Welches Potenzial hat Lotus in Österreich?
Nick Chester: Es gibt keinen Grund, warum wir nicht wie in Montreal performen sollten. Es ist eine weitere Medium-Downforce-Strecke, die starke Traktion, effiziente Aerodynamik und Power-Unit-Performance fordert. Es gibt ein paar mehr Medium-Speed-Kurven als in Kanada, was die Anforderungen ein bisschen verändert, und es gibt jeden Grund zu erwarten, dass sich der E23 sehr gut schlagen wird.

Im letzten Jahr gab es nach vielen Jahren das Comeback der Strecke. Was wurde daraus gelernt?
Nick Chester: Es war lange her, dass wir die Strecke zum letzten besucht hatten, und es gab in puncto Setup und der Herangehensweise an das Grand-Prix-Wochenende viel zu lernen. Speziell gelernt haben wir, dass die Anforderungen an die Bremsen unterschätzt wurden, und wir fanden es schwierig, die Reifen in ihr optimales Temperaturarbeitsfenster zu bekommen. In beiden Bereichen sind wir mit dem E23 deutlich besser aufgestellt.

Wie fällt Ihre Bilanz des Kanada-Wochenendes aus?
Nick Chester: Es war ein starkes Wochenende, aber kein perfektes. Was den E23 Hybrid betrifft, waren wir mit der Bremsperformance hinsichtlich einer schnellen Runde zufrieden. Die Traktion war besser und die generelle Autobalance gut. Die Fahrer konnten den Wagen mit Vertrauen und Konstanz fahren. Im Rennen selbst haben wir im ersten Stint verloren, aber als wir auf den weichen Reifen waren, haben beide Autos Rundenzeiten erzielt, die vergleichbar mit jenen der Spitze waren. Wäre es uns gelungen, in der Anfangsphase des Rennens besser zu performen, wären bessere Ergebnisse möglich gewesen. Das ist etwas, was wir uns für zukünftige Rennen ansehen müssen.

Bisher hat sich das Team im Rennen besser als im Qualifying geschlagen, in Kanada schien es aber der umgekehrte Fall gewesen zu sein?
Nick Chester: Da ist etwas Wahres und wir verbringen viel Zeit damit, unsere Reifentemperaturen zu analysieren, um zu sehen, welche Lektionen wir lernen können. Generell haben unsere Fahrer im Qualifying von einem Untersteuern berichtet, im Rennen aber von einem besser ausbalancierten Auto, wohingegen das Feedback diesmal auf ein gutes ausbalanciertes Auto im Qualifying, aber Übersteuern im Rennen hingedeutet hat. Es unsere Aufgabe, für beide Szenarien das Optimum zu finden. Seit dem Barcelona-Test haben wir sicherlich einen Schritt nach vorne gemacht, was das Verstehen und Optimieren des Autos angeht. In Monaco waren wir in der Lage, das Potenzial in den langsamen Kurven abzurufen, und wir haben davon auch etwas in Montreal gesehen, wo wir eine besonders gute Balance hatten. Es zeigt sich, dass es ein ziemlich einfaches Auto zum Abstimmen ist, und wir machen kontinuierlich Fortschritte.

Lotus gelang in Kanada das beste Saisonergebnis, Foto: Sutton
Lotus gelang in Kanada das beste Saisonergebnis, Foto: Sutton

Gibt es irgendetwas Bedrohliches für die bevorstehenden Rennen?
Nick Chester: Es gibt nichts, das dem Team Angst machen müsste - die nächsten Rennen bieten uns eine gute Möglichkeit, um uns in der Rangliste zu verbessern. Österreich sollte stark sein. Silverstone sollte gut sein, weil es ebenfalls eine Power-Strecke ist, wenn auch eine etwas andere Herausforderung mit den schnellen Kurven, aber wir waren in Barcelona mit einem ziemlich ähnlichen Setup gut unterwegs. Budapest sollte ziemlich gut laufen, weil wir gezeigt haben, dass wir mit langsamen Kurven zurechtkommen und die Traktion vielversprechend ist. Spa und Monza sollten auch stark sein mit ihren Anforderungen an die Power. Wir schlagen uns auf allen Arten von Strecken gut, deshalb haben wir viel Zuversicht für die vor uns liegende Saison.

Wir haben uns in der Konstrukteurs-Wertung auf den fünften Platz verbessert. Wie sehen die Ziele aus?
Nick Chester: Wir wollen diese Position natürlich halten und streben jede Verbesserung an, die wir erreichen können. Es gibt einen stattlichen Abstand zu Platz vier, aber es besteht das Gefühl, dass wir auf einem guten Weg sind, was die Zuverlässigkeit und das Verstehen unseres Autos nach dem Wechsel des Motorenlieferanten betrifft, was eine große Veränderung war. Wir wissen, dass Red Bull auf Platz vier enorme Ressourcen hat, aber wir werden alles tun, um sie abzufangen.

An diesem Wochenende finden die 24 Stunden von Le Mans statt. Würde das Reglement die Teilnahme eines Formel-1-Autos erlauben, wie würde es abschneiden?
Nick Chester: Es wäre viel Spaß und ich würde mich liebend gerne der Herausforderung stellen, ein Formel-1-Auto für ein 24-Stunden-Rennen abzustimmen. Das aktuelle Reglement besagt, dass wir einen Motor und ein Getriebe haben, die die Renndistanz überstehen könnten, und das war in der Vergangenheit definitiv nicht der Fall. Die aktuellen Formel-1-Autos könnten an einem Langstreckenrennen teilnehmen, so lange ist die Lebensdauer vieler Teile heutzutage. In der Vergangenheit mit den V8-Motoren und den alten Getrieben hätte man die Ausdauer nicht gehabt. Vielleicht sollten wir mit dem ACO darüber sprechen...