Es wurde spekuliert, erörtert, diskutiert: Fernando Alonsos Unfall in Barcelona bleibt aber auch über einen Monat später ein Rätsel. Der zweifache Weltmeister äußerte sich in Sepang umfassend zu dem Thema, das das Fahrerlager seit Wochen beschäftigt: Was ist an jenem Testtag in Barcelona wirklich passiert? Einzig: Antworten hat auch der 33-Jährige nicht parat, denn die Daten geben nur unzureichend Auskunft. Doch er wischte Spekulationen beiseite, wonach er sich im Jahre 1995 gewähnt oder italienisch gesprochen haben soll. Sich selbst bezeichnete er als "einen der glücklichsten Menschen der Welt".

"Ich bin froh, hier zu sein", sagte der Spanier auf der Pressekonferenz, nachdem er alle medizinischen Checks bestanden hatte. "Malaysia ist immer eine gute Strecke für mich gewesen. Schade, dass die Saison später anfängt, aber die Ärzte haben mir empfohlen, das erste Rennen auszusetzen. Jetzt bin ich aber da und freue mich. Hier habe ich meine erste Pole, mein erstes Podium, und drei Siege mit drei verschiedenen Teams geholt." Dass ihn mit McLaren-Honda ein schwieriges Wochenende erwartet, sei ihm aber klar.

Ausführliche Stellungnahme, wenig Antworten: Alonsos Unfall bleibt ein Mysterium, Foto: Sutton
Ausführliche Stellungnahme, wenig Antworten: Alonsos Unfall bleibt ein Mysterium, Foto: Sutton

Intensive Datenauswertung ohne Ergebnis

Die brennendste Frage war natürlich diejenige zum Unfallhergang. Fernando Alonso wiederspricht einer Darstellung, wonach eine Windböe ihn erfasst habe: "Es war auf keinen Fall ein Fahrfehler oder eine Windböe. Selbst ein Hurrikan würde das Auto bei dieser Geschwindigkeit nicht bewegen können." Auch medizinische Gründe schloss er aus: "Dann verliert man die Kontrolle und das Auto fährt nach außen, statt nach innen auszubrechen. Es gab ein Problem mit dem Fahrzeug. Das ist klar." Seinen Angaben zufolge hat die Lenkung blockiert.

Nur die Frage, was für ein Problem es gewesen sein soll, lässt sich nicht so leicht beantworten. "Man kann es in den Daten momentan nicht finden. Ich bin in Richtung Mauer gekommen und habe vom fünften in den dritten Gang zurückgeschaltet, ab da fehlen Teile der Daten."

Er selbst habe der Fabrik in Woking einen Besuch abgestattet. "Ich habe mich mit den Ingenieuren an die Daten gesetzt. Ich bin alles durchgegangen, alle entscheidenden Momente. Aber es gibt keine klare, eindeutige Antwort. Und solange wir diese nicht haben, können wir auch nicht sagen, dass es das eine oder andere war. Wir müssen weiter suchen, aber wenn wir nach einem Monat nichts gefunden haben, taucht das Problem wohl nicht in den Daten auf." Es gebe Teile des Fahrzeugs, die von den Daten nicht erfasst werden, so Alonso. "Da vermuten wir den Fehler. Es gibt noch Lücken in der Überwachung, die wir vielleicht erst in zehn Jahren geschlossen haben."

Endlich wieder im Cockpit: Alonso wollte eigentlich schon in Australien fahren, Foto: Sutton
Endlich wieder im Cockpit: Alonso wollte eigentlich schon in Australien fahren, Foto: Sutton

Voreilige Erklärungsversuche nicht hilfreich

Die Darstellung, ihm sei durch eine Windböe ein Fahrfehler unterlaufen, sei eine frühe Spekulation des Teams und des Managers gewesen, so der McLaren-Pilot weiter. "Da hat man auch mal den Wind genannt, aber das war rein spekulativ. Drei, vier Tage konnte ich nichts sagen, und bei so etwas wird die Öffentlichkeit immer schlimmer. Dann werden Theorien weiter gedreht, das hat alles nichts geholfen." Er gab aber auch zu, dass die frühen Erklärungsversuche seitens McLaren und seines Managements viel dazu beigetragen hatten. "Es wurde viel gesagt, manches unbedacht. Das war Teil der Verwirrung."

Auch dass er sich nach dem Unfall erst im Jahre 1995 gewähnt haben soll, sei pure Spekulation, die nicht wahr sei. Gleiches gelte für Gerüchte, nach denen er italienisch gesprochen habe. "Ich kann mich an den Unfall erinnern und an fast alles, was danach passiert ist", stellte Fernando Alonso klar. "Es gibt lediglich eine Zeit im Krankenhaus, an die ich mich nicht erinnern kann." Er habe das Bewusstsein erst im Krankenhaus verloren. "Aber ein Arzt sagte, das wäre ganz normal."

Cero Problema: Fernando Alonso bestand die FIA-Tests mit Bravour, Foto: Sutton
Cero Problema: Fernando Alonso bestand die FIA-Tests mit Bravour, Foto: Sutton

"Ich erinnere mich an alles, an den Morgen, als wir das Setup geändert haben, wie ich zur Boxenausfahrt gefahren bin und an die Rundenzeiten. Nach dem Unfall habe ich den Funk und das Auto abgeschaltet und sah die Streckenposten auf mich zu laufen. Ich musste ausschalten, damit sie näher kommen konnten, und war bei vollem Bewusstsein." Alles weitere sei danach standardmäßig verlaufen, inklusive der Medikamente, die ihm verabreicht wurden, um ihn in einem Hubschrauber zu transportieren.

Ebenfalls ganz normal und ohne Probleme sei seine Reha-Phase verlaufen, mit Erfolg: "Heute haben wir eine Reihe normaler Untersuchungen gemacht. Reha, Checks, Untersuchungen, Empfehlungen, das war alles ganz normal. Alles lief reibungslos heute, ich habe grünes Licht." Alonso war durchaus zu Späßen aufgelegt: "Ich bin der meistgecheckte Fahrer aller Zeiten! Dummerweise habe ich mir das falsche Rennen zum Anschauen ausgesucht, weil Australien echt langweilig war."

Sorgenfreier Spanier mit Tatendrang

Trotz des Unfalls mit Folgen wird Fernando Alonso in Zukunft nicht mit größeren Sorgenfalten ins Cockpit steigen: "Ich mache mir deswegen keine größeren Sorgen. Wir wissen alle, dass Motorsport gefährlich ist." Alonso betonte auch noch einmal, dass Verletzungen häufig bei optisch verhältnismäßig harmlosen Unfällen austreten, während spektakuläre Unfälle, bei denen das Auto sich in seine Bestandteile auflöst, meist eher glimpflich ausgehen. "Das ist wie im Leben", zieht er einen Alltags-Vergleich. "Manchmal passt alles und dir passiert nichts, dann gehst du über die Straße und dir passiert etwas Schlimmes."

Klare Erinnerungen: Fernando Alonso dachte weder, es sei 1995, noch sprach er italienisch, Foto: Sutton
Klare Erinnerungen: Fernando Alonso dachte weder, es sei 1995, noch sprach er italienisch, Foto: Sutton

Weder habe er größeren Respekt vor dem Sport bekommen, noch mehr Angst, wieder in seinen McLaren MP4-30 zu steigen: "Ich mache mir keine Sorgen, dass das Problem mit der Lenkung wieder auftaucht. Wir haben es uns angeschaut und die Möglichkeiten ausgelotet. Da gibt es nun mal Bereiche bei den Instrumenten und Sensoren, die noch nicht genug überwacht sind. Ich habe überhaupt keine Zweifel in Bezug auf mein Auto."

Er sei bereits für das Rennen in Melbourne bereit gewesen, erklärte der Asturier weiter, "aber die Ärzte haben mir empfohlen, dass ich nicht fahren sollte. Deswegen habe ich gewartet, aber jetzt bin ich froh, dass ich hier bin und dem Team helfen kann." Und das Team kann seine Hilfe gut gebrauchen, denn bislang hinkt McLaren der Pace hinterher, weil Honda aus Haltbarkeitsgründen eine sehr konservative Motoreinstellung fährt. "Ich bin vielleicht noch nicht ganz bei 100 Prozent, aber das spielt keine Rolle, weil das Auto bloß bei 80 Prozent ist", flachste er. Das Wichtigste ist jedoch für alle Fans des Doppelweltmeisters, dass er in Malaysia zum 236. Mal ein F1-Rennen bestreiten wird.