Wer auf der Dachterrasse des acht Stockwerke hohen Sakhir Towers inmitten des Bahrain International Circuit steht und dort seinen Blick rund herum schweifen lässt, der entdeckt abseits des bis zu 22 Meter breiten Asphaltbandes weit und breit nur eines: Sonne, Sand und Wüste.

Gar nicht einmal so weit entfernt, durch das Hitzeflimmern allerdings nur schwer zu erkennen, mischt sich in diesen gelben Einheitsfarbton jedoch auch noch ein blauer Farbtupfer - Das Meer. Und genau dieses Farbenspiel zwischen Gelb und Blau am Ende des Sichtbereiches ist ein perfektes Bild für die aktuellen Machtverhältnisse in der Königsklasse des Motorsports.

Gelb-Blau: Die magische Farbe des neuen Königs

Denn trotz des vom Wetter (Melbourne) und den Reifen (Sepang) verzerrten Leistungsbildes der ersten beiden Rennen, lässt sich nach dem zweiten Großen Preis von Bahrain und dem Ende des ersten Überseeabschnittes der neuen F1-Saison eine neue Farbenlehre ableiten, in welcher jenes Gelb-Blau ganz oben anzutreffen ist.

"Es ist fantastisch, wie in einem Traum", vermochte der neue spanische Superstar, der in den Gazetten des Landes schon seit seinem Sieg in Malaysia als "Magier" gepriesen wird, sein Glück sowie seine Erfolge kaum zu glauben. "Fernando Alonso dominierte diesen Grand Prix von Anfang bis Ende", lobte der überglückliche Teamchef Flavio Briatore seinen immer besser geschliffenen Rohdiamanten.

Das Schleifwerkzeug der Franzosen entwickelt sich dabei immer mehr zu einem würdigen Nachfolger des allen überlegenen roten Weltmeisterautos aus dem Vorjahr. "Der Renault R25 funktionierte erneut hervorragend", konstatierte Alonso, der auch von Chefrenningenieur Pat Symonds in den allerhöchsten Tönen gelobt wurde.

"Es ist immer wieder beeindruckend, einen Fahrer derart dominieren zu sehen wie Fernando Alonso heute Nachmittag", überschlug sich der erfahrene Symonds, der schon für Michael Schumachers Benetton-Siege verantwortlich zeichnete, geradezu. "Seine Leistung verdient umso mehr Beachtung vor dem Hintergrund, dass er zu Beginn noch nicht einmal bis an die Drehzahlgrenze seines Renault R25-Zehnzylinders ging. Es schien, dass er zu jeder Zeit in der Lage war, das Tempo anzuziehen, ohne das Auto zu sehr zu belasten."

Doch trotz der Lobesarien und der klaren Nummer 1 Position seines Teams, bleibt der WM-Spitzenreiter auf dem sandigen Boden der Tatsachen. "Ich habe jetzt 26 von 30 möglichen WM-Zählern gesammelt – das ist fantastisch. Aber wir müssen vorsichtig sein: Von 19 WM-Läufen haben wir gerade einmal drei absolviert", warnt Fernando vor dem Rest einer "sehr langen" Saison. "Wenn wir allerdings weiter so konkurrenzfähig bleiben und mechanische Probleme vermeiden, werden wir nur sehr schwer zu schlagen sein." Eine Tatsache, welche die neue Farbenlehre eindrucksvoll bestätigt.

Rot: Vorsicht - Frisch gestrichen!

Nicht mehr hoch im Kurs steht in der Käufergunst derzeit die Farbe Rot. Die Scuderia Ferrari kaufte nach dem Debakel von Sepang dennoch alle Vorräte davon auf, um ihrem Image und vor allem ihrem neuen Auto einen neuen, erfolgreicheren und schnelleren Anstrich zu verpassen.

Am ersten Rennwochende mit dem neuen Boliden passierte allerdings etwas, womit man nicht gerechnet hatte: Die frische rote Farbe war noch nicht ganz getrocknet. In die Formel 1 Sprache übersetzt bedeutet dies: Der F2005 war noch nicht bereit und zuverlässig genug.

Dabei stand schon vor dem Wochenende fest: Wenn der um einen Monat vorgezogene Ersteinsatz des neuen Autos die Roten wieder auf Siegkurs bringt, würden sie frenetisch gefeiert werden. Wenn das verfrühte Debüt nach nur einem Test mit den Stammpiloten allerdings schief gehen und Zuverlässigkeits- oder Leistungsprobleme enthüllen würde, würde man das Team erneut, wie schon nach Malasyia, in der Luft und vor allem der italienischen Presse zerreißen.

Nach einem rabenschwarzen Wochenende für Rubens Barrichello, der nach seinen Getriebe- und sonstigen Probleme von einem "Wochenende zum Vergessen" sprach, und einem Ausfall von Michael Schumacher darf getrost mit der zweiten Variante gerechnet werden. Allerdings mussten es die Roten dennoch riskieren.

"Es war absolut die richtige Entscheidung", bestätigte der siebenfache Weltmeister. Als Beleg hierfür darf man beinahe schon im McLaren-Standardton der vergangenen Wochen anführen, dass die Pace eindeutig dar war - nur eben die Zuverlässigkeit ließ mehr als zu wünschen übrig. Für die ansonsten so perfektionistische und zuverlässige Scuderia eine ungewohnte Situation.

Somit hat Flavio Briatore also letztlich doch Recht behalten, als er andeutete, dass ihm der F2005 keine schlaflosen Nächte bereite, da der Renault dennoch schneller sein würde und Ferrari bei einem übereilten Kraftakt Haltbarkeitsprobleme bekommen könnte.

Die Frage danach, ob es mit dem eingemotteten Übergangsmodell vom Typ F2004 M besser gelaufen wäre, kann natürlich nicht beantwortet werden. Dies darf aber sehr wohl bezweifelt werden, da Fernando Alonso auch in Bahrain die gleiche Schwachstelle wie schon in Malasyia ausmachte: "Ferrari scheint mit dem neuen Wagen einen großen Schritt nach vorne gemacht zu haben", räumte der Sieger ein. "Aber sie haben immer noch große Probleme mit den Reifen."

Und tatsächlich, zwischen seinen Zeilen versteckt, gesteht Teamchef Jean Todt auch diesmal wieder ein, dass die Bridgestone-Pneus noch nicht dort sind, wo sie anno 2004 waren. "Es ist klar, dass wir zusammen mit unseren Partnern, allen voran Bridgestone, viel Arbeit vor uns haben", kündigte Todt an, was Hisao Suganuma bestätigte. "Es sah nach einem erfolgreichen Wochenende aus, aber leider endete es nicht wie erhofft. Wir haben klare Fortschritte erzielt, aber Rubens' Reifen verloren gegen Rennende an Konkurrenzfähigkeit. Daran müssen wir bis Imola eindeutig arbeiten."

Deshalb möchte Michael Schumacher "in den kommenden drei Wochen" ausgiebig testen und Todt "die Zuverlässigkeit" verbessern. "Denn das Fazit der ersten drei Rennen ist sicherlich negativ und nicht unser Standard."

Der nur noch sechste Rang der Scuderia in der Konstrukteurswertung rief sogar F1-Boss Bernie Ecclestone höchstpersönlich auf den Plan. Schließlich ist ein schwächelndes Zugpferd ebenso schlecht für das Geschäft wie ein zu stark dominierendes Pferdchen.

"Ich bin nicht glücklich über die Niederlagen von Ferrari", rümpfte Mr. E die markante Nase. "Wir brauchen in der Formel 1 vier bis fünf Top-Teams, die konkurrenzfähig sind. Ferrari ist etwas Besonderes, bekommt aber keine Bevorzugung."

Bunt gemischt: Die Teamanalyse

Renault - Gelb-Blauer Triumph Renault ist die klare Nummer 1, konnte seine Favoritenrolle der Wintertests nun eindrucksvoll auf drei verschiedenen Strecken bei unterschiedlichsten Bedingungen bestätigen und dabei beweisen, dass sie das beste Auto besitzen. Dennoch ist bei den Franzosen nicht alles Eitelsonnenschein. Schließlich fiel Giancarlo Fisichella in Bahrain zum zweiten Mal in Folge aus - nach dem Webber-Unfall von Sepang, war es diesmal ein technisches Gebrechen. Im Kampf um die Konstrukteurs-WM wird es also Zeit, wieder einmal beide Autos ins Ziel zu bringen.

Toyota - Weiß-Rote Träume Für Jarno Trulli und sein Toyota-Team werden derzeit alle zwei Wochen Träume wahr. Feierte man in Melbourne noch eine glückliche zweite Startposition, war es in Malaysia das beste Ergebnis der noch jungen Teamgeschichte, welches in Sakhir nun bereits übertroffen wurde. Die Frage bleibt, ob die Japaner nach den beiden Hitzerennen auch auf europäischem Boden noch zu solchen Höhenflügen befähigt sind. Wenn ja, dann haben es die Köln-Marsdorfer früher als erwartet und geplant geschafft in die Phalanx der ganz Großen einzugreifen, weshalb dann der erste Sprung auf das oberste Podest nur noch eine Frage der Zeit sein sollte.

McLaren - Silberne Pace "Die Pace ist da", hieß es an den ersten beiden Rennwochenenden unentwegt im silbernen Lager. Und während sie in Bahrain erneut zuerst im Hintergrund versteckt blieb, wagte sich die Pace des MP4-20 im Rennen tatsächlich aus ihrem gesicherten Versteck heraus, um Kimi Räikkönen und Pedro de la Rosa - auch unter gütiger Mithilfe der vielen Aus- und Zwischenfälle - zu den Rängen drei und fünf zu verhelfen. Der spanische Montoya-Ersatzmann stellte ohnehin dank seiner unzähligen Duelle und Überholmanöver gegen diverse Piloten den Fahrer des Grand Prix dar. Ob er bei einem weiteren Ausfall des Kolumbianers aber erneut im zweiten Cockpit sitzen würde, steht noch nicht fest.

Williams - Weiß-Blaue Enttäuschung Am Freitag war von BMW-Williams nicht viel zu sehen. Am Samstagmorgen gab es dann das erste Lebenszeichen und im Qualifying zeigten Mark Webber und Nick Heidfeld, was tatsächlich in ihnen und ihren FW27 steckt. Im Rennen war dann aber plötzlich Schluss mit lustig: Heidfelds Motor fiel den extremen Anforderungen von Malaysia und Bahrain zum Opfer und Webber verschenkte einen Platz durch einen Dreher. Zudem hatten beide mit Kühlproblemen zu kämpfen. Es gibt also bis zum Europaauftakt noch viel zu tun im Hause BMW-Williams. Die eingeschlagene Richtung scheint trotzdem zu stimmen.

Red Bull - Sie sehen Dunkelblau Das Rennwochenende der beiden Red Bull Piloten verlief genau entgegengesetzt: Während David Coulthard schwach anfing, nach einem schlechten Qualifying aber dennoch einen glücklichen Punktgewinn verbuchen konnte, dominierte Christian Klien das Teaminterne Duell von Beginn an, um dann am Start erst gar nicht weg zu kommen. Für Kliens Chancen auf einen weiteren Renneinsatz in Imola, war dies natürlich nur wenig hilfreich. Der positive Trend der Dunkelblauen nahm, dank seiner starken Leistung, dennoch keinen Abbruch. Selbst da es punktemäßig diesmal nicht ganz so rosig aussah.

Ferrari - Alarmstufe Rot Beim Debakel von Sepang, wussten die Italiener eines - auch wenn es vom Team nach außen hin bestritten wurde: Der F2004 M hat die Pace um vorne, vielleicht nicht ganz vorne, mitzufahren, aber die Reifen waren absolut unterlegen. Nach Bahrain wissen die Roten nun: Der F2005 ist ein großer Performance-Schritt in Richtung Renault, aber er ist noch lange nicht auf dem üblichen Ferrari-Zuverlässigkeitsniveau und hat zudem immer noch ein - kleineres - Reifenproblem. Das Team stützt sich aber dennoch auf das Prinzip Hoffnung und die anstehende zweiwöchige Testpause.

Sauber - Hellblaue Eichhörnchen Trotz des aktuellen Formtiefs bei den Schweizern endete der 200. Grand Prix der Teamgeschichte mit einer positiven Note und den ersten beiden WM-Zählern für Felipe Massa. Jacques Villeneuve verpasste seine Punktankunft durch eine Kollision mit David Coulthard. Dennoch gibt es bei den Hinwilern bis Imola noch einiges zu tun, wenn man beim Start der Europasaison an die starken Leistungen des vergangenen Jahres anschließen und den schwachen Saisonstart 2005 vergessen machen möchte.

B·A·R - Weißer Qualm Während bei B·A·R in Australien nur die Köpfe qualmten, verrauchten in Malaysia gleich beide Motoren. In Bahrain ging es nun den Bremsen an den Kragen, welche bei beiden Fahrern ungesunde Rauchzeichen von sich gaben und Takuma Satos Rennen beendeten. Bei Jenson Button trat zudem ein Kupplungsproblem auf. Insgesamt bedeutete dies den dritten Doppelausfall im dritten Saisonrennen. Für die selbst benannten Ansprüche und Zielsetzungen der Fry-Truppe ein echtes Armutszeugnis. Das einzig Positive waren die durchaus akzeptablen Platzierungen vor den Ausfällen.

Jordan - Gelbe Flagge Nach dem Ausfall von Narain Karthikeyan endete die lupenreine Zielankunftsserie der Gelben. Mehr als der zehnte Platz von Tiago Monteiro wäre aber ohnehin nicht drin gewesen. Im Gegensatz zu British American Racing wissen die neuen Teambesitzer von Jordan/Midland allerdings die aktuelle Situation einzuschätzen: Zielankünfte in der Nähe der Top10 sind das Maximum.

Minardi - Schwarzer Abschied Beim Heimrennen in Imola soll er kommen: Der neue, angeblich radikal aussehende PS05. Vom alt gedienten PS04(B) heißt es derweil Abschied nehmen. Denn dieser feierte mit einer doppelten Zielankunft in Bahrain sein letztes Rennen. Außer Paul Stoddart kommt noch einmal auf die Idee seinen Brieffreund Max Mosley zu ärgern...

Farbenfrohe Zukunft: Der WM-Ausblick

Nach dem abwechslungsreichen Saisonstart in Downunder, der harten Hitzeschlacht von Sepang und dem packenden Wüstenrennen in Bahrain kehrt der Formel 1 Tross in drei Wochen zum Großen Preis von San Marino in Imola nach Europa zurück. Die große Frage wird dann sein, ob dann auf dem alten italienischen Kurs auch die üblichen Prozessionen und die große Langeweile zurückkehren werden?

Eines steht unterdessen schon jetzt fest, wie Fernando Alonso offen eingesteht: "Wir nehmen in drei Wochen die Favoritenrolle ein."

Aber auch Norbert Haug meldet leise Ansprüche an: "Wir sind nicht weit weg von der Spitze! Wir müssen einfach nach dem Qualifying weiter vorne stehen. Dann geht demnächst auch mehr."

Sollte dies auch - wie zu erwarten ist - für Ferrari und deren neuen F2005 gelten, dann erwartet uns in Verbindung mit Toyota und Williams ein hochinteressanter Start in die letzten 16 WM-Läufe dieses Jahres.