Es gibt einfachere Tage im Leben eines Formel-1-Jounalisten als den Samstag in Austin. Aber immerhin können wir im Gegensatz zu den Fans die meiste Zeit im Trockenen verbringen, also wollen wir uns nicht beschweren. Am späten Samstagnachmittag gab es dann noch eine positive Überraschung: Die FIA arrangierte extra für die noch dagebliebenen Journalisten eine Präsentation.

Und zwar ebenjene Präsentation, die auch beim Fahrer-Briefing am Freitag vorgeführt wurde. Dazu kamen extra der FIA-Sicherheitsdirektor Laurent Mekies, Rennleiter Charlie Whiting und GPDA-Präsident Alexander Wurz. Knapp eine Stunde gab es interessante Informationen zu verschiedenen Sicherheitsthemen.

Kontrovers diskutiert: die Cockpit-Haube, Foto: youtube/FIA Institute
Kontrovers diskutiert: die Cockpit-Haube, Foto: youtube/FIA Institute

Die Cockpit-Haube

Das große Thema. Beim Schutz des Kopfes gibt es drei verschiedene Bereiche. Zum einen die Helm-Sicherheit. Sie hilft, wenn ein kleinerer Gegenstand den Kopf des Fahrers trifft, wie bei Felipe Massa 2009 in Ungarn. Hier wurde durch das Einarbeiten von Zylon in den oberen Visierabschnitt bereits ein großer Sprung erzielt. Das soll nun zum generellen FIA-Standard werden.

Der zweite Bereich ist die Lateral Protection, also quasi der Seitenaufprallschutz. Besonders wichtig ist dieser, wenn Autos im 90-Grad-Winkel aufeinandertreffen. Die Cockpitwände wurden zuletzt immer weiter nach oben gezogen, im nächsten Jahr setzt sich dieser Trend fort. Außerdem muss die Cockpitwand nicht mehr 15 Kilonewton aushalten, sondern 50.

Der dritte Bereich lautet Frontal Protection. Hier geht es um alles, was von vorne kommt. Das große Stichwort lautet natürlich Cockpitkanzel. Es wurden verschiedene Konzepte vorgestellt, die bereits getestet wurden und nächsten Monat weiter getestet werden.

Wichtig und brandaktuell: Sicherheitskonzepte der FIA, Foto: Sutton
Wichtig und brandaktuell: Sicherheitskonzepte der FIA, Foto: Sutton

Die erste Version, Additional Frontal Protection 1, kurz AFP1, wurde sogar schon an einem GP2-Boliden getestet. Es ist sieht aus wie ein verkehrt herum angebrachter Überrollbügel vor dem Fahrer. Die Tests waren schon gut, das Sichtfeld des Piloten ist deutlich weniger eingeschränkt als zunächst angenommen, Reifen können außerdem gut abgewehrt werden.

AFP2 wird allerdings bereits getestet. Es sind mehrere Rohre, die vor dem Cockpit angebracht sind und ist logischerweise nur eine Weiterentwicklung der ersten Version. Es gibt aber auch noch andere Lösungsansätze: Mercedes hat ein sogenanntes Halo-Konzept (deutsch: Heiligenschein) entwickelt. Hier geht eine zentrale Strebe vor dem Kopf des Fahrers nach oben, direkt über dem Helm befindet sich ein Ring, der aussieht wie ein Heiligenschein über dem Piloten.

Das dritte Konzept, das aktuell getestet wird, besteht aus drei Rohren, die vorne am Chassis beginnen und über die komplette Chassislänge über den Kopf des Fahrers hinweggehen und schließlich in der Airbox münden.

Wichtig: Um Ästhetik geht es noch nicht. "Erst müssen wir sehen, dass die Lösungen ihren Zweck erfüllen, dann schauen wir uns das Design an", erklärte Wurz. Genauso sieht es bei der Bergung aus, wo es durch die Verstrebungen Probleme geben könnte. Erst soll sichergestellt werden, dass die Konzepte Sicherheit gegen äußere Kräfte bringen, dann soll die Bergung genauer angesehen werden.

Nach dem Fahrerbriefing sollen übrigens alle Fahrer zu 100 Prozent hinter dieser Entwicklung gestanden haben. Auch Nico Hülkenberg, der sich zuvor stets gegen ein geschlossenes Cockpit in der Formel 1 aussprach. "Er hat seine Meinung nach dem Vortrag geändert", sagte Wurz zu Motorsport-Magazin.com. "Meiner Meinung nach würde es nichts an der DNA der Formel 1 ändern", fügte der GPDA-Vorsitzende hinzu.

Alonso-Unfall in Barcelona: Highspeed-Kamera hätte viele offene Fragen geklärt, Foto: Sutton
Alonso-Unfall in Barcelona: Highspeed-Kamera hätte viele offene Fragen geklärt, Foto: Sutton

Highspeed-Kameras

Ein weiteres Thema des Briefings waren Highspeed-Kameras. Fernando Alonso und Daniel Ricciardo fuhren am Freitag in Austin erstmals mit den neuen Geräten, die ab 2016 verpflichtend an jedem Fahrzeug im Einsatz sein müssen. Die nur 12 Millimeter großen Kameras passen in ein 14 Millimeter kleines Gehäuse und nehmen 400 Bilder pro Sekunde auf.

Sie sind über der vorderen Überrollstruktur angebracht und richten sich auf den Helm des Fahrers. "Die Bildqualität ist noch nicht überragend, aber das kann noch kommen", meinte FIA-Sicherheitsdirektor Laurent Mekies. Diese Kameras sollen bei Unfällen genau zeigen, wie sich der Kopf des Fahrers bewegt. Die Bilder werden aufgezeichnet und später ausgewertet. Für TV-Übertragungen sind die Bilder nicht gedacht.

Whiting spricht sich für konventionelle Reifenstapel aus, Foto: Sutton
Whiting spricht sich für konventionelle Reifenstapel aus, Foto: Sutton

Sainz-Unfall in Russland

Auch der Unfall von Carlos Sainz im dritten Freien Training zum Russland GP vor zwei Wochen wurde besprochen. Die Daten sind beeindruckend: Die Aufprallgeschwindigkeit betrug 153 Stundenkilometer. Binnen vier Meter kam das Auto zum Stillstand. Die Kraft wurde dabei von den Tecpro-Barrieren relativ gleichmäßig absorbiert, der Peak lag bei etwas über 40g.

Wichtige Erkenntnis: Die Barriere wurde bei genauerem Betrachten erst 0,167 Sekunden nach dem Aufprall angehoben, wodurch Sainz darunter rutschen konnte. Nach knapp zwei Zehntelsekunden stand das Fahrzeug fast komplett. Deshalb sah der Vorgang dramatischer aus, als er tatsächlich war.

Charlie Whiting hielt noch ein Plädoyer für konventionelle Reifenstapel: "Wenn sie richtig zusammengeschraubt sind, wirken sie genauso. Das Problem ist dabei nur die Zeit, die man benötigt, um sie zusammenzuschrauben. Verpflichtend werden deshalb Tecpro-Barrieren nicht."

Problemzone Track-Limits, Foto: Sutton
Problemzone Track-Limits, Foto: Sutton

Track-Limits

Das leidige Thema Streckenbegrenzung wurde zum Schluss auch noch angesprochen. Im Wesentlichen wird auf zwei Ebenen Entwicklung betrieben: Zum einen bei den Kerbs, zum anderen bei der Elektronik.

Hohe Kerbs sind gut, um das Einhalten der Tracklimits zu gewährleisten. Allerdings sind hohe Kerbs gefährlicher, deshalb geht der Trend zu immer flacheren Kerbs. Inzwischen wurden Kerbs entwickelt, die tiefer als die Strecke liegen. Sie bestehen aus zwei Bereichen, der zweite liegt noch etwas tiefer als der erste. In Aragon und in Barcelona sind schon einzelne Kurven damit ausgestattet.

Auch auf dem Circuit of the Americas gibt es schon innovative Lösungen: Im Kurvenscheitelpunkt befinden sich kleine Fundamente, in die unterschiedlich hohe Kerb-Elemente eingelegt werden können. Somit kann zwischen Motorrad, Formel 1 und anderen Rennserien unterschieden werden. "Das ist eine sehr gute Lösung", meinte Whiting.

Auf der anderen Seite wird an der elektronischen Kontrolle der Einhaltung entwickelt. Aktuell gibt es hier noch deutlichen Verbesserungsbedarf. Es geht um eine Echtzeitüberwachung, nicht um die nachträgliche Videoanalyse. Aktuell kann das nur zu 30 Zentimeter genau gewährleistet werden. GPS hilft hier nicht, es ist im besten Falle auf einen halben Meter genau, auch wenn einige Hersteller bessere Toleranzen versprechen. Hier wird aktuell noch in mehrere Richtungen entwickelt.