Schon vor der Einführung der Power Units im vergangenen Jahr redeten viele die Formel 1 in eine Krise. Spätestens seitdem das Saugerheulen des V8 dem leisen Hybridzischen gewichen ist, scheint es, als gäbe es kein anderes Thema mehr. Besonders Bernie Ecclestone lässt keine Gelegenheit aus, sein eigenes Produkt schlecht zu reden.

"Ich glaube, er hat einen bemerkenswerten Job gemacht, aber die Zeit ist nicht spurlos an ihm vorübergegangen und er sollte gehen", forderte deshalb Eddie Jordan in einem BBC-Interview. Doch längst nicht alle stimmen mit dem ehemaligen Teamchef überein.

Gerhard Berger beispielsweise fordert genau das Gegenteil: "Ich glaube schon, dass jetzt die beiden Top-Leute - und das sind ganze klar auf FIA-Seite Jean Todt und auf FOM-Seite Bernie Ecclestone - jetzt gefordert sind, gemeinsam zu sagen: Was braucht es, was braucht der Fan und was kann man machen, damit es wieder spektakulärer wird."

Bernie Ecclestone will, kann aber nicht. Das Problem des Formel-1-Zampanos lautet: Strategiegruppe. "Es ist zu demokratisch", so Ecclestone. Wenn die Teams nicht so wollen, wie Ecclestone, bleibt zumindest noch die FIA. Allerdings funktioniert das Zweigespannt mit FIA-Präsident Jean Todt nicht so wie zuvor mit Max Mosley.

"Das Problem ist, dass Jean [Todt] bei manchen Dingen nicht mitmacht", klagte Ecclestone unlängst gegenüber Autosport. "Ich habe ihm gesagt: Wenn du mit etwas Sinnvollen kommst - was auch immer es ist - dann werde ich dich unterstützen. Das gleiche aber auch andersrum: Wenn wir mit etwas Vernünftigen kommen, dann solltest du es unterstützen."

So setzt sich die Strategiegruppe zusammen, Foto: adrivo Sportpresse GmbH
So setzt sich die Strategiegruppe zusammen, Foto: adrivo Sportpresse GmbH

Ecclestone alleine ist hilflos. Vorschläge für neue Regel können nur über die Strategiegruppe eingebracht werden. Alle weitere Instanzen haben lediglich ein Vetorecht. Mit sechs von 18 Stimmen kann Ecclestone in der Strategiegruppe nicht viel ausrichten. Gemeinsam mit den sechs weiteren Stimmen der FIA hingegen würde das Doppelpassspiel zwischen Ecclestone und Todt funktionieren.

"Das ist der Jammer: Es geht gar nichts weiter", klagt Berger. Ecclestone erklärt: "Es ist zur Hölle schwierig für die Konstrukteure, sich auf etwas zu einigen. Wenn man Mercedes ist, will man nichts ändern." Toto Wolff sieht das ein wenig anders. Der Österreicher ist optimistisch: "Naja, ich sitze ja drinnen, also kann es nicht so schlecht sein", scherzte er mit Motorsport-Magazin.com. "Für 2017 brauchen wir nur eine einfache Mehrheit. Es sind spektakuläre Regeländerungen und ich glaube nicht, dass es viel Gegenwind geben wird."

Den Optimismus des Österreichers teilen nicht viele. Für die kleinen Teams ist aber nicht nur entscheidend, ob Änderungen letztendlich durchgeboxt werden können, sondern auch wie. Denn sie haben in der Strategiegruppe nichts zu sagen. Mit Ferrari, Mercedes, Red Bull, Williams und McLaren sitzen nur die fünf sogenannten CCB-Teams (Constructors Championship Bonus) plus ein leistungsbezogenes Team in der Strategiegruppe.

Lotus, Toro Rosso, Manor und Sauber haben somit keine Chance, aktiv am Regelgebungsprozess teilzuhaben. Eine der entscheidenden Fragen für die Zukunft der Formel 1 lautet deshalb nicht nur, wie das Reglement in Zukunft aussehen soll, sondern vor allem, wer die Regeln macht. "Das sollten nicht die Teams sein", forderte Sauber Teamchefin Monisha Kaltenborn im Gespräch mit Motorspoprt-Magazin.com. "Wie bei anderen Sportarten sollte sie der Verband einfach vorgeben. Alles in der Hoffnung, dass es der Verband gut macht."

Regeländerungen mit Maß und Ziel

Allerdings scheint in der Formel 1 bei den meisten auch ein wenig die Einsicht gekommen zu sein, dass ständige Paradigmenwechsel auch nicht ans Ziel führen. "Es sind nicht mehr die Fragen zwischen Tür und Angel", erklärt Gerhard Berger. "Es ist so komplex, ein Reglement grundlegend abzuändern und die richtige Richtung einzuschlagen und sich sicher zu sein, dass die ganzen Konsequenzen auch in einem Jahr greifen und wir einen noch spannenderen Sport sehen. Da haben wir schon einige Schnellschüsse gemacht, die dann doch nicht so toll waren, weil sie irgendwann zu einem späteren Zeitpunkt doch nicht so aufgegangen sind, wie man geglaubt hat."

Auch Jacques Villeneuve warnte im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com davor, die Regeln komplett über den Haufen zu werden: "Hört auf, alles zu verändern. Hört auf, Wege zu erfinden, um es spannender zu machen. Es wird von alleine spannend. Sobald man aber beginnt, Dinge zu erfinden, macht man es nur uninteressanter, weil es künstlich wirkt."

Der Kanadier führ noch einen weiteren entscheidenden Punkt an: "Eine Regeländerung bewirkt zehn andere Veränderungen. Aber man sieht nur diesen einen Punkt und sagt: Oh, dadurch wird es besser! Aber was ist mit den neun anderen Aspekten, an die man nicht gedacht hat? All diese Regeländerungen bringen etwas Negatives mit sich und an dieses Negative hat nie jemand gedacht. Das ist das Hauptproblem in der Formel 1."

Motorsport-Magazin.com hat eine eigene Strategiegruppe ins Leben gerufen, Foto: Motorsport-Magazin.com
Motorsport-Magazin.com hat eine eigene Strategiegruppe ins Leben gerufen, Foto: Motorsport-Magazin.com

Um für mehr Gerechtigkeit zu sorgen, hat Motorsport-Magazin.com eine eigene Strategiegruppe ins Leben gerufen. Was Niki Lauda, Christian Danner, Monisha Kaltenborn und Jacques Villeneuve für die Zukunft der Formel 1 vorschlagen, lesen Sie in der aktuellen Print-Ausgabe des Motorsport-Magazins. Das Motorsport-Magazin ist ab sofort im gut sortierten Zeitschriftenhandel erhältlich. Oder bestellen Sie es am besten gleich online: