Seit mehr als einem Jahr erklärt Pirellis Motorsportchef Paul Hembery gebetsmühlenartig bei seinen Mediasessions am Samstagnachmittag , dass Pirelli gerne größere Reifen hätte. Aber wenn groß, dann richtig groß, fordert der Brite immer wieder. Mindestens 19 Zoll hätte Pirelli gerne, denn der italienische Alleinausrüster würde gerne den Endverbraucher ansprechen - und sportliche Fahrzeuge sind heutzutage mit 19 Zoll aufwärts bereift.

Charles Pic testete bereits 18-Zoll-Reifen, Foto: Sutton
Charles Pic testete bereits 18-Zoll-Reifen, Foto: Sutton

Doch die Formel 1 ist entscheidungslahm. Obwohl Pirelli gemeinsam mit Lotus 18-Zöller schon im vergangenen Jahr in Silverstone testete, nahmen die Gespräche über die Reifendimensionen nur langsam Fahrt auf. Aktueller Stand: Breitere Reifen kommen wahrscheinlich, größere Durchmesser eher nicht.

Allerdings macht Michelin Druck. Der französische Reifenhersteller, der sich 2006 aus der Formel 1 zurückzog, drängt nun wieder auf ein Engagement in der Königsklasse des Motorsports. Der Automobilweltverband FIA startete erst kürzlich die Ausschreibung für die Saisons 2017 bis 2019. Gesucht wird erneut ein Alleinausrüster, doch das würde die Franzosen nicht mehr abschrecken.

Offen zeigt sich die FIA bei den Reifendimensionen. Und genau das ist der springende Punkt: Sowohl Pirelli, als auch Michelin wollen größere, seriennähere Reifen. Während Pirelli mit den politischen Machenschaften in der Formel 1 nicht weiterkommt, schreitet Michelin zur Tat: Die 3,5-Liter-Klasse der Renault Weltserie wird wohl ab der kommenden Saison mit 18-Zoll-Reifen an den Start gehen. Die 2,0-Liter-Klasse immerhin auf 17-Zöllern.

Schneller mit Niederquerschnittsreifen

Daran, dass der Wechsel in der Worldseries ein klares Statement Richtung Formel 1 ist, lässt Michael keinen Zweifel. "2010 haben wir diese Änderung der FIA erstmals vorgeschlagen, als unsere Rückkehr in die Formel 1 im Gespräch war. Der Vorschlag wurde zu diesem Zeitpunkt nicht aufgegriffen", so Pascal Couasnon, Michelin Motorsportdirektor.

Pascal Couasnon weiter: "Abgesehen von technologiebezogenen Überlegungen verhelfen größere Reifendurchmesser Formel-Rennwagen zunächst einmal zu einem moderneren Look." Genau diesen Look hat sich die Strategiegruppe zuletzt auf die Fahnen geschrieben.

Ein weiteres Ergebnis der Strategiegruppe: Die Autos sollen schneller werden. Fünf bis sechs Sekunden sollen es sein. Geht es nach Michelin, könnte der Niederquerschnittsreifen ein Faktor sein, der dazu beiträgt: "Ohne zusätzliche Anstrengungen bei der Feinabstimmung der Fahrzeuge haben unsere Tests, die wir letzten Herbst mit Renault Sport in Jerez in Spanien durchgeführt haben, gezeigt, dass die Autos schneller sind und viel mehr Spaß machen. Und das nur durch den Austausch der 13-Zöller gegen 17- oder 18-Zoll-Reifen."

Pirelli führte einen ähnlichen Test in der GP2 durch. Das Ergebnis der Italiener: Die Zeiten waren in etwa gleich schnell. Das Problem der Niederquerschnittsreifen: Pro Rad wiegt die Kombination aus Felge und Reifen rund 4,5 Kilogramm mehr. Die GP2 will 18 Zöller übrigens nur einführen, wenn sich auch die Formel 1 für diesen Schritt entscheidet.

Michelin: Formel-Rennwagen mit 13 Zoll nicht mehr zeitgemäß

Während Jean Todt eine gewisse Nähe zu Michelin nachgesagt wird, sieht Bernie Ecclestone die Franzosen eher kritisch. Pirelli liefert das, was Ecclestone will: Show-Reifen. Darauf lässt sich Michelin nicht ein. "Die Formel 1 ist einfach eine andere Art des Spektakels, bei dem die Fahrzeuge Straßenfahrzeugen nicht ähnlich sehen sollen", versucht Couasnon Verständnis aufzubringen. "Die weitere Verwendung von 13-Zoll-Reifen bedeutet aber trotzdem Stillstand", kritisiert er.

"Die Formel 1 ist bereits in vielen Bereichen moderner geworden, aber sie ist sicher kein Vorreiter der Innovation im Bereich der Reifen. Formel-Rennwagen auf 13-Zoll-Reifen gehören der Vergangenheit an", fordert der Franzose ganz klar. Wenn das auch die Formel 1 so sieht, ist ein Michelin-Comeback nicht mehr nur denkbar, sondern wahrscheinlich: "Wir würden jeden Aspekt eingehend untersuchen, bevor wir zu einer Entscheidung kämen. Sagen wir einfach, Fahrzeuge auf 18-Zoll-Reifen wären ein Schritt auf diesem Weg…"

Couasnon setzt die Formel 1 unter Druck: "Die nächsten Entscheidungen zu diesem Thema werden Ende 2015 mit einer möglichen Einführung im Jahr 2017 fallen. Angesichts der Tatsache, dass die neuen Formel-E-Autos bereits 18-Zoll-Reifen nutzen und die World Series by Renault mit den FR3.5 und FR2.0 Meisterschaften, die als Vorbereitung für die Formel 1 dienen, vielleicht bald folgen, scheint mir, dass dieser Schritt Sinn machen würde."