Die Zeit der offenen Visiere ist angebrochen. Wenn der Formel-1-Tross am Freitag in Melbourne für das erste Freie Training auf die Strecke geht, wird (wohl) erstmals ein Bilck auf das wahre Kräfteverhältnis im Feld möglich. Nach Platz drei in der Konstrukteurs-WM im Vorjahr will der britische Traditionsrennstall seine Position mindestens verteidigen. Bei Betrachten der Test-Resultate des Winters scheint klar: Dieses Ziel mutet keinesfalls zu hoch gesteckt an.

Offensichtlich ist jedoch ebenfalls, dass Ferrari sowohl im Longrun als auch auf eine schnelle Runde massiv gegenüber dem Vorjahr aufgeholt hat. Red Bull überzeugte bislang über die Distanz, auf eine schnelle Runde offenbarten die Brauseflitzer bislang jedoch Nachholbedarf. Dass dies bei Testfahrten jedoch nichts heißen muss, ist auch im Williams-Lager bestens bekannt.

Mercedes-Antrieb als Waffe in Melbourne?

"Der Winter lief für uns top, denn wir haben alle unsere Ziele erreicht. Wir fahren wirklich mit positiver Stimmung nach Melbourne", macht Performance-Chef Rob Smedley keinen Hehl um die gute Form der Martini-Flitzer. Nur Säbelrasseln im Kampf mit Red Bull und Ferrari? Wohl kaum. Der Straßenkurs Albert Park bietet kaum Überholmöglichkeiten, macht daher eine gute Position im Qualifiyng doppelt wertvoll.

Schafft Valtteri Bottas 2015 den Sprung unter die Top-3 der Weltmeisterschaft?, Foto: Sutton
Schafft Valtteri Bottas 2015 den Sprung unter die Top-3 der Weltmeisterschaft?, Foto: Sutton

Dank der überlegenen Mercedes-Power-Unit im Heck scheint Williams der direkten Konkurrenz auf eine schnelle Runde nach wie vor einen Schritt voraus. Dennoch ist das Team gewarnt: "In Melbourne gibt es wohl mehr Unbekannte als bei jedem anderen Rennen", verrät Smedley .

Der Brite gibt sich zwar vorsichtig, demonstriert jedoch gleichzeitig großes Selbstvertrauen in das Paket seines Tams: "Es gibt dort immer viele Überraschungen und wir wollen aber gleich unsere Position im Kräfteranking deutlich machen. Die Tests im Winter fanden auf Kursen statt, die dem FW37 weniger liegen. In Melbourne sollten wir jedoch noch einmal eine Schippe drauflegen können."

Bottas und Massa: Von Beginn an auf Attacke

Nach seinem Durchbruch und WM-Rang vier im Vorjahr will Valtteri Bottas mit einem starken Start in die Saison 2015 die Basis für eine weitere Steigung legen. "Ich will unbedingt mit einem Top-Resultat ins Jahr starten. Wir wissen zwar, dass wohl nicht alle sämtliche Karten bislang aufgedeckt haben, jedoch fühle ich mich stark und traue mir mit unserem Paket eine sehr gute Leistung zu.

Bottas weiß um die Wichtigkeit guter Resultate früh in der Saison: "Falls wir mit einem Vorsprung auf die Konkurrenz starten, müssen wir so viel wie möglich punkten, solange es geht. Keiner weiß, wie schnell und gut sich die Teams während des Jahres entwickeln."

Auch Teamkollege Felipe Massa schlägt in dieselbe Kerbe: "Ich will von Beginn an bei der Musik sein und mir einen Vorteil auf die Konkurrenz herausfahren. In Australien wirst du in der Regel für deine Arbeit im Winter belohnt, jedoch kann dir auch schonungslos aufgezeigt werden, wo deine Schwachstellen liegen und wo Nachholbedarf besteht. Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht und sind bereit."

Felipe Massas Melbourne-Bilanz ist mit einem Podium bei zwölf Anläufen bescheiden, Foto: Sutton
Felipe Massas Melbourne-Bilanz ist mit einem Podium bei zwölf Anläufen bescheiden, Foto: Sutton

Williams: Melbourne Bilanz

Williams in Melbourne: 1996, bei der Premiere in Melbourne, fuhren der spätere Weltmeister Damon Hill und sein Teamkollege Jacques Villeneuve gleich einen Doppelsieg heraus. Seit dem glanzvollen Auftakt wartet Williams jedoch auf einen weiteren Erfolg Down Under. Und während die Konkurrenz von Ferrari und McLaren bei den nächsten 18 Australien Grands Prix jeweils sechs Siege herausfuhr, musste sich der Rennstall von Sir Frank Williams mit Podestplätzen zufrieden geben. Juan Pablo Montoya landete zwei Mal auf Rang zwei (2002, 2003), wohingegen für die vier dritten Plätze ausschließlich deutsche Fahrer verantwortlich zeichneten: Heinz-Harald Frentzen (1998), Ralf Schumacher (1999, 2000) und Nico Rosberg (2008).

Felipe Massa in Melbourne: Felipe Massa und Melbourne - das ist bislang keine wirkliche Liebesgeschichte. Zwölf Mal trat der Brasilianer beim Rennen im Albert Park an, sieben Mal erreichte er nicht das Ziel. Und selbst wenn er das Schwenken der Zielflagge auf der Strecke miterlebte, mit Ruhm bekleckerte sich der langjährige Ferrari-Pilot selten, denn Punkte gab es nur bei vier Rennen. Aufgehellt wird die ernüchternde Bilanz durch Massas Podiumsfahrt von 2010, als er den Grand Prix auf dem dritten Platz beendete. 2013 sprang immerhin der vierte Rang heraus.

Valtteri Bottas in Melbourne: Der Finne gab 2013 im Albert Park sein Formel-1-Debüt, kam aber nicht über den 14. Platz hinaus. Deutlich besser lief es Vorjahr: Bottas arbeitete sich vom 15. Startplatz bis auf den fünften Rang nach vorne und erzielte das bis zu diesem Zeitpunkt beste Ergebnis seiner F1-Karriere.

Redaktionskommentar

Motorsport-Magazin.com meint: Williams scheint so gut für einen Saisonauftakt in Australien gerüstet wie schon seit 1996 nicht mehr. Der FW37 ist ein deutliches Stück stärker als sein Vorgänger - Valtteri Bottas und Felipe Massa ließen während der Testfahrten mehr als nur Aufhorchen. Im Dreikampf mit Red Bull und Ferrari scheinen die Martini-Renner derzeit leicht die Nase vorne zu haben, was bei der Streckencharakteristik in Melbourne aber bereits zu einem Topkommentar reichen kann. Ich sehe Williams dort klar als zweite Kraft hinter Mercedes und rechne fest mit einem Podest für Bottas oder Massa (Samy Abdel Aal).