Mit neuer Power zu alten Erfolgen? So könnte der Slogan für die Saison 2015 bei Red Bull lauten. Kaum ein Stein blieb auf dem anderen, um den vier Weltmeistertiteln aus den Jahren 2010 bis 2013 weitere folgen zu lassen. Ob der RB11 aber der erhoffte Heilsbringer ist und die Saison 2015 - zumindest hinter Mercedes - erfolgreich wird, steht aktuell noch in den Sternen.

Das Team: Vor der Saison 2015 hatte Red Bull einige - teils schmerzliche - Umstrukturierungen zu verschmerzen. Die wohl bedeutendste: Design-Guru Adrian Newey widmet sich nur noch teilweise der Formel 1. Aktuell teilt sich die Arbeit des Briten je zur Hälfte auf die Formel 1 und das Red-Bull- Technologiezentrum auf, er ist in beratender Funktion aber weiterhin tätig. Zudem verlor das Team den Kampf um Aerodynamiker Peter Prodromou, der zu McLaren wechselte.

Wie groß ist die Lücke, die Adrian Newey hinterlässt?, Foto: Red Bull
Wie groß ist die Lücke, die Adrian Newey hinterlässt?, Foto: Red Bull

Somit sah sich das nun neu formierte, vierköpfige Designteam bestehend aus Chief Engineering Officer Rob Marshall, Aerodynamikchef Dan Fallows, Auto-Chefingenieur Paul Monaghan und Performance-Chefingenieur Pierre Wache der Herausforderung gegenüber, den RB11 größtenteils alleine zu entwickeln.

In anderen Bereichen musste ebenfalls umdisponiert werden. Chefmechaniker Kenny Handkammer - seit 2006 fester Bestandteil des Teams - wurde noch während der Saison 2014 entlassen - unverständlich für viele Experten. "Dass Personal kommt und geht, ist normal. Aber einen Mann mit einer solchen Reputation während der Saison zu entlassen - das ist komisch. Normalerweise wird jemand in dieser Position in den Innendienst versetzt", erklärte damals Motorsport-Magazin.com-Experte Christian Danner. Ebenfalls neu: Guillaume Rocquelin, der ehemalige Chefingenieur von Sebastian Vettel, ist ab 2015 als Head of Race Engineering für Red Bull tätig. Seinen Posten als Chefingenieur - nun für Daniil Kvyat - nahm Gianpiero Lambiase ein.

Zumindest während der Testfahrten wirkte die neu formierte Mannschaft gut organisiert und bereits eingespielt. Die fehlende Kontinuität der Teamstrukturen könnte allerdings im Verlauf der Saison noch zu Problemen führen.

Team - Note: befriedigend

Daniel Ricciardo und Daniil Kvyat haben zusammen nur 88 GP bestritten, Foto: Red Bull
Daniel Ricciardo und Daniil Kvyat haben zusammen nur 88 GP bestritten, Foto: Red Bull

Die Fahrer: Den wohl drastischsten Wechsel bei Red Bull gab es aus Fahrersicht. Nach sechs Jahren und vier gemeinsamen Weltmeistertiteln hat Sebastian Vettel dem Team den Rücken gekehrt und versucht sein Glück nun bei Ferrari. Zurück bleibt Daniel Ricciardo. Der 25-Jährige war 2014 der erfolgreichere Red-Bull-Pilot und holte gegen die Übermacht Mercedes drei Siege heraus. Nach nur einem Jahr im ehemaligen Weltmeisterteam steht der Australier nun vor der Verantwortung, als Teamleader zu fungieren.

An seiner Seite darf sich Daniil Kvyat beweisen. Der Russe bestreitet 2015 erst seine zweite Saison in der Formel 1 und kann kaum Erfahrungsschatz im Bereich der Auto-Entwicklung einbringen. "Seine Situation ist ähnlich wie meine noch vor einem Jahr, allerdings ist er noch jünger", erklärte Ricciardo. "Ich werde nett zu ihm sein, ihm das Leben auf der Strecke aber gleichzeitig so schwer wie möglich machen." Mit dem Durchschnittsalter von 22,5 Jahren und zusammen 88 Grands Prix Erfahrung startet Red Bull mit der zweitjüngsten Fahrerpaarung in die Saison 2015.

Vor allem für Ricciardo stellt 2015 die Weichen für seine Zukunft. Kann sich der Australier - im Rahmen der technischen Möglichkeiten - an der Spitze etablieren und weitere Siege einfahren, oder rutscht er nach einer Sensationssaison ins Mittelfeld ab? Zumindest der ehemalige Formel-1-Pilot Gerhard Berger war im Interview mit Motorsport-Magazin.com vom Duo Ricciardo/Kvyat überzeugt. "Mit Ricciardo werden sie kein großes Loch verspüren", bezog sich der Österreicher auf den Abgang von Sebastian Vettel und fügte zu dessen Ersatzmann hinzu. "Kvyat ist mehr als eine Notlösung. Er ist ein junger, aggressiver Nachwuchsfahrer mit sehr viel Talent."

Fahrer - Note: gut

Das Auto: Der RB11 ist die Koproduktion des neuen Designteams in Zusammenarbeit mit Design-Guru Adrian Newey. Die wirkliche Performance des Boliden lässt sich nach den Testfahrten allerdings nur schwer einschätzen. Red Bull verzichtete beinahe gänzlich auf Performance-Runs, die Mannschaft setzte keine schnelle Rundenzeit auf den superweichen Reifen. Lediglich am Finaltag in Barcelona ging Ricciardo auf einen Run mit den weichen Reifen. Seine Zeit von 1:24.638 Minuten war allerdings knappe zwei Sekunden langsamer als die Testbestzeit von Mercedes-Pilot Nico Rosberg. "Wir haben uns auf das fokussiert, was wir benötigten und sind nicht auf Rundenzeitenjagd gegangen", erklärte Guillaume Rocquelin, Head of Race Engineering.

Hält die überarbeitete Renault-Power-Unit wirklich, was sie verspricht?, Foto: Renault Sport F1
Hält die überarbeitete Renault-Power-Unit wirklich, was sie verspricht?, Foto: Renault Sport F1

Einen Sprung erhofft sich Red Bull durch Renault. Die Power Unit soll deutlich effizienter sein und damit aus dem vorhandenen Kraftstoff mehr Leistung generieren. 2014 wurde spekuliert, dass der Unterschied zu Mercedes bei rund 60 PS liegen würde, diese Lücke soll nun zumindest verringert sein. "Ich werde keine Zeiten herausgeben, aber wir haben unser Ziel erreicht, dass da lautete, die Lücke zu Mercedes zumindest zu halbieren", so Renault-Motorenchef Remi Taffin. Wie groß die Lücke allerdings konkret war, wollte Taffin nicht preisgeben.

Auto - Note: gut

Die Zuverlässigkeit: Die Liste der Defekte bei Red Bull während der drei Testphasen ist lang. Batterie- und Motorenprobleme, Bremskühlung, Motorenalarm, Wechsel der Power Unit, ERS-Probleme oder ein defekter Hydraulik-Sensor. Mehrfach mussten die beiden Piloten ihren RB11 sogar an der Boxenausfahrt abstellen. Zwar erzielte die Mannschaft mit 943 absolvierten Runden die dreifache Anzahl an Testkilometern im Vergleich zum Vorjahr, wirklich zurücklehnen kann sich Red Bull mit diesem Ergebnis allerdings nicht. Lediglich Lotus, die einen kompletten Testtag verpassten, Force India, die Jerez komplett ausließen, und McLaren-Honda blieben hinter den Bullen zurück. "Wir hatten ein paar Zuverlässigkeitsprobleme, aber wir haben viele Kilometer abgespult und viel gelernt", so die verhaltene Bilanz von Ricciardo nach den Testfahrten.

Zuverlässigkeit - Note: ausreichend

Saisonziel: Siege einfahren und Platz zwei hinter Mercedes behaupten

Pro

  • Ricciardo als Siegfahrer
  • Renault-Power-Unit im Aufwärtstrend
  • Red Bull scheint noch deutliche Performance-Reserven zu haben

Contra

  • Zuverlässigkeit auch 2015 kritisch
  • Viele Umstrukturierungen und Veränderungen bringen Unruhe
  • Zweitjüngste Fahrerpaarung mit geringem Erfahrungsschatz
  • Williams und Ferrari scheinen aufgeholt, wenn nicht überholt zu haben