Legt man die Leistungen bei den Testfahrten in Jerez und Barcelona zugrunde, hat Mercedes beste Chancen, die Formel-1-Weltmeisterschaft 2015 zu verteidigen. Die Silberpfeile überzeugten nicht nur mit starken Rundenzeiten, sondern waren auch ein Muster an Konstanz, wie die meisten abgespulten Kilometer aller Teams belegen. Die Stuttgarter gehen daher voller Zuversicht in die neue Saison, nicht aber ohne vor der Konkurrenz zu warnen.

Weniger Ausfälle angepeilt

"Die Vorbereitung war in Ordnung. Das Auto wurde neu konzipiert und man muss schauen, ob es besser liegt als das alte", erklärte Niki Lauda, der Vorstandvorsitzende des Teams, im ORF. Für den Österreicher ist ein Sieg in Melbourne zwar Pflicht, allerdings erwartet er, dass es der Gegnerschaft über den Winter gelungen ist, den Rückstand zu reduzieren. "Der Abstand zu Williams, Ferrari und Red Bull wird enger werden", so Laudas Prognose.

Deshalb gilt für den dreifachen Weltmeister: "Wir müssen von Anfang an volle Pulle fahren. Wir dürfen keine Fehler machen und müssen alle Punkte mitnehmen, die man kann, denn nur so kann man gewinnen." Ähnlich sieht Motorsportchef Toto Wolff die Situation. "Wir haben im letzten Jahr die Meisterschaft gewonnen und das Auto war gut, aber das ist im Moment nichts mehr wert", betonte der Österreicher, wohlwissend, dass Mercedes sich nun nicht mehr in der Rolle des Jägers befindet, sondern der Gejagte ist. "Alles ist auf Reset, man muss die Leistung wieder bringen."

So überlegen die Silberpfeile 2014 auch waren, in puncto Zuverlässigkeit gab es noch einige Luft nach oben. Je drei Mal schieden Lewis Hamilton und Nico Rosberg aus - für Lauda deutlich zu oft. "Die Konstrukteurs-Wertung muss her, das ist keine Diskussion", stellte der 66-Jährige klar, schickte aber hinterher: "Letztes Jahr ist jedes Auto drei Mal ausgefallen, das muss halbiert werden." Die durchaus ambitionierte Zielsetzung lautet daher: "Jeder Fahrer darf nur noch eineinhalb Mal ausfallen. Man kann noch so viel gewinnen, aber die Ausfallquote muss reduziert werden."

Solche Bilder soll es während der Saison nicht geben, Foto: Sutton
Solche Bilder soll es während der Saison nicht geben, Foto: Sutton

Berserker Rosberg

Gehen die Pläne von Mercedes auf, wird es 2015 erneut ein Duell zwischen Hamilton und Rosberg um den Weltmeistertitel geben. Im Vorjahr wurde dieses teilweise an der Grenze der Legalität geführt und eskalierte in der Kollision von Spa, die zwar Hamilton als Verlierer sah, gleichzeitig jedoch die Meisterschaft zu seinen Gunsten kippen ließ, da Rosberg teamintern die Schuld für den Crash zugesprochen bekam, was den Deutschen merkbar verunsicherte. "Es ist nicht außer Kontrolle, aber es wird ärger", geht Lauda davon aus, dass auch in diesem Jahr mit harten Bandagen gekämpft werden wird. "Nico wird arbeiten wie ein Berserker und versuchen, Lewis zu erwischen."

Darauf, dass es ein reiner Silberpfeilzweikampf wird, wollte sich der Österreicher aber nicht festlegen. "Meine Befürchtung ist, dass ein dritter oder vierter Fahrer hinzukommt", warnte Lauda, der wie Wolff Ferrari äußerst stark einschätzt - nicht zuletzt dank Sebastian Vettel. "Die Italiener brauchen einen Fahrer, zu dem sie aufschauen können. Es ist die gleiche Situation wie damals bei Michael Schumacher", erinnerte Lauda, der aber auch Kimi Räikkönen auf der Rechnung hat. Entscheidend werde letztlich sein, ob Ferrari in der Lage sein wird, den Wagen während der gesamten Saison weiterzuentwickeln.

Was Hamilton und Rosberg betrifft, gilt auch in diesem Jahr das Credo, dass die Marke Mercedes-Benz über allem steht und sich die beiden Piloten auf der Strecke dementsprechend zu verhalten haben. "Die oberste Maxime lautet: Berührt euch nicht", verdeutlichte Wolff, der sich seine Schützlinge gemeinsam mit Lauda vor dem Saisonstart in Melbourne noch einmal zur Brust nehmen will, um die vereinbarten Verhaltensregeln aufzufrischen. "Wir werden sie aber frei fahren lassen", stellte Lauda klar, dass es auch 2015 keine Teamorder geben wird.

Teaminterne Kollisionen wie in Spa sind tabu, Foto: Sutton
Teaminterne Kollisionen wie in Spa sind tabu, Foto: Sutton

Hamilton-Vertrag: Es geht um Details

Noch keine Entscheidung gibt es bezüglich der ausstehenden Vertragsverlängerung mit Hamilton. Der Kontrakt des Weltmeisters läuft mit Saisonende aus und trotz seit geraumer Zeit andauernder Verhandlungen kam es noch zu keiner Einigung. Im Mercedes-Lager lässt man sich davon allerdings nicht nervös machen. "Wir haben es in Barcelona zum Punkt gebracht, dass es um Details geht", verriet Wolff. "Es ist ein wichtiger langfristiger Vertrag, das müssen wir ordentlich machen." Und Lauda fügte an: "Wir haben keine Eile."