Der Startschuss der Formel-1-Saison 2015 steht unmittelbar bevor. In wenigen Tagen erhalten wir in Melbourne einen ersten Anhaltspunkt, wie sich die Kräfteverhältnisse darstellen werden. Motorsport-Magazin.com wirft einen kleinen Blick zurück auf die Testfahrten und blickt gleichzeitig auf die Chancen der einzelnen Teams in Australien voraus.

Mercedes

Mercedes geht als klarer Top-Favorit in die Saison, Foto: Sutton
Mercedes geht als klarer Top-Favorit in die Saison, Foto: Sutton

Kilometerfresser F1 W06. Kein anderes Team spulte während der Wintertestfahrten mehr Runden ab als die amtierenden Weltmeister. Neben Zuverlässigkeit glänzte das Team aber auch mit Speed. Ohne Einsatz der superweichen Reifen setzte Nico Rosberg die schnellste Zeit der gesamten Testfahrten - die anderen Teams konnten diese Zeit selbst auf superweichen Reifen nicht unterbieten. Wohl jedem Konkurrenten ist klar, dass 2015 der Weg zum Sieg in Melbourne nur über Mercedes führen wird. Zudem spricht die Statistik für das Team. Mercedes-Benz befeuerte Teams (McLaren, Brawn GP und Mercedes selbst) holten in Australien acht Siege, davon alleine vier von 2008 bis 2014. Im vergangenen Jahr holte Lewis Hamilton die Pole Position, Nico Rosberg schnappte sich die schnellste Rennrunde und den Sieg.

Ferrari

Wird Ferrari wirklich zweite Kraft hinter Mercedes?, Foto: Sutton
Wird Ferrari wirklich zweite Kraft hinter Mercedes?, Foto: Sutton

Die große Wundertüte der Formel 1 2015. In Jerez setzte Kimi Räikkönen die schnellste Zeit der ersten Testphase. Überhaupt waren in Jerez die Ferrari-Power-Units die dominierende Kraft. Zwei Bestzeiten von Sebastian Vettel, eine von Räikkönen und eine durch Motorenkunde Sauber. In Barcelona wurden die Zeiten dann allerdings konservativer und die Erwartungen wieder gedämpft. Die Konkurrenz hat Ferrari aber fest auf dem Zettel, denn die Power Unit der Scuderia soll einen deutlichen Sprung gemacht haben. Die Statistik meint es zumindest gut mit Ferrari. In 19 Anläufen gelangen sechs Siege. Selbst 2013, als die Scuderia teilweise großen Schwächen hatte, gelangen mit Rang vier und sieben ansehnliche Platzierungen. Dass Vettel und Räikkönen den Albert Park lieben und beherrschen zeigen drei Siege und insgesamt acht Podestplätze.

Red Bull

Wie schlagen sich Daniel Ricciardo und Daniil Kvyat in Melbourne?, Foto: Sutton
Wie schlagen sich Daniel Ricciardo und Daniil Kvyat in Melbourne?, Foto: Sutton

Home sweet home! Das heißt es für Daniel Ricciardo beim Auftakt in Australien. Das ehemalige Weltmeisterteam hatte während der Testfahrten allerdings noch seine Probleme. Während der zweiten Testphase gelangen zwar drei gute Tage mit vielen Runden, der RB11 zeigte aber auch viele Kinderkrankheiten. Immer wieder streikten Teile, die Power Unit musste gewechselt werden oder das ERS spielte nicht mit. In der Rundenbilanz rangierte Red Bull lediglich vor McLaren, Force India und Lotus. Einen Blick auf die Statistiken wird sich Red Bull vor dem Rennen im Albert Park aber wohl verkneifen. Lediglich ein Sieg und zwei Podestplätze stehen zu Buche. Ein kleiner Hoffnungsschimmer: Ricciardo fuhr 2014 auf Platz zwei, der ihm später durch Fuel-Gate wieder aberkannt wurde - das Potenzial scheint aber vorhanden.

Williams

Williams wird als der erste Verfolger von Mercedes gehandelt, Foto: Sutton
Williams wird als der erste Verfolger von Mercedes gehandelt, Foto: Sutton

Risikoscheu war gestern. Das ist das neue Motto bei Williams. Während der Testfahrten präsentierte sich das Team eher unauffällig - im positiven Sinne. Felipe Massa und Valtteri Bottas waren die einzigen Piloten, die den Zeiten der Mercedes' zumindest im Ansatz nahe kommen konnten. In Grove stehen die Zeichen zumindest auf Hoffnung. Laut den Fahrern bietet der FW37 deutlich mehr Stabilität - allem voran auf der Hinterachse. Im Gegenzug blieben die Qualitäten wie die gute Bremsstabilität und der Kurveneingang erhalten. Beim Blick auf Melbourne fällt auf, dass Williams schon seit geraumer Zeit einem Erfolgserlebnis hinterherfährt, denn der bis dato einzige Sieg im Albert Park datiert aus dem Jahre 1996 - damals gewann Damon Hill vor seinem Teamkollegen Jacques Villeneuve. 2014 kann als Indikator aber nur schwer herangezogen werden. Massa wurde bereits in Kurve eins abgeschossen, Bottas lag gut im Rennen, bis er sich bei einer Wandberührung den Boliden beschädigte.

Force India

Wie stark leidet Force India unter den verpassten Testfahrten?, Foto: Sutton
Wie stark leidet Force India unter den verpassten Testfahrten?, Foto: Sutton

Die Mannschaft von Nico Hülkenberg und Sergio Perez ist nur schwierig zu beurteilen. Die ersten Testfahrten in Jerez saß das Team komplett aus, in Barcelona war lediglich der Bolide des Vorjahres unterwegs. Am zweiten Testtag der letzten Barcelona-Woche hatte endlich der Renner für 2015 Premiere und überzeugte auf ganzer Linie. Ohne große Probleme spulten Hülkenberg und Perez Runde um Runde ab und der VJM08 erwies sich als äußerst zuverlässig. Allerdings ist aktuell noch unklar, welche Programmpunkte das Team aufgrund der geringen Testzeit von der Liste streichen musste. In der Vergangenheit war Melbourne immer ein gutes Punktepflaster für die Mannschaft, allerdings nicht für Hülkenberg. Sein bestes Ergebnis ist ein sechster Rang bei vier Teilnahmen.

Lotus

Lotus will aus dem Schatten wieder ins Licht, Foto: Sutton
Lotus will aus dem Schatten wieder ins Licht, Foto: Sutton

Einen Testtag 2015 verloren und trotzdem gefühlt 1000 Kilometer gewonnen. Während Lotus 2014 noch das absolute Schlusslicht der Wintertestfahrten war, sah man 2015 bei Lotus nur noch strahlende Gesichter. Die wohl größte Veränderung: Die Mercedes-Power-Unit. Sowohl Pastor Maldonado als auch Romain Grosjean fanden nur lobende Worte für den Antriebsstrang aus dem Hause des Weltmeisters. Zudem ist laut den Fahrern der E23 auch in Sachen Chassis kein Vergleich zu seinem Vorgänger. "Wir wussten im Vorjahr schnell, dass etwas nicht passt, konnten aber nicht genau herausfinden, was es war. Jetzt ist das Gefühl gut, sobald wir Veränderungen vornehmen", lobte Grosjean. Maldonado lehnte sich sogar soweit aus dem Fenster, dass Lotus zusammen mit Williams, Red Bull und Ferrari in der Gruppe der ersten Verfolger von Mercedes sein werde. Die Statistik spricht immerhin für Lotus. Die Mannschaft und das Vorgängerteam Renault fuhren bei zwölf Teilnahmen in Australien drei Siege ein. Zuletzt stand 2013 Kimi Räikkönen ganz oben auf dem Podest.

Sauber

Zählt Sauber zu den Gewinnern des Saisonauftakts?, Foto: Sutton
Zählt Sauber zu den Gewinnern des Saisonauftakts?, Foto: Sutton

Der Sauber ist eine der großen Wundertüten 2015. Während der ersten Testphase in Jerez lag die Schweizer Mannschaft immer im vorderen Bereich der Zeitenliste. In Barcelona pendelten sich die Ergebnisse wieder eher weiter hinten ein. Einen großen Sprung hat die Mannschaft aber in jedem Fall gemacht: Der C34 ist ein Muster an Konstanz und Zuverlässigkeit. Sauber-Rookie Felipe Nasr drehte die zweitmeisten Runden der gesamten Wintertests und führte die Tabelle in der letzten Testphase sogar an. Wie schnell der Bolide aber letztlich im direkten Vergleich sein wird, zeigt erst Australien. Klar scheint aber, dass das Traditionsteam - nicht zuletzt durch die verbesserte Ferrari-Power-Unit - einen Sprung nach vorne gemacht hat. Ob es in Melbourne schon für die heiß ersehnten Punkte reicht, ist allerdings fraglich. Australien war noch nie ein gutes Pflaster für die Schweizer. Die Statistiken werden von Ausfällen und Disqualifikationen dominiert, Punkte gab es bisher nur vereinzelt.

Toro Rosso

Wie wird sich Toro Rosso mit zwei Rookies schlagen?, Foto: Sutton
Wie wird sich Toro Rosso mit zwei Rookies schlagen?, Foto: Sutton

Toro Rosso blieb während der Wintertestfahrten mehr als blass. Lediglich ein paar Unfälle und technische Probleme sorgten für kurzzeitigen Wirbel. Dennoch mauserten sich die beiden Rookies Max Verstappen und Carlos Sainz zu konstanten Rundensammlern. In Sachen Performance könnte Toro Rosso allerdings einer der Verlierer der Saison werden. Die Zeiten waren im Mittelfeld angesiedelt, allerdings scheinen viele der direkten Konkurrenten größere Sprünge gemacht zu haben. Dass Melbourne für Toro-Rosso-Rookies aber ein guter Ort ist, zeigte Daniil Kvyat im vergangen Jahr. Er holte in seinem ersten Formel-1-Rennen sofort Punkte - allerdings markierte er damit auch gleichzeitig das bisher beste Ergebnis des Teams Down Under.

McLaren

Fernando Alonso und sein ominöser Testunfall, Foto: Sutton
Fernando Alonso und sein ominöser Testunfall, Foto: Sutton

Lazarett, Dauerwerkstatt und permanent praktizierter Zweckoptimismus. Bei der neuen (alten) Traumehe McLaren-Honda lief während der Wintertests nichts zusammen. Fast täglich ging der MP4-30 verspätet auf die Strecke und bog verfrüht in den Feierabend ab. Die Power Unit streikte nach Belieben und Runden waren schier Fehlanzeige. Lediglich in der letzten Testphase gelang Jenson Button ein einziges Mal der Sprung über die 100-Runden-Marke. Überschattet wurden die ohnehin frustrierenden Wintertests von Fernando Alonsos ominösem Testunfall. Die Konsequenz: Der Spanier fiel nicht nur für die letzte Testphase, sondern nun auch für den anstehenden Saisonauftakt aus. Die Vorzeichen für Australien stehen also denkbar schlecht. Da hilft es dem Team wenig, dass es als mit Abstand erfolgreichste Mannschaft nach Down Under reist. Insgesamt verbuchte McLaren von 1986 bis 2012 elf Siege im Albert Park. Um 2015 einen weiteren hinzuzufügen, müsste aber wohl ein Wunder geschehen.

Manor Marussia

Was kann Manor Marussia erreichen?, Foto: Sutton
Was kann Manor Marussia erreichen?, Foto: Sutton

Eine Beurteilung des Rückkehrers fällt denkbar schwer. Kein einziger Testkilometer 2015, kein neues Auto, keine neue Power Unit. Für die Mannschaft ist der größte Sieg wohl mit der Rückkehr ins Grid schon erzielt, viel mehr Erfolge wird es in Melbourne aber vermutlich nicht zu feiern geben. Bereits 2014 war die Mannschaft weit hinter der Pace, wie sich die Situation nun entwickelt, wenn alle anderen Teams mit weiterentwickelten Autos aufschlagen, kann nur erahnt werden. Immerhin steht die Fahrerpaarung mittlerweile fest: Will Stevens und Roberto Merhi bekommen den Drive.