Stärker als im Vorjahr, dennoch gewaltig unter Druck. Was nach der unheimlichen silbernen Formel-1-Dominanz 2014 wie ein Paradoxon anmutet, ist für Mercedes knallharte Realität. Obwohl das Team mit 159:154 punktemäßig besser dasteht, ist der Vorsprung auf den ersten Verfolger im Vergleich zum Beginn der Europasaison des Vorjahres deutlich geschrumpft.

In der Tat hat sich Situation für die Silberpfeile an der Spitze eklatant verändert. Schienen sich zu Beginn der Vorsaison Red Bull, Ferrari, Williams und McLaren die Punkte gegenseitig abzunehmen, besticht vor allem Ferrari aktuell als "zweite Macht" mit brutaler Konstanz. Lediglich 52 Zähler beträgt Mercedes' Vorsprung derzeit auf Ferrari, das zudem bereits einen Sieg und drei weitere Podestplätze auf dem Konto vorweist.

Fürchtet Mercedes verschobenes Kräfteverhältnis?

Vor dem Barcelona-Rennen 2014 lag das Sternen-Team bereits über 100 Punkte vor Red Bull, das mit dem leistungsschwächeren Renault-Aggregat zudem bis zum Sommer nie eine ernsthafte Bedrohung darstellte. Während lediglich der brandheiße Zweikampf zwischen Lewis Hamilton und Nico Rosberg auf der Strecke für Haareraufen bei den Silbernen sorgte, scheint sich der Fokus der Sorge ob der bisherigen Dominanz des britischen Weltmeisters derzeit in Richtung der "roten Bedrohung" verschoben zu haben.

Ferrari ist Mercedes näher gekommen, als den Silbernen lieb sein kann, Foto: Sutton
Ferrari ist Mercedes näher gekommen, als den Silbernen lieb sein kann, Foto: Sutton

"Wir hatten nun die Gelegenheit, unsere bisherige Performance zu beurteilen. Wir wissen, was wir unternehmen müssen, um uns in den kommenden Wochen und Monaten wieder einen Vorteil zu erarbeiten", verrät Mercedes-Benz Motorsportchef Toto Wolff. Obwohl sich der Österreicher über die bessere Standfestigkeit gegenüber dem Vorjahr freut, mahnt er vor Feierstimmung: "Uns erwartet in diesem Jahr an jedem Rennwochenende ein enger Kampf. Dessen müssen wir uns bewusst sein und diesen annehmen."

Interessant wird vor dem Europaauftakt wie immer, zu sehen, inwieweit sich das Kräfteverhältnis von Übersee bestätigt, oder doch verschoben hat: "Barcelona ist traditionell das erste Rennen der Saison, bei dem große Updates zum Einsatz kommen. Entsprechend werden wir mit Interesse verfolgen, wie wir uns im Vergleich zur Konkurrenz schlagen. Von einem Bereich können wir jedoch restlos überzeugt sein: Unserer Fahrerpaarung", erklärt Wolff.

Hamilton-Sieg ohne Kontroverse?

Vor allem Hamilton scheint seit den letzten Rennen der vergangenen Saison nach wie vor in einer eigenen Liga zu fahren. Nur ein Strategiefehler seines Teams sowie ein unglückliches Safety Car in Sepang kosteten ihn möglicherweise die perfekte Ausbeute aus vier Siegen in vier Rennen. Hamilton wird in Barcelona zudem unbedingt seinen Vorjahressieg wiederholen wollen - und das ganz ohne Kontroverse. So soll der Brite im Vorjahr vom Team nicht autorisiert gegen Rennende seinen F1W05 in einen höheren Leistungsmodus geschaltet haben, was Rosberg die Chance eines Angriffs raubte.

Im Vorjahr siegte Hamilton in Barcelona knapp vor Rosberg, Foto: Sutton
Im Vorjahr siegte Hamilton in Barcelona knapp vor Rosberg, Foto: Sutton

"Barcelona wird wie immer sehr hart, das hat nicht erst das Vorjahr bewiesen. Die Strecke stellt das Auto und auch den Fahrer in jeder Hinsicht auf den Prüfstand", führt der Superstar aus. Dass sein Ziel nur Saisonsieg Nummer vier lauten kann, macht Hamilton unmissverständlich klar: "Normalerweise ist es recht heiß und der Kurs ist wahnsinnig anstrengend. Die Unterstützung fällt für mich in Spanien mit jedem Mal besser aus. Nachdem ich im vergangenen Jahr dort zum ersten Mal erfolgreich gewesen bin, bin ich auf den Geschmack gekommen und möchte es diesmal noch besser machen."

Teamkollege Rosberg steht nach bisher vier Niederlagen gegen Hamilton in vier Rennen mehr denn je unter Druck, will er den Briten im WM-Kampf nicht bereits früh deutlich aus den Augen verlieren. In gewohnter Manier gibt er sich angriffslustig: "Ich bin richtig heiß auf die kommenden Rennen, da ich weiß, dass ich alle Werkzeuge zur Verfügung habe, um eine starke Performance zu zeigen. Ich möchte meinen suboptimalen Saisonstart ausmerzen und kann es daher kaum erwarten, in Barcelona wieder auf die Strecke zu gehen."

Auch er betont die Schwierigkeit und den hohen Anspruch der Strecke in Montmelo: "Der Kurs selbst stellt an alle Elemente des Autos hohe Anforderungen, allen voran die Aerodynamik. Demnach wird es interessant sein, zu sehen, wie sich die Teams seit dem letzten Test hier im Winter weiterentwickelt haben. Und natürlich auch, wer die meisten Upgrades seit dem letzten Rennen im Gepäck haben wird. Ich weiß, dass unsere Jungs mega-hart in der Fabrik gearbeitet haben. Warten wir ab, was wir in petto haben."

Mercedes: Barcelona Bilanz

Mercedes in Barcelona: Nach zahlreichen durchwachsenen Ergebnissen glückte Mercedes im Vorjahr der große Wurf. Lewis Hamilton gewann vor Nico Rosberg, womit die Silberpfeile einen weiteren Doppelsieg auf dem Weg zum Weltmeistertitel feierten.

Lewis Hamilton in Barcelona: Wäre Hamilton 2012 wegen zu wenig Sprit im Tank nach dem Qualifying nicht disqualifiziert worden, hätte er vielleicht schon damals in Diensten von McLaren seinen ersten Sieg in Barcelona gefeiert. Diesen holte der Brite dann schließlich im Vorjahr nach. Abgerundet wird Hamiltons ordentliche Spanien-Bilanz von zwei zweiten Rängen und einem dritten Platz.

Rosberg in Barcelona: Der Wiesbadener stand im Vorjahr als Zweiter zum ersten Mal auf dem Podium. Zuvor hatten zwei sechste Plätze Rosbergs Bestleistung dargestellt.

Redaktionskommentar

Motorsport-Magazin.com meint: Mercedes hält in Barcelona einmal mehr alle Trümpfe in der Hand. Die Strecke in Montmelo erfordert sowohl eine starke Aerodynamik als auch eine robuste und leistungsfähige Power-Unit. Ohne genaue Kenntnisse der Form und Effizienz der Updates fällt eine genaue Einordnung der Kräfteverhältnisse zwar schwer, jedoch scheint gesichert, dass sowohl Silber als auch Rot das notwendige Rüstzeug zusammenhaben, einen weiteren großen Kampf an der Spitze auszufechten. Die konservative Reifenwahl Pirellis spielt dabei Mercedes aber klar in die Karten, da sie den besseren Umgang mit dem schwarzen Gold der Renner aus Maranello kaschiert. Rosberg muss endlich liefern und zudem beweisen müssen, dass er mit Druck klarkommt. Fehler werden einmal mehr nicht verziehen, denn Ferrari ist ein einer Position, jeden Fauxpas brutal auszunutzen, wie Sepang und Sakhir eindrucksvoll bewiesen haben (Samy Abdel Aal).