instinkt-Entscheidungen sind. Das kann zwar mal richtig sein, aber wenn du nicht alle Daten vorliegen hast, triffst du meist keine guten Entscheidungen." An der bisherigen Vorgehensweise werde Mercedes auch in Zukunft nichts ändern, versicherte der Motorsportchef.

Guter Start von Rosberg als Grundstein zum Sieg, Foto: Sutton
Guter Start von Rosberg als Grundstein zum Sieg, Foto: Sutton

Rosberg: Ich war schneller

Für Rosberg war der Fall unterdessen klar. Er war sicher, dass er das Rennen kontrollierte und den Sieg verdient hatte. Gespräche darüber habe es schon häufiger innerhalb des Teams gegeben. "Es wäre nicht fair, wenn der dahinter Fahrende auf eine andere Strategie wechselt und sich dann herausstellt, dass sie viel besser ist", sagte der Rennsieger. "Dann gewinnst du das Rennen nur durch Glück und weil die andere Strategie viel schneller war."

Sprich: Rosberg setzte sich für einen gleichwertigen Kampf beider Mercedes-Piloten ein, der nicht über unterschiedliche Strategien entschieden werden soll. Mercedes handhabt es seit langer Zeit so, dass der Führende die Taktik vorgibt und sich der Teamkollege anpassen muss – und am Ende für das Team der größtmögliche Erfolg herausspringt. Rosberg: "Deshalb macht das keinen Sinn. Ich gegen Lewis – so sollte es sein. Und kein Glück, wenn eine der Strategien etwas besser ist als die andere."

Kein Vorbeikommen für Hamilton an Rosberg, Foto: Sutton
Kein Vorbeikommen für Hamilton an Rosberg, Foto: Sutton

Sorge wegen Vettel

Der Hintergrund, warum Mercedes Hamilton nicht die Wahl ließ, es mit nur zwei Boxenstopps durchs Rennen zu schaffen: Das Team hatte die Sorge, dass Sebastian Vettel den Briten im letzten Stint noch einholen könnte. Eine Zeit lang hatte es danach ausgesehen, als ob Ferrari es mit zwei Stopps versucht. Schließlich entschieden sich die Italiener für einen dritten Reifenwechsel.

Wolff erklärte: "Die einzige Möglichkeit war, auf drei Stopps umzustellen. Das war insgesamt zehn Sekunden langsamer und hätte seinen zweiten Platz im Kampf gegen Vettel in Gefahr gebracht. Dann wendete sich das Blatt jedoch zu unseren Gunsten, als Vettel auf eine Drei-Stopp-Strategie wechselte. Dies ermöglichte es uns, das gleiche zu tun und jede Gefahr von hinten bis zum Ende des Rennens zu kontrollieren."

Zweiter Sieg in Folge für Rosberg zum Saisonende, Foto: Sutton
Zweiter Sieg in Folge für Rosberg zum Saisonende, Foto: Sutton

Klare Ansagen von Mercedes

Volle Unterstützung erhielt Wolff von Niki Lauda, der die Teamentscheidung verteidigte. Vor dem Rennen sei eine Zwei-Stopp-Strategie der Plan gewesen. Nach Vettels drittem Stopp sei es aber die beste Option gewesen, die Ferrari-Taktik zu spiegeln und damit den Doppelsieg zu sichern. Lauda: "Der Strategiewechsel war für beide, weil die Fahrer gleich behandelt werden müssen. Nach Vettels Stopp sind wir auf Nummer sicher gegangen."

Rosberg argumentierte zudem, dass Hamilton der Auslöser war, um einen weiteren Reifenwechsel einzulegen. Er habe sich seine Reifen hinter ihm kaputtgefahren. Hamilton selbst sagte während des Rennens am Funk, dass er hinter Rosberg mit stark abbauenden Reifen zu kämpfen hatte. "Niemals wäre er mit zwei Stopps irgendwo hingekommen", war Rosberg sicher. "Das zwang uns zu einer Drei-Stopp-Strategie, weil er keine Reifen mehr hatte. Es geht immer darum, die Pace mittels der Reifen zu kontrollieren."

Rosberg überzeugt: Seine Pace war besser als Hamiltons, Foto: Sutton
Rosberg überzeugt: Seine Pace war besser als Hamiltons, Foto: Sutton

Teamorder als unerwünschte Alternative

Während Rosberg überzeugt war, dass er im Rennen den besseren Speed hatte, widersprach Hamilton. "Im Gegensatz zu dem, was Nico sagt, war ich direkt an ihm dran. Ich kam aber nicht vorbei. Aber es wäre gut gewesen, was anderes zu machen. Sie machen so viele Simulationen und picken sich dann zwei heraus. Dabei müssen wir dann bleiben." Mit seiner Meinung, dass er schneller gewesen sei als Rosberg, stand Hamilton allerdings ziemlich allein da.

"Nico hatte alles unter Kontrolle", sagte Technikchef Paddy Lowe. "Unsere Philosophie ist, dass wir unsere Fahrer gegeneinander fahren lassen. Sie dürfen auch machbare Alternativen ausprobieren. Das haben wir in der Vergangenheit gezeigt. Aber wir lassen sie nicht um jeden Preis eine schlechte alternative Strategie verfolgen." Also weiter keine Alleingänge der Mercedes-Fahrer. Die Alternative laut Wolff – die wohl niemand will: "Wir hätten es machen können wie gewisse Teams in der Vergangenheit und eine klare Nummer 1 und eine klare Nummer haben."