In Maranello ist man verwöhnt. Der letzte Titelgewinn durch Kimi Räikkönen liegt nun fast schon acht Jahre zurück und es sieht auch 2015 nicht aus, als ob sich daran etwas ändern würde. Ein Schnitt im Team war unumgänglich. Daher mussten viele Festeingesessene ihren Platz räumen. Aber es traf auch große Namen wie Fernando Alonso oder Luca di Montezemolo. Mit Sergio Marchionne an der Spitze und vor allem Maurizio Arrivabene als F1-Chef ist der verloren gegangene Teamspirit wieder zurück gekehrt in die Scuderia.

Vom Chef des Qualms zum qualmenden Chef

Arrivabene, der 1997 als Vizepräsident der Tabakmarke Marlboro erstmals mit dem Traditionsrennstall in Kontakt trat, übernahm den Teamchef-Posten des geschassten Marco Matiacci. Mit seinem Dienstantritt lockte er mit Rory Byrne eine Koryphäe unter den Designern zurück nach Maranello. Verhandlungsgeschick bewies Arrivabene, als er Star-Ingenieur Jock Clear von Mercedes loseisen konnte. Jener kommt aber erst im Sommer zu Ferrari. "Wenn ein Ingenieur von einem Team zum anderen wechselt, gibt es einen Zeitraum, den jeder respektieren muss", begründete der passionierte Raucher die Verzögerungen.

Maurizio Arrivabene im Jahr 2010 als Marlboro-Vizepräsident, Foto: Sutton
Maurizio Arrivabene im Jahr 2010 als Marlboro-Vizepräsident, Foto: Sutton

Fordernd, fair und freundschaftlich

Überraschenderweise sorgte das Personalkarussell nicht für Unruhe im Team. Im Gegenteil weht bereits seit Saisonbeginn ein frischer Wind in Maranello. Ein Sieg und fünf Podiumsplätze zeugen sicherlich davon, dass der SF15-T ein bärenstarkes Auto ist. Aber zu einem starken Gesamtpaket trägt auch eine lockere, freundliche Teamatmosphäre bei. Arrivabene musste nicht lang überlegen, als ihm Ferrari den Job angeboten hat, wie er formula1.com erzählte : "Als sie mich fragten, habe ich sofort zugesagt, ohne auch nur über den finanziellen Aspekt zu diskutieren. Da gab es nichts zu bedenken."

Arrivabene selbst fühlt sich pudelwohl in der Rolle des Teamchefs. Seit April 2014 ist er der dritte Teamchef der Scuderia. Dass er auf einem heißen Stuhl sitze, befürchtet der Italiener indes nicht. "Wenn du auf deinen Job konzentriert bist, dann ist ein Stuhl nur ein Stuhl. Es kann gemütlich, aber auch ungemütlich sein. Das hängt davon ab, wie du arbeitest - und wie du sitzt", spaßt er.

Druck verspürt Arrivabene überhaupt keinen. "Aber natürlich fühle ich die Verantwortung. Aber wenn man einmal den Druck wegnimmt, der von den Medien aufgebaut wird, dann ist es ein wunderbarer Job", schwärmt er. Sein Traum war es schon immer gewesen, einen Beitrag für sein Land zu leisten. "Und jetzt hatte ich das Glück, den besten Job zu bekommen, den Italien anzubieten hat."

Andere Fahrer tabu: der Fokus 2015 liegt auf Vettel und Räikkönen, Foto: Sutton
Andere Fahrer tabu: der Fokus 2015 liegt auf Vettel und Räikkönen, Foto: Sutton

Der harte Arbeiter von nebenan

Sein Geheimrezept, um Ferrari langfristig auf die Erfolgsspur zu bringen ist so einfach wie effektiv: hart arbeiten und nett zu den Leuten sein. Einen Crash-Kurs im technischen Bereich habe der Italiener vor Dienstantritt nicht bekommen: "Der Teamchef ist kein Ingenieur. Vielleicht war das vor vielen Jahren so. Aber wenn ich an Jean Todt, Flavio Briatore, Christian Horner oder Toto Wolff denke: sie alle haben viel gewonnen, aber keiner von ihnen ist ein Ingenieur."

Vielmehr müsse der Teamchef in der heutigen Formel 1 wesentlich breiter aufgestellt sein. "Du musst ein klares Bild davon haben, was alles abläuft und ein Gleichgewicht zwischen der Technik und dem Budget finden", fasst Arrivabene seinen Ansatz zusammen. "Wenn ich den Ingenieuren freie Hand lassen würde, dann würden wir wohl schnell pleitegehen."

No Marchionne, no honey!

Auch Ferrari-Boss Sergio Marchionne mimt ungern den Unnahbaren, weswegen er und Arrivabene auch so gut harmonieren. "Ich höre ihm gerne zu. Er ist jemand, der gute Vorschläge vorbringt, aber auch viel Unterstützung anbietet", so der Ferrari-Teamchef. Wie involviert der Ferrari-Präsident in das F1-Tagesgeschäft ist, führt Arrivabene an einem Beispiel aus: der Strategy Group."Bisher war ich bei keinem Meeting allein. Herr Marchionne repräsentiert Ferrari und ich sitze daneben und höre zu - und lerne. Es war gut, mitzubekommen, wie er Ferrari wieder als Big Player neu ausgerichtet hat", so der Teamchef.

Arrivabene und Marchionne: Der Schüler und sein Meister, Foto: Sutton
Arrivabene und Marchionne: Der Schüler und sein Meister, Foto: Sutton

Dass sich Arrivabene ins gemachte Nest gesetzt hat, wie Ex-Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo sinngemäß behauptete, streitet der Teamchef ab. "Ich glaube nicht, dass wir uns in einer sonderlich komfortablen Position befunden haben", sagte er. Auch an Ex-Ferrari-Pilot Fernando Alonso verschwendet er keinen Gedanken. Der Spanier behauptete, er hätte es nicht bereut, die Scuderia verlassen zu haben. "Ich denke an Vettel, Räikkönen und das Team. Das Team steht über allem. Und da können die Leute sagen, was sie wollen. Ich weiß, dass das, was er [Fernando Alonso] gesagt hat, nicht nett war. Aber das ist mir egal" - klare Worte von Arrivabene.

Keine Fahrerdiskussion bei Ferrari

Zu seinen beiden Fahrern steht der Italiener nach wie vor mit Entschlossenheit. "Jeder im Team ist essenziell. Sebastian ist einer der Schlüsselfiguren und die Tatsache, dass er sich so schnell integriert hat, war natürlich hilfreich." Der Teamchef macht keinen Hehl daraus, sass Kimi Räikkönens Verbleib im Team von seinen Ergebnissen abhängt. Momentan gäbe es aber keinen Grund, sich nach anderen Fahrern umzusehen. "Ich konzentriere mich jetzt ausschließlich auf unsere beiden Fahrer. Wir wissen aber auch, dass wir schnell einen Fahrer finden würden. Das ist nicht das Problem. Das Problem ist, mit dem Fahrer zusammenzuarbeiten und sicherzustellen, dass er seine bestmögliche Leistung abrufen kann", sagte Arrivabene.