Durch die Wüste – einer der bekanntesten Abenteuerromane von Karl May könnte als Motto dienen für das zweite Gastspiel der Formel 1 auf der Arabischen Halbinsel. Der Bahrain International Circuit bei Sakhir, der 2004 im Grand Prix-Kalender debütierte, liegt in der Tat mitten in einer Dünen-Einöde 30 Kilometer von der Hauptstadt Manama entfernt.

Nicht Wenige erinnerten die Fernsehbilder aus der Renn-Oase im vergangenen Jahr an ein Videospiel mit ausgeschalteten Umgebungsdetails. Entsprechend 'wohl' dürften sich die Neulinge hier fühlen, welche sich wie Jacques Villeneuve mit einem Computerspiel auf den neuen Kurs vorbereiteten.

Der Grand Prix von Bahrain wird vermutlich ein weiteres Hitzerennen werden – wenn auch nicht vergleichbar mit der brütenden feuchten Tropenhitze von Malaysia. Die Strecke weist verschiedene interessante Herausforderungen auf: Die vier langen Geraden bieten Überholmöglichkeiten, und die schnellen Kurvenkombinationen an der Rückseite des Fahrerlagers stellen Balance und Setup nachdrücklich auf die Probe.

Zugleich fordert der BIC auch die Triebwerke und Bremsen überdurchschnittlich stark, weil eine Reihe von langsamen Kurven harte Brems- und Beschleunigungsmanöver erfordert. Eine weitere Besonderheit: Beim Start wird es ein interessantes Beschleunigungsduell entlang der langen Startgeraden geben, bevor sich die 20 Autos ins Nadelöhr der ersten Rechtskurve einfädeln.

Formel 1 wie in 1001 Nacht

Was der Aachener Starstreckenarchitekten Hermann Tilke und sein Auftraggeber, Scheich Hamad Ibn Isa Al-Khalifa hier in den Sand gesetzt haben, kann sich mehr als nur sehen lasen: Für 150 Millionen Dollar errichtete der kleine Inselstaat auf 170 Hektar Baugebiet eine großzügige und hochmoderne Grand Prix-Rennstrecke auf allerhöchstem Niveau.

Da die Raumplanung in Bahrain nicht besonders restriktiv gehandhabt wird, konnten sich die Bauherren das beste Fleckchen Wüste aussuchen. Die Wahl fiel auf das im Süden des Kleinstaats gelegene Sakhir. Erst Ende 2002 setzte Formel 1-Supremo Bernie Ecclestone seine Unterschrift unter den begehrten Grand Prix-Vertrag. Nur 18 Monate später begrüßten die Scheichs den "schnellsten Zirkus der Welt" auf einer prächtigen Anlage, als deren Wahrzeichen der sich nach unten verjüngende "Sakhir-Tower" neun Geschosse hoch aus der Wüstenszenerie herausragt.

Insgesamt wurden 70.000 Kubikmeter Beton und 8.500 Tonnen Stahl verbaut und werden rund 82.000 Reifen und 5.000 Meter FIA-Zaun zur Streckensicherung verwendet.

Zuschauertribünen, Garagenkomplex und VIP-Lounges sowie die Gebäude für die Rennleitung tragen Dachaufsätze, die an die typischen Zelte der Wüstenvölker erinnern. Der Bereich von Fahrerlager und Boxen stellt dabei so etwas wie die Oase dar, in die die Piloten nach ihrer Runde durch die sandige Ebene immer wieder zurückkehren.

"Das Gebiet rund um die Haupttribüne wird wie eine Oase bepflanzt werden. Man kann in die Wüste gehen und dann wieder zurück in die Oase," schwärmt der Architekt selbst von der 70.000 Zuschauer fassenden Streckenanlage. "Aus Sicht der Fahrer haben wir viele Höhenwechsel. Teile der Strecke sind auch hinter dem Hügel und wir haben einige schöne Anstiege um die Strecke spannender zu machen."

Die Strecke besteht vor allem aus vier Geraden – darunter die sehr lange Start-Ziel-Passage – und drei Hochgeschwindigkeitskurven. Sie verbindet eine Abfolge langsamer und mittelschneller Kurven, die ein hohes Abtriebsniveau erfordern. Dies wiederum sollte das Überholen auf der Geraden erleichtern. Von den drei guten Überholmöglichkeiten, bietet sich vor allem die Bremszone am Ende der schnellen Zielgeraden an. Die Streckencharakteristik bevorteilt mehr als anderswo Boliden mit einer hohen aerodynamischen Effizienz. Um hier schnell zu sein, müssen die Teams ein Setup finden, mit dem ihr Auto trotz hohem Abtrieb möglichst wenig Höchstgeschwindigkeit einbüßt, oder aber so viel Top-Speed produziert, dass es den Zeitverlust im Infield wettmacht.

Auf 1,7 Quadratkilometern Fläche errichteten die Bahrainis aber nicht nur einen modernen Rennkurs, welcher in sechs verschiedenen Streckenvarianten zwischen 1,2 und 5,411 Kilometern befahren werden kann, sondern auch eine riesige Haupttribüne mit 10.000 Zuschauern Fassungsvermögen, einen neunstöckigen VIP-Tower, ein Technikzentrum, ein Medical Centre sowie großzügig dimensionierte Boxengassen- und Medienbereiche.

Die maximale Steigung beträgt 3,6 Prozent, das maximale Gefälle 5,6 Prozent. Der Kurs hat 15 Kurven (sechs Links-, neun Rechtskurven) und die Start- und Zielgerade ist 1.090 Meter lang.

Die Streckengeschichte

Schon vor dem ersten Großen Preis im Mittleren Osten gastierte die F1Welt einmal in der Wüste – und ihr Vorkriegs-Pendant war geradezu Dauergast. Und stets waren es die großen Namen, die am Ende in den Siegerlisten ganz oben standen. Zwischen 1925 und 1940 fanden in der libanesischen Hafenstadt Tripoli 14 Große Preise statt – mit Rundenlängen von 71 (!), 26 und zuletzt 13 Kilometern. Nach Größen wie Tazio Nuvolari (1928 auf Bugatti 35 C) und Achille Varzi (1933 auf Bugatti 51 und 1934 auf Alfa Romeo B) siegten in der Folge die Silberpfeil-Heroen der 1934 eingeführten "750-Kilogramm-Formel": 1935 gewann Rudolf Caracciola auf Mercedes-Benz W25, 1936 Achille Varzi mit dem Auto Union C, 1937 und 1938 Hermann Lang auf Mercedes-Benz W125 bzw. W154. Die letzte Ausgabe 1940 sah mit Nino Farina im Alfa Romeo 158 (der späteren Alfetta) sogar noch einen Sieger, der die "moderne" Formel 1 mit prägen sollte. Auch bei den sieben Grands Prix von Tunesien in Tunis und den drei Läufen in Algerien siegten diese Titanen.

Die heutige Formel 1 sah den Himmel über der Wüste im Jahr 1958. Auf dem schnellen 7,6-Kilometer-Rundkurs von Ain-Diab bei Casablanca gewann Mike Hawthorne mit einem zweiten Platz den Weltmeistertitel. Sein britischer Landsmann Stirling Moss musste sich trotz Sieg und Extrapunkt für die schnellste Runde um einen Zähler geschlagen geben.

Die moderne Formel 1 gastiert nach 2004 in dieser Saison zum zweiten Mal im Wüstenstaat Bahrain. Die Rennstrecke gehört zum Stadtgebiet von Sakhir südlich der Hauptstadt Manama.

Das sagen die Experten über Bahrain

Der Fahrer - Felipe Massa: "Bahrain ist etwas kühler und die Luftfeuchtigkeit ist geringer als in Sepang. Aus dieser Sicht war dieses Rennen im vergangenen Jahr daher mit den anderen Grands Prix vergleichbar. Es ist eine gute Strecke mit einigen schnellen, aber auch mit vielen langsamen und mittelschnellen Kurven. Daher müssen wir den maximalen Anpressdruck nutzen. Ich fahre gern dort, denn an einigen Stellen bieten sich gute Überholmöglichkeiten. Das ist zwar nicht einfach, aber durchaus möglich, besonders wenn man aus dem Windschatten kommt."

Der Techniker - Sam Michael: "Wegen der geringen Niederschläge ist die Umgebung der Strecke sehr staubig. Das hat vor allem bei Wind Einfluss auf das Grip-Niveau. Der Kurs ist großartig und stellt schöne Ansprüche an die Ingenieure. Die lange Boxengerade bietet Überholmöglichkeiten."

Der Motorenmann - Mario Theissen: "Je nach Witterung kann für den Motor Schutz vor feinem Wüstensand erforderlich sein. Wir haben, vereinfacht gesagt, einen feineren Luftfilter aus dichterem Gewebe parat. Die Kunst ist: So viel Schutz wie nötig zu erzeugen, die Ansaugluft aber so wenig wie möglich zu drosseln."