Dass ein Mercedes auf Pole Position steht, ist in der Formel 1 mittlerweile nichts Ungewöhnliches mehr, ganz im Gegenteil. Zum letzten Mal erzielte im Juni 2014 ein Nicht-Silberpfeil-Pilot die Pole Position, namentlich Williams-Fahrer Felipe Massa in Österreich. Lewis Hamilton stellte seinen Boliden im Qualifying von Monza auch standesgemäß auf den Platz an der Sonne, die Überraschung war allerdings Nico Rosberg, der nicht über den vierten Startplatz hinauskam.

Der große Performance-Unterschied zwischen den beiden Silberpfeil-Piloten lag in der Tatsache begründet, dass Rosberg im dritten Freien Training am Samstagvormittag einen Motorschaden erlitt, weshalb Mercedes für das Qualifying wieder die Power Unit aus Spa einbauen musste. Unglücklicherweise für den Deutschen brachte das Team für den Italien GP einen verbesserten Motor - sieben Entwicklungs-Token wurden investiert -, in dessen Genuss somit nur Hamilton kam, was ihm einen enormen Vorteil verschaffte.

Rosberg musste mit dem alten Motor in die Qualifikation gehen, Foto: Sutton
Rosberg musste mit dem alten Motor in die Qualifikation gehen, Foto: Sutton

Wolff: Absolut voll gefahren

"Niki sagt zwar immer, der Motor hat nicht weniger Power, aber der hat so viele Wochenenden hinter sich, da ist es ganz normal, dass sie weniger Power abrufen", zeigt sich Motorsport-Magazin.com-Experte Christian Danner deshalb keineswegs überrascht, dass Rosberg hinter Hamilton zurückblieb. Allerdings fiel der Abstand zwischen dem alten und neuen Motor auffallend gering aus, Rosberg verlor nur drei Zehntel auf Hamilton.

Angesichts dessen liegt der Schluss nahe, dass Mercedes bei Hamilton absichtlich Leistung zurücknahm, um nicht ebenfalls einen Defekt zu riskieren. "Wir sind absolut voll gefahren", dementiert Motorsportchef Toto Wolff dies allerdings unmittelbar nach dem Qualifying. Wie der Österreicher verriet, trat der Defekt an Rosbergs Motor ohne jegliches Anzeichen beim Reinrollen an die Box auf. "Es ist ein Problem, das wir erst erkennen müssen. Es könnte auch bei Hamilton passieren, wir sind ein wenig im Ungewissen."

Christian Danner hegt trotz Wolffs Dementi aber sehr wohl den Verdacht, dass Mercedes nicht alle Karten aufgedeckt hat. "Ich glaube, dass dieser Motor geht wie ein Höllenhammer und im Qualifying noch wesentlich schneller gegangen wäre, wenn sie das machen, was sie normal machen. Aber nach dem Motorproblem bei Rosberg haben sie dem Hamilton garantiert die Leistung wieder zurückgedreht", ist Danner fester Überzeugung.

Die Stimmung in Monza soll Vettel und Räikkönen beflügeln, Foto: Sutton
Die Stimmung in Monza soll Vettel und Räikkönen beflügeln, Foto: Sutton

Mythos Monza beflügelt Ferrari

Profiteur der Mercedes-Motoren-Misere war Ferrari, das sich in Person von Kimi Räikkönen und Sebastian Vettel die Startplätze zwei und drei sicherte. "Der Ferrari hat zwar, das sieht man am alten Rosberg-Motor, aufgeholt und ist jetzt so gut wie der alte Mercedes-Motor. Das ist toll und klasse, aber wenn Mercedes wieder mit der im neuen Motor verfügbaren Maximalleistung fahren kann, sind sie wieder weiter weg", ordnete Danner das Kräfteverhältnis zwischen Rot und Silber ein.

Trotzdem traut Danner der Scuderia im Rennen einiges zu - dank des Mythos Monza. "Ferrari wird morgen sicher angreifen", ist er überzeugt. "Bei jedem britischen Team existiert so etwas wie ein Heimrennen nicht. Aber bei einem italienischen Team schalten sich die Emotionen ein. Ein italienisches Team wird von den Emotionen geleitet", glaubt der Ex-Pilot an ein Phänomen, das man beim Fußball als den zwölften Mann bezeichnet.

Sollte es Räikkönen oder Vettel tatsächlich gelingen, Mercedes zu schlagen, wäre es der erste Ferrari-Sieg seit Fernando Alonso 2010 im königlichen Park. "Hier sind so viele Fans, die stehen zu hunderten da draußen und warten auf Fotos und Autogramme, selbst ich werde hier angesprochen und muss zig Autogramme schreiben", ist Danner von der Stimmung in Monza hellauf begeistert. "Diesen Fans wollen die Italiener etwas bieten. Deshalb werden sie morgen angreifen und etwas riskieren."