Am Freitag mussten die Teams in den freien Trainings in Melbourne zum ersten Mal die Hosen runter lassen. Große Überraschungen blieben aus und die Kräfteverhältnisse stellten sich in etwa so dar, wie man das aus den Wintertests hätte schließen können.

"Alles, was vorhersehbar war, ist auch so eingetreten", analysierte Niki Lauda nach den beiden Sessions. "Ferrari ist uns (Mercedes) mit Sebastian und Kimi am nächsten, aber mit großem Zeitabstand. Bottas und Williams haben sich heute aber auch gemeldet."

Auf eine schnelle Runde klar die Nummer eins, wollten sich die Silberpfeile im Hinblick auf Longruns aber noch nicht so recht in die Karten schauen lassen. Weltmeister Lewis Hamilton drehte am Nachmittag maximal acht zusammenhängende Runden und ging dabei sogar zweimal deutlich vom Gas. Nico Rosberg absolvierte immerhin zehn fliegende Runden und holte davon nur in einem Umlauf Schwung.

Longruns auf Soft

Der Vizeweltmeister war in seinem Longrun auf dem weicheren Soft-Reifen (gelb markiert) unterwegs. Auf diesem unterbot er zweimal die 1:32er-Marke und kratzte einmal daran (1:32,005), bei einer Bestzeit in diesem Stint von 1:31,769. Diese Zeit konnte kein anderer Pilot in einem Longrun von mindestens zehn fliegenden Runden in Folge unterbieten.

Kimi Räikkönen kam dem Mercedes-Fahrer in seinem Ferrari aber gefährlich nahe. Zwar dauerte es auf Räikkönens 16-Runden-Longrun ein wenig, bis der Finne richtig in Fahrt kam, doch auf den Laps 12 und 13 blieb er zweimal unter der Marke von 1:32 Minuten. Insgesamt lieferte Räikkönen damit eine starke Performance ab, denn alle 16 Rundenzeiten dieses Stints bewegten sich innerhalb eines Fensters von 0,831 Sekunden. Erste und letzte Runde des Longruns wiesen überhaupt nur einen Unterschied von zwei Zehntelsekunden auf.

Lotus-Mann Romain Grosjean zeigte mit 20 Runden zwar einen der längsten Stints des Tages, allerdings blieb er dabei nur dreimal unter Hürde von 1:33 Minuten - einer Marke, die weder Räikkönen, noch Rosberg in ihren Longruns überschritten. Daniil Kvyat musste sich in seinem Red Bull sogar an einer Richtzeit von 1:34 Minuten orientieren.

Longruns auf Medium

Ein interessanter Vergleich war im Training zwischen Valtteri Bottas und Sebastian Vettel möglich. Beide Fahrer bestritten auf dem härteren Medium-Reifen einen Longrun über 19 Runden. Dabei war Bottas zehn Mal der schnellere, Vettel neunmal. Die schnellsten zwei Runden in diesem Vergleich fuhr der Finne mit 1:32,270 und 1:32,360. Vor allem in der zweiten Hälfte des Longruns war Vettel aber deutlich schneller, deutlich konstanter und hatte am Ende auch nur eine Diskrepanz von sechs Zehntelsekunden zwischen erster und 19. Runde aufzuweisen. Bottas kam sogar auf eine Differenz von nur vier Zehntelsekunden.

Deutlich langsamer war Sergio Perez im Mercedes-befeuerten Force India, der nie auch nur annähernd an die Zeiten von Bottas oder Vettel herankam. Paul Hembery bezifferte die Differenz zwischen Soft- und Medium-Mischung mit 1,4 Sekunden. Sollte diese Zahl korrekt sein, müsste Rosberg seinen Longrun auf Soft allerdings mit sehr viel Sprit bestritten haben, denn dessen Stint-Bestzeit von 1:31,769 war nur um eine halbe Sekunde schneller als Bottas' Medium-Longrun-Bestzeit von 1:32,270. Auch aus dem direkten Vergleich der Ferraristi ergibt sich nur ein Unterschied von knapp sechs Zehntelsekunden zwischen Soft-Fahrer Räikkönen und Medium-Fahrer Vettel.

Fazit

An der Mercedes-Position hat sich nichts verändert. Der Weg zum Sieg führt über die Silberpfeile, doch das war bereits während der Testfahrten absehbar. Ferrari dürfte aber tatsächlich ein Stück näher an die Spitze gerückt sein. Diese These untermauert nicht nur die geringe Differenz zwischen Rosberg und Räikkönen im Soft-Longrun. Sondern auch die Tatsache, dass Bottas und Vettel auf Medium eine ähnliche Performance zeigten und Williams im Vorjahr auf vielen Strecken erster Mercedes-Jäger war. Inwiefern die Teams mit Spritmengen das Ergebnis der Longruns beeinflussten, lässt sich freilich nicht abschätzen. Heute mussten die Teams die Hosen runterlassen, morgen im Qualifying müssen sie komplett blank ziehen.