Vor dem Italien GP sind die Reifen das große Thema. Pirelli hat bereits am frühen Donnerstagnachmittag in einer Pressemitteilung die Ergebnisse der Analysen veröffentlicht. Demnach hätte es kein strukturelles Problem gegeben. Karbonteile auf der Strecke hätten Schnitte in den Reifen verursachte, die letztendlich zu den Defekten geführt hätten.

Trotzdem verschärft der italienische Reifenhersteller vor Monza die Vorgaben bezüglich Reifendruck und Sturz. Schon seit dem Reifendebakel 2013 gab es Grenzwerte bezüglich Sturz und Druck von Pirelli, an die sich die Teams halten mussten. Für das kommende Wochenende werden die Werte deutlich angepasst.

Zunächst sollte der Luftdruck von 17 PSI auf 23 PSI angehoben werden. Das hätte einer Erhöhung von rund 35 Prozent entsprochen. In der Formel 1 sind das Welten. Entsprechend regte sich gegen diese Änderung Widerstand. Kein Teams fuhr jemals mit Reifendrücken in diesen Regionen. Zur besseren Vorstellung: 17 PSI entsprechen knapp 1,2 Bar, 23 PSI sind etwa 1,6 Bar. Bereits ein halbes Zehntel Bar kann die Balance komplett ändern.

Rosberg und Hamilton warnen vor extremen Werten

"Man muss sehr vorsichtig sein, wenn man in Bereiche kommt, in denen man noch nie war, vielleicht hilft das dann einer Sache, aber wer weiß, was dann für andere Sachen kommen", warnt Nico Rosberg. Teamkollege Lewis Hamilton wurde angesichts dieser Zahlen sogar noch deutlicher: "Ich glaube nicht, dass es richtig ist, den Druck so nach oben zu korrigieren, aber sie werden es sowieso machen."

Auch Hamilton störte die zunächst veranschlagte Höhe: "Ich glaube nicht, dass irgenjemand von uns schon einmal 5 PSI mehr ausprobiert hat, denn sie [die Reifen] sind nicht dafür designt, um mit 5 PSI mehr zu fahren. Sie arbeiten innerhalb eines Fensters. Wir bewegen uns außerhalb des Arbeitsfensters des Reifens, dadurch benutzen wir einen anderen Teil des Reifens. Das bedeutet mehr Verschleiß bei weniger Grip. Das wird ein Desaster. Deshalb hoffe ich, dass es nicht 5 PSI mehr werden. Ein bisschen wäre okay."

Pirelli reagierte auf die Kritik von Piloten und Teams und passte die Werte abermals an. Allerdings nur sehr geringfügig. Die Italiener verringerten ihre Vorgaben lediglich um einen PSI. Somit sind die Grenzwerte noch immer deutlich über den normalen Werten, welche die Teams eigentlich fahren würden.

Änderungen am Setup durch neue Pirelli-Vorgaben

Mehr Luftdruck bedeutet eine geringfügig andere Kontaktfläche des Reifens mit dem Asphalt. Wichtiger aber als die Kontaktfläche ist hier die Arbeit der Reifenflanken. Bei niedrigen Luftdrücken arbeitet die Reifenflanke deutlich mehr, was die Struktur der Pneus stark beansprucht.

Das Setup muss wegen der Reifen angepasst werden, Foto: Sutton
Das Setup muss wegen der Reifen angepasst werden, Foto: Sutton

Durch den eingeschränkten Sturz will Pirelli verhindern, dass der Reifen auf den Geraden mehr Auflagefläche hat. Die Teams präferieren stärkeren Sturz, damit der Reifen bei der Kurvenfahrt mehr Bodenkontakt hat. Dadurch werden die Schultern aber bei der Geradeausfahrt deutlich stärker belastet.

Die Teams werden mit Änderungen am mechanischen Setup auf die neuen Grenzwerte reagieren. Vor allem auf den Reifendruck müssen die Teams mit einer weicheren Aufhängung reagieren. Beim Überfahren der Randsteine - in Monza wichtiger als auf vielen anderen Strecken - darf der Reifen nicht zu stark 'springen'.

FOM: Rückendeckung für Pirelli

Nach der harten Kritik an Pirelli schaltet sich nun auch die FOM ein. Der kommerzielle Rechteinhaber wirbt in einem Statement um Verständnis für den Reifenhersteller, schließlich wäre es ihr der ausdrückliche Wunsch gewesen, dass Pirelli stark abbauende Reifen entwickelt. "Sie liefern diese Reifen und geben den Teilnehmer strenge Richtlinien über alle Performance-Einschränkungen ihrer Reifen", so das Formula One Management auf der offiziellen Website der Formel 1.

"Die Teilnehmer sollten auf Pirellis Expertenrat hören, wenn sie ihre Rennstrategie und Taktik auslegen. Wenn sie das nicht machen, ist es ihr eigenes Risiko", heißt es weiter im Statement. Ein klarer Seitenhieb Richtung Ferrari. Vettel fuhr 27 Runden auf dem Medium-Reifen, ehe der rechte Hinterreifen nach Eau Rouge platzte. Vettel behauptete anschließend, Pirelli hätte gesagt, man könne 40 Runden mit einem Satz fahren. Der Reifenhersteller dementierte dies später, gesagt zu haben.

"Pirelli war in den letzten fünf Saisons ein erstklassiger Partner für die Formel 1", heißt es in dem Statement. "Wir haben weiterhin vollstes Vertrauen in Sicherheit, Qualität und Haltbarkeit ihrer Reifen." Entsprechend zufrieden zeige man sich auch mit der Aufarbeitung der Reifenschäden.

Noch einmal betont der Rechteinhaber, dass die aktuelle Reifenphilosophie nicht auf Pirelli zurückzuführen ist: "Pirelli hat angeboten, jedem Auto einen einzigen Satz Reifen zu liefern, der das ganze Event halten würde. Wir wissen, dass sie das schaffen würden, aber ein Rennen ohne Boxenstopps wäre weniger aufregend. Danke Pirelli dafür, dass ihr uns dabei helft, den Formel-1-Fans Spannung zu liefern!"

Der Leidensweg von Pirelli in der Formel 1

23. Juni 2010: Das am schlechtesten gehütete Geheimnis der Formel 1 wird offiziell bestätigt: Pirelli wird ab 2011 neuer Einheitsreifenlieferant. "Die Zielvorgaben der Veranstalter und der Rennställe waren klar: Entwickelt spezielle Reifen, die dazu beitragen, eine der größten Sportshows der Welt noch spannender zu machen", teilt Pirelli mit.

Pirelli-Motorsportdirektor Paul Hembery freut sich über den Einstieg in die Formel 1, Foto: Pirelli
Pirelli-Motorsportdirektor Paul Hembery freut sich über den Einstieg in die Formel 1, Foto: Pirelli

25. Juni 2010: Christian Horner begrüßt die Entscheidung der FIA für den italienischen Reifenhersteller. "Es besteht mit Pirelli die Möglichkeit, etwas anderes zu machen, damit die Rennen so spannend werden wie in Montreal. Für mich war es ein faszinierendes Rennen." Selbst Pirelli-Präsident Marco Tronchetti Provera scherzt auf der offiziellen Pressekonferenz: "Ich hoffe, dass nächstes Jahr alle Rennen mit unseren Reifen so spannend werden wie Montreal!" [Zwei Jahre später ist Pirelli der Humor vergangen.]

17. Januar 2011: Die Vorgabe ist klar: Pirelli soll den Spannungsfaktor der Rennen erhöhen. "Ab sofort wollen wir in jedem Rennen mindestens zwei Boxenstopps sehen", sagt Hembery. Für den Reifenhersteller steht fest, dass man die Langlebigkeit der Reifen minimieren muss, um die Vorgabe zu erfüllen.

05. Februar 2011: Die ersten Testfahrten mit den neuen Reifen sind zu Ende und die Fahrer wenig glücklich. "Die Reifen bauen sehr stark ab und sind nicht sehr konstant", bilanziert Fernando Alonso. Michael Schumacher kritisiert: "Es war wie auf Eis." Pirelli lässt die Kritik der Fahrer kalt, der Reifenhersteller sieht auf seiner Seite keinen Handlungsbedarf.

Die ersten Testfahrten mit den neuen Reifen finden in Jerez statt, Foto: Pirelli
Die ersten Testfahrten mit den neuen Reifen finden in Jerez statt, Foto: Pirelli

02. März 2011: Die Kritik verstummt nicht. "Das Problem ist, dass sie zu schnell abbauen", meldet sich Sebastian Vettel lautstark zu Wort. "Nach 16 oder 17 Runden zerfallen sie." Vettel befürchtet, dass die Reifen die Rennen zu einer Lotterie machen. "Es ist, als ob es beim Fußball jede halbe Stunde einen Elfmeter geben würde. Real Madrid und der FC Barcelona wären darüber nicht glücklich", meinte Alonso. Erstmals schlägt Pirelli medial zurück: "Der erhöhte Reifenabbau ist ein Feature, das speziell von den Teams und Organisatoren verlangt wurde, um die Show zu verbessern."

21. März 2011: Nach der Ankündigung im Winter, weniger haltbare Reifen zu bauen, um mehr Fahrfehler und Überholmanöver zu fördern, gibt Hembery die Richtung für den Saisonauftakt vor: "In Australien peilen wir zwei bis drei Stopps an. Auch wenn es in gewissen Punkten unserer Firmen-DNA widerspricht, weil unsere Straßenreifen auf maximale Haltbarkeit konstruiert sind."

25. März 2011: Nach dem Australien GP gehen die Piloten auf Schmusekurs. Schumacher räumte ein: "Die Reifen haben heute richtig gut gearbeitet. Es war sehr angenehm, die Pirelli-Reifen zu fahren." Doch viele Medienvertreter fragen sich, wie lange der Frieden wohl anhält [und sie sollten Recht behalten].

Start zum Australien GP 2011, dem ersten Rennen mit Pirelli-Reifen, Foto: Pirelli
Start zum Australien GP 2011, dem ersten Rennen mit Pirelli-Reifen, Foto: Pirelli

14. April 2011: Nach dem Malaysia GP keimt erneut Kritik auf. Dieses Mal entflammen die sogenannten Marbles oder Reifenfetzen, die sich von den Pneus ablösen, hitzige Diskussionen unter den Fahrern. "Das war heftig. Man musste echt aufpassen, dass man nicht von der Ideallinie weicht, sogar auf der Geraden", klagt Nico Rosberg. "Ich war im Kampf mit Paul di Resta auf der Geraden und es war so, dass ich voll über die Marbles hätte fahren müssen. Da habe ich entschieden, dass ich mich hinten einreihe." Hembery schüttelt die Äußerungen der Piloten ab: "Man kann kein Omelette zubereiten, ohne dafür Eier aufzuschlagen - oder, im Falle Malaysias, eben Gummi."

19. Mai 2011: Christian Horner zeigt sich von den Pirelli-Reifen und den Veränderungen im Rennen begeistert. "Die Reifen haben die Dynamik des Rennens verändert - mehr als KERS oder DRS. Die Rennen sind intensiver, man muss in Sachen Strategie flexibel sein und verstehen, was die Konkurrenz macht." Durch die zahlreichen Boxenstopps wie in der Türkei sei die Formel 1 viel mehr zu einem Teamsport geworden. "Die Jungs in der Box sind viel mehr involviert als in den vergangenen Jahren. Ich denke, dass diese Veränderungen gut sind und die Rennen für die Zuseher spannender machen."

25. Januar 2012: Das Risiko von Pirelli zahlte sich aus. Ein Jahr nach der Rückkehr in die F1 stehen die Italiener als große Gewinner da. Bei der Entwicklung für 2012 geht Pirelli daher noch einen Schritt aggressiver vor, um sicherzustellen, dass die Fans eine noch bessere Show erleben.

22. April 2012: Der Bahrain GP ruft erneut Pirelli-Kritiker Michael Schumacher auf den Plan: "Wir fahren teilweise mit 60 bis 70 Prozent durch die Kurve sonst fliegen die Reifen nach wenigen Runden von der Felge. Das finde ich nicht ganz so passend. Man sollte sich die Frage stellen, ob die Reifen eine solche Rolle spielen sollten." Hembery platzt angesichts der Kritik der Kragen: "Am Ende des vergangenen Jahres ernteten wir harsche Kritik für unsere konservative Reifenwahl und die langweiligen Rennen. Entscheidet euch mal. Wir tun, wonach gefragt wird." Niki Lauda stellt sich im Gespräch mit Motorsport-Magazin.comauf die Seite der Italiener: "Die Ingenieure und Fahrer müssen aus den vorhandenen Reifen das Beste herausholen. Wer das am besten macht, steht am Ende auch oben. Das ist für alle das Gleiche."

Michael Schumacher zählt 2012 zu den Kritikern Pirellis, Foto: Mercedes AMG
Michael Schumacher zählt 2012 zu den Kritikern Pirellis, Foto: Mercedes AMG

23. Mai 2012: Noch immer sorgen die Reifen für Diskussionen am laufenden Band. In Spanien hat Vettel dank der Pneus viel Spaß. "Ich bin hier in Barcelona mal 60 Runden hinter Felipe Massa hergefahren und konnte ihn nicht überholen. Heute ist das anders. Die Reifen bauen schneller ab, dann fängt das Auto an zu rutschen - das eine mehr, das andere weniger und irgendwann kommt der Zeitpunkt, an dem man vorbeikommt."

18. Oktober 2012: Die Teams rudern zurück und räumen ein, dass sie zu Beginn der Saison die Herausforderung der Pirelli-Pneus unterschätzt haben. "Die Mischungen waren im Vergleich zu jenen von 2011 eine große Überraschung. Die Daten, die wir hatten, ließen diesen Schluss vor der Saison nicht zu, aber das hat für spannende Rennen gesorgt", sagt Mark Gillan.

14. Dezember 2012: McLaren hofft, dass Pirelli bei den Reifen für 2013 keinen allzu konservativen Weg einschlägt. "Die Rennen waren durch die Unvorhersehbarkeit der Reifen viel besser", erklärt Sam Michael. "Das bedeutet nicht, dass die Ergebnisse unfair waren, sondern nur, dass jene Teams vorne waren, die die Reifen am besten verstanden haben und am besten mit ihnen umgegangen sind."

09. Januar 2013: Pirelli will über 2013 hinaus in der Formel 1 bleiben und verhandelt über einen neuen Vertrag. Bis zum Februar hofft der Hersteller, alles unter Dach und Fach zu haben - ein Irrtum.

Pirelli fühlt sich oftmals alleingelassen, Foto: Sutton
Pirelli fühlt sich oftmals alleingelassen, Foto: Sutton

21. Februar 2013: Die jüngste Generation der Pirelli-Reifen wird bei den Testfahrten in Barcelona mehr und mehr zum Krisen-Thema. "Wenn man auf einem Long-Run hinter ein paar anderen Jungs hinterherfuhr, war es so, als ob sie mit Gummigeschossen auf mich schießen würden", kritisierte Daniel Ricciardo.

23. März 2013: Die Kritik an Pirelli wächst. Hembery erklärt gegenüber Motorsport-Magazin.com: "Es ist doch so: Wenn wir einen konservativen Reifen bauen, steht schon lange fest, wer die Weltmeisterschaft gewinnen wird. Wenn die Fans das wollen, sollten sie vorsichtig sein, was sie sich wünschen. Wir hatten in der Vergangenheit schon eine Saison ohne Reifenwechsel und die Zuschauerzahlen sanken. Danach mussten wir mit DRS, KERS und den Reifen Neuerungen einführen, um die Rennen wieder spannender zu machen. Natürlich können wir auch zufällige Regenschauer und Safety Cars einführen. In Amerika gibt es so etwas. Dann können wir Sprinkleranlagen installieren, wie sie Bernie einmal vorgeschlagen hat."

09. April 2013: Pirelli erhält Rückendeckung von Alexander Wurz: "Es sind Einheitsreifen, jeder hat die gleiche Anzahl an Tests, gleich viel Zeit, sich darauf einzustellen. Die Teams müssen einfach cleverer als die Konkurrenz sein, um einen Vorteil zu finden. Es ist eine Chance, keine Bestrafung."

19. April 2013: Die Uhr beginnt zu ticken... Pirelli pocht auf eine Vertragsentscheidung. "Wir können und wollen nicht ewig warten. So langsam sollten sich die Teams entscheiden, was sie wollen", betont Hembery.

10. Mai 2013: Schwarz, rund und in aller Munde. Das ist die Reifengeneration des Jahres 2013 - und sie sind die perfekten schwarzen Schafe. "Die Reifen sind immer schuld, das ist der neue Tenor in der Formel 1", sagt Marc Surer Motorsport-Magazin.com. Christian Danner fügt hinzu: "Jeder, der nicht gewinnt, schiebt das auf einen schwarzen Peter ab." Rückendeckung eilt auch in Form von Ralf Schumacher heran. "Man hat von Pirelli etwas erwartet, das schwer zu erfüllen ist - einen Reifen zu machen, der kaputtgeht, aber kontrolliert kaputt geht."

Solche Bilder sind keine gute Werbung für Pirelli, Foto: Sutton
Solche Bilder sind keine gute Werbung für Pirelli, Foto: Sutton

25. Mai 2013: Die Schlinge um Pirelli zieht sich zu. Mercedes spult in Zeiten des Testverbots zwischen dem Spanien GP und dem Monaco GP auf dem Circuit de Catalunya 1.000 Testkilometer ab - im Auftrag von Pirelli. Die Konkurrenz geht auf die Barrikaden. "Wir sind davon überzeugt, dass das Reglement schwarz und weiß ist. Es ist sehr klar definiert, was man machen darf und was nicht", stellt Christian Horner klar.

8. Juni 2013: Pirelli kommt nicht aus der Schusslinie. "Ich wünschte, wir würden über Racing reden. Ich bin ein Race-Fan", behält Hembery die Ruhe, während die Medien ungewöhnliche Vergleiche ziehen. So sei die aktuelle Formel 1 für die Piloten wie wenn Usain Bolt den 100-Meter-Sprint auf high Heels laufen müsste. Hemberys knappe Antwort: "Eigentlich ist es doch so, dass sich der Wettbewerb nicht ändert, wenn jeder in High Heels laufen muss."

21. Juni 2013: Mercedes und Pirelli müssen sich wegen des Barcelona-Tests vor dem Internationalen Tribunal verantworten. Der Ausgang nach zweitätigen Verhandlungen: Mercedes kassiert eine Rüge aus und darf nicht am folgenden Young Driver Test teilnehmen. Pirelli weist jegliche Schuld von sich und kommt mit einer Rüge davon.

30. Juni 2013: Der Großbritannien Grand Prix geht als das Reifen-Massaker von Silverstone in die Geschichte ein. Bei Lewis Hamilton, Felipe Massa, Jean-Eric Vergne und Sergio Perez kam es während des Rennens zu Reifenschäden. Der Beginn einer schier endlosen Sicherheitsdebatte in der Formel 1 rund um den Reifenlieferanten.

In Silverstone eskaliert die Reifendebatte. Pirelli reagiert, Foto: Sutton
In Silverstone eskaliert die Reifendebatte. Pirelli reagiert, Foto: Sutton

04. Juli 2013: Der Freitag vor dem Großen Preis von Deutschland. Spät abends tagten die Formel-1-Piloten und drohten mit einem Renn-Boykott, sofern es am Rennwochenende zu weiteren Reifenschäden kommen sollte.

05. Juli 2013: Allerdings traten am Nürburgring keine weiteren Schäden an den Reifen auf. Pirelli hatte in aller Eile vorgesorgt und für das Deutschland-Wochenende die eigenen Produkte überarbeitet. Die Hinterreifen wurden mit der aus 2012 bekannten Kevlar-Karkasse statt dem Stahlgürtel ausgestattet. Der Plan ging auf, in der Eifel blieb es ruhig.

28. Juli 2013: Zum Großen Preis von Ungarn legt Pirelli noch einmal Hand an die Reifen und verändert die Konstruktionen im Vergleich zum Rennen am Nürburgring. Die neuen Slicks kombinieren die Struktur der Reifengeneration aus 2012 mit den aktuellen, softeren Gummimischungen der Saison 2013.

23. August: Für Pirelli kam es am Freitag vor dem Rennen in Spa knüppeldick. Im 2. Training humpelten erst Sebastian Vettel und anschließend auch noch Fernando Alonso mit Reifenschäden an die Box. Nach all der Kritik machte sich Pirelli an schnelle Aufklärungsarbeit und fand nach einer Streckenbegehung den Grund für die Schäden: Ein Metallteil auf der Strecke hatte die Reifen aufgeschlitzt.

06. Oktober 2013: Aufruhr in Korea! Sergio Perez' Reifen explodiert während seines zweiten Stints im Rennen, der Gummi schält sich förmlich von der Lauffläche ab. Pirelli reicht es: Der Reifenhersteller gibt dem Mexikaner die Schuld, er habe sich verbremst und dadurch ein Loch im Reifen verursacht. Es sollte die vorerst letzte Reifen-Debatte der Saison 2013 folgen.

Der nächste Reifenschaden. Diesmal trifft es Sergio Perez, Foto: Sutton
Der nächste Reifenschaden. Diesmal trifft es Sergio Perez, Foto: Sutton

09. Dezember 2013: FIA Comission und F1 Strategy Group geben neue Regeln für die Saison 2014 bekannt und sprechen Pirelli einen Reifen-Test in Bahrain zu. Aktuelle Autos kommen zum Einsatz. Aber: Wegen der Kürze der Zeit entscheiden sich lediglich Red Bull, Ferrari, Mercedes und Toro Rosso dazu, am Test teilzunehmen.

19. Dezember 2013: Letzter Tag der geheimen Reifen-Tests in Bahrain. Dann das Unglück: Nico Rosberg platzt bei 320 km/h der Reifen und der Mercedes-Pilot teilt dies unverblümt via Twitter mit. Pirelli sieht sich offenbar gezwungen, mittels einer Pressemitteilung Stellung zu beziehen und versichert, dass es 2014 keine Probleme mit den Reifen geben wird.

2014: In der Tat sollte es 2014 ruhig um Pirelli werden, stattdessen gerieten die Motorenhersteller - allen voran Renault - unter dem neuen Reglement in den Fokus der Kritik. "Jede Saison hat ein fortlaufendes Thema. Im vergangenen Jahr hat es uns erwischt. Die einen sagen berechtigt, die anderen unberechtigt. Wenn man in diesem Sport aktiv und sichtbar dabei sein möchte, muss man das manchmal einfach akzeptieren", sagte Pirelli-Motorsportdirektor Paul Hembery im Interview mit Motorsport-Magazin.com.

Dass es Pirelli 2013 relativ schnell gelang, auf die Schäden zu reagieren, sei essentiell für die Zukunft des Reifenherstellers in der Formel 1 gewesen, so Hembery. "Wir mussten Änderungen vornehmen, haben das gemacht und genau das wollen die Leute sehen - Reaktionen. Wenn jedes Rennen so verlaufen wäre, hätte es ganz anders ausgesehen. Aber so war es ja nicht. Wir haben die Reifen und die Nutzung dieser verändert."

Schlagzeilen macht Pirelli bei den Testfahrten Anfang Juli, als Lotus-Pilot Charles Pic einige Runden mit 18-Zoll-Reifen dreht. Normalerweise kommen in der Formel 1 lediglich Pneus mit einem Maß von 13 Zoll zum Einsatz.

Pirelli erprobt 18-Zoll-Reifen, Foto: Sutton
Pirelli erprobt 18-Zoll-Reifen, Foto: Sutton

29. Januar 2015: Pirelli stellt die Reifen für die Saison 2015 vor. Während drei Mischungen unverändert bleiben, erhalten die superweichen Reifen eine neue Konstruktion und Mischung.

23. März 2015: Der chinesische Konzern ChemChina übernimmt Pirelli, was allerdings keine Auswirkungen auf die Motorsportaktivitäten haben soll. "Für uns ist es ein normales Geschäft. Motorsport bleibt für Pirelli entscheidend", erklärt Hembery.

13. Mai 2015: Michelin erklärt, an einer Rückkehr in die Formel 1 interessiert zu sein. Die Franzosen waren 2006 nach dem Reifenkrieg mit Bridgestone aus der Königsklasse ausgestiegen.

24. Mai 2015: Pirelli gibt bekannt, sich an der Ausschreibung der FIA für den Reifenausrüster der Formel 1 in den Jahren 2017 bis 2019 zu bewerben. Die Italiener wollen den Teams alle Wünsche erfüllen. Wenig später bekennt sich auch Michelin zur Formel 1. Einen Reifenkrieg schließt die FIA allerdings aus, es wird lediglich ein Hersteller den Zuschlag erhalten.

21. August: Nico Rosberg platzt im Training zum Belgien GP bei Tempo 300 der rechte Hinterreifen. Einen Tag später bestätigt Pirelli, dass der Defekt durch kein strukturelles Problem hervorgerufen wurde, sondern der Mercedes-Pilot vermutlich über ein Trümmerteil gefahren ist.

23. August: Der nächste Reifenschaden bei Vollgas: Sebastian Vettel platzt in Spa ebenfalls der rechte Hinterreifen. Der Ferrari-Pilot setzte auf eine Ein-Stopp-Strategie und war mit seinem Reifensatz bereits 27 Runden unterwegs. Vettel bezeichnet die Qualität der Reifen daraufhin als "miserabel". Pirelli kontert, der Ferrari-Pilot sei zu lange gefahren und habe dadurch die Lebensdauer des Pneus überschritten.

Sebastian Vettel erleidet in Spa bei Vollgas einen Reifenschaden, Foto: Sutton
Sebastian Vettel erleidet in Spa bei Vollgas einen Reifenschaden, Foto: Sutton

24. August: Pirelli geht nach Vettels Kritik in die Offensive und gibt in einer Pressemitteilung bekannt, dass im November 2013 der Antrag, die Rundenanzahl pro Reifen zu limitieren, abgelehnt wurde. Pirelli wollte damals erwirken, dass nicht mehr als 50% beziehungsweise 30% der Renndistanz mit einem Satz der Prime respektive Option-Reifen gefahren werden darf.