Der eine feiert gerade ausgelassen seinen dritten Weltmeistertitel, der andere tritt gerade den Gang nach Canossa an. Während Lewis Hamilton mit seinem Team und Hund Roscoe ausgelassen feiert, stellt sich Nico Rosberg wenige Stunden nach dem Rennen den wartenden Journalisten. Es wird keine angenehme Fragestunde für den designierten Vizeweltmeister - doch das wusste er schon zuvor.

Es ging gar nicht so sehr um seinen Fehler kurz vor Rennende, der Lewis Hamilton letztendlich den Sieg und damit den vorzeitigen Gewinn der Weltmeisterschaft bescherte. Es ging um die Szene in Kurve eins. Um das Verhalten des Weltmeisters und um das Verhalten des Vizeweltmeisters. Auch wenn Rosberg richtigerweise sagt: "Das war nicht der Schlüssel, aber es hat das Leben nicht einfacher gemacht."

Rosberg hatte später im Rennen noch seine Chance, aber Kurve eins in Austin war symptomatisch für die gesamte Saison, vielleicht sogar symptomatisch für die Formel 1? Der Deutsche sprach es zum ersten Mal offen aus: Hamilton ist zu weit gegangen. Dabei war es nicht das erste Mal, dass Rosberg eine Kollision aktiv verhinderte.

Der Deutsche war sichtbar genervt - mehr von Hamilton, als von der anschließenden Diskussion. "Ein bisschen ist gut...", sagte er zu Motorsport-Magazin.com auf die Frage, ob das Rennen in Austin ein wenig die ganze Saison wiederspiegelt, Lewis ein 'bisschen der Bösewicht' ist, und er der gute Junge.

Teamleitung bei Rosberg

Vor der Medienrunde konnte sich Rosberg immerhin schon ein wenig abreagieren. Seine Reaktion unter dem Helm - wohl nicht jugendfrei. "Mein erster Gedanke... Kann ich nicht sagen. Geht nicht, denn das würde nach hinten losgehen. Das geht nicht. So tief kann man nicht gesehen." Deutliche Worte.

Hamilton ist der Champion, Rosberg der zweite Gewinner, Foto: Sutton
Hamilton ist der Champion, Rosberg der zweite Gewinner, Foto: Sutton

Doch deutliche Worte helfen nicht gegen Hamiltons deutliche Taten. "Jeder hat das Recht auf eine Meinung, aber das ist egal, weil ich das Rennen gewonnen habe. Und ich fühle mich gut damit", sagt Hamilton mit dem vollen Selbstvertrauen eines dreimaligen Weltmeisters.

Toto Wolff und Niki Lauda stehen bei diesem Zwischenfall auf Rosbergs Seite. Hamilton ist nicht nur in T1 zu weit gefahren, er ist vor allem zu weit gegangen. Doch das sieht er natürlich nicht ein. Wie jeder Champion. "Er hatte die bessere Linie mit mehr Grip, aber ich war vorne. Es war meine Linie. Wir haben beide eingelenkt, und ich bin in ihn hinein untersteuert. Er ist außendrum gekommen und wir haben uns berührt. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich aggressiv war und am Ende des Tages war ich innen."

Ein bisschen good guy muss Hamilton dann doch noch machen. "Im Nachhinein immer diese Kommentare, aber ich würde so etwas niemals absichtlich gegen meinen Teamkollegen machen." Wirklich abnehmen mag man ihm das nicht. Zu sehr Egoist, zu sehr Champion ist er.

Wer sanktoniert einen Weltmeister?

Nun ist die Team-Führung gefragt. "Das muss natürlich diskutiert werden", fordert Rosberg. "Es gibt keinen Grund für Gespräche", meint Hamilton hingegen. Ein deutliches Indiz dafür, dass diskutiert werden muss. Mehr als diskutiert. Mercedes muss Hamilton teamintern rannehmen, wie Rosberg 2014 in Spa. Nur wer macht das schon mit einem frischgebackenen Weltmeister?

Und so wird es wohl weitergehen wie bislang. Der Zug ist schon abgefahren. Unschuld ist Rosberg daran nicht. Er hätte früher Zeichen setzen müssen - auf der Strecke. Zeigen, dass er nicht immer zurücksteckt, sich Respekt verschaffen. Genau dieser Respekt fehlt Hamilton vor Rosberg und deshalb mach der Brite, was er will.

"Das müsst Ihr beurteilen, aber in dieser Saison war es nicht ausschlaggebend", meint der Zweitplatzierte. Ausschlaggeben war das Zweikampfverhalten letztendlich nicht, doch es ist auch ein deutliches Statement für die Zukunft. Rosberg wird es 2016 nicht einfacher haben. Und die Formel 1 ist nicht Hollywood: Am Ende gewinnt nicht immer das Gute.