Der Name Circuit Gilles Villeneuve hält, was die klangvolle Ehrenbezeichnung verspricht: Der 4,361 Kilometer lange Kurs ist etwas für echte Draufgänger - eben solche wie der legendäre Namensgeber Gilles Villeneuve zu seinen Lebzeiten war. Es ist eine der wenigen verbliebenen Hochgeschwindigkeitsstrecken im Rennkalender.

Vier Mal pro Runde wird die 300-km/h-Marke geknackt und auch die Höchstgeschwindigkeit hat es in sich: Felipe Massa wurde 2014 im Rennen mit 347,1 Stundenkilometer geblitzt. Die relativ kurze Streckenlänge in Verbindung mit der schnellen Charakteristik führt zur zweitkürzesten Rundenzeit des Jahres. Nur in Brasilien dauert eine Umrundung kürzer.

Im Rennen spulen die Piloten 70 Runden respektive 305,270 Kilometer ab - mehr als 60 Prozent der Runde wird mit Vollgas gefahren. Entweder stehen die Piloten voll auf dem Gas, oder voll auf der Bremse. Der Circuit Gilles Villeneuve ist ein richtiger Stop-and-Go-Kurs. Der Benzinverbrauch ist auf keiner Strecke höher. Sieben Prozent liegt der Verbrauch über Soll. Deshalb muss von Runde eins an mit dem Treibstoff gehaushaltet werden.

Knackpunkt Bremsen

Die Bremsen werden in Kanada gefordert, Foto: Sutton
Die Bremsen werden in Kanada gefordert, Foto: Sutton

Die spezielle Charakteristik hat aber noch andere Auswirkungen: Auf keiner Strecke werden die Bremsen so sehr beansprucht. Bremsdefekte gehören in Kanada dazu wie Motorschäden in Monza. Mercedes kann davon ein Lied singen. 2014 hatten die Silberpfeile Probleme mit der Rekuperation. Deshalb wurden die Bremsen zusätzlich belastet. Lewis Hamilton explodierte deshalb eine Bremsscheibe - das Rennen war für ihn gelaufen.

"Je nach Wetter ist auch die aerodynamische Konfiguration des Autos maßgebend", weiß Giampaolo Dall'Ara, Leitender Ingenieur an der Rennstrecke bei Sauber. Wegen der Lage der Ile de Notre Dame mitten im Sankt-Lorenz-Strom ist die Strecke sehr windanfällig. Etwas mehr Flügel kann bei Gegenwind einen riesen Effekt haben. Generell gilt aber: Kanada ist Low-Downforce - vor allem im Vergleich zu Monaco.

Deshalb ist der Circuit Gilles Villeneuve gut für Überholmanöver. Windschattenduelle sind auf den langen Geraden programmiert. Weil es quasi keine schnellen Kurven gibt, ist das Hinterherfahren in dirty Air nicht ganz so schwierig. Außerdem sorgen die beiden DRS-Zonen für reichlich Action. Der Messpunkt für beide Zonen befindet sich vor der Spitzkehre. Nach der Spitzkehre darf der Flügel zum ersten Mal flach gestellt werden, auf der Start- und Zielgeraden zum zweiten Mal.

Dass es genügend Überholmöglichkeiten gibt, zeigt auch die Statistik: Von den letzten 16 Rennen in Montreal wurden nur 5 von der Pole Position aus gewonnen. Das liegt aber nicht nur an den Überholmöglichkeiten: Das Rennen ist bekannt für viele Ausfälle. Sowohl technische Defekte, als auch Unfälle gibt es überproportional oft.

Ein wichtiger Faktor ist das Wetter: Beim längsten Rennen der Formel-1-Geschichte, das mit Unterbrechungen rund vier Stunden dauerte, regnete es dermaßen stark, dass ein Motorbootrennen zwischenzeitlich wahrscheinlicher war als ein Formel-1-GP. Auch deshalb kommt Bernd Mayländer mit seinem Safety-Car in Kanada fast immer zum Einsatz.

Drei Schlüsselstellen

Auch Michael Schumacher erwischte es schon an der Wall of Champions, Foto: Sutton
Auch Michael Schumacher erwischte es schon an der Wall of Champions, Foto: Sutton

Auf der Start- und Zielgeraden beschleunigen die Fahrer auf über 300 km/h. Das Vollgasstück findet in der Anfahrt auf Kurve eins allerdings ein abruptes Ende, wenn die Piloten zunächst in den dritten Gang herunterschalten. Der Linksknick geht direkt über in eine enge Rechtskurve, die im zweiten Gang durchfahren wird. Hier ist Geduld gefragt, bis wieder Gas gegeben werden kann. Nach dem Start kommt es hier oftmals zu Kollisionen.

Richtiggehend in den Keller geht die Geschwindigkeit aber vor der Haarnadelkurve, dem zweiten neuralgischen Punkt der Strecke. In der Anbremszone drosseln die Fahrer die Geschwindigkeit bis auf unter 60 km/h, um nach der Durchfahrt auf der über einen Kilometer langen 'Droit du Casino'- Geraden wieder Vollgas zu geben. Auf diesem Stück werden Top-Speeds von über 340 km/h gemessen.

Richtig gefährlich wird es in der letzten Schikane. Weil nach der engen Schikane die Start- und Zielgerade wartet, gilt es besonders viel Schwung mitzunehmen. Allerdings wartet am Ausgang die gnadenlose 'Wall of Champions'. Den Namen verdankt die Begrenzungsmauer dem Umstand, dass 1999 die drei Champions Michael Schumacher, Damon Hill und Jacques Villeneuve allesamt in der Mauer landeten.