Neuer Teamchef, neuer Präsident, neue Designer und neue Fahrer. Ferrari startete bereits zum Ende der Saison 2014 eine Revolution. Ein neuerliches Debakel, von ähnlich historischem Ausmaß wie im vergangenen Jahr, soll und darf der Scuderia in der kommenden Formel-1-Saison nicht noch einmal passieren. Die Erfolgsaussichten bisher? Ausgesprochen gut! Bei den Wintertestfahrten hinterließ Ferrari einen stark verbesserten Eindruck. Doch obwohl drei Tagesbestzeiten und zufriedene Fahrer nur Gutes vermuten lassen sollten, bleibt ein Beigeschmack - schon 2014 hatte sich eine gute Ferrari-Testvorstellung als Strohfeuer entpuppt ...

Vettel weiß ein starkes Team hinter sich, Foto: Ferrari
Vettel weiß ein starkes Team hinter sich, Foto: Ferrari

Das Team: Der Hype um Neu-Ferraristo Sebastian Vettel hat dem ganzen Team neues Leben eingehaucht. Schon lang war die Stimmung bei den Roten nicht mehr so ausgelassen, wie in den zurückliegenden Testwochen. Überhaupt scheint der radikale Personalwechsel nach dem Debakel 2014 ein positives Momentum ausgelöst zu haben. Applaus in der Box hier, Schulterklopfen da, ja sogar ein Kimi Räikkönen im Dauerlächel-Modus - all das gehört zur neuen Identität der Mannschaft von Maurizio Arrivabene.

Gemeinsam mit Sebastian Vettel ist es dem neuen Teamchef offenbar in Rekordzeit gelungen den neu zusammenstellten Mitarbeiter-Stab einzuschwören. Zufall ließ Ferrari dabei nicht walten. Technikchef James Allison übernahm bei den Neubesetzungen die Gesamtverantwortung. Insbesondere der Brite selbst ist allerdings die Schachfigur, von der sich der Rennstall am meisten erwartet. Zum ersten Mal stammt der neue Bolide zu hundert Prozent aus der Feder des Mannes, der 2013 schon aus dem Lotus ein Siegerauto geformt hatte.

Die neue Technik-Abteilung, Foto: Sutton/Ferrari
Die neue Technik-Abteilung, Foto: Sutton/Ferrari

Doch sind auch die Allison direkt unterstellten Mitarbeiter alles andere als zu verachten. Besonders erfolgversprechend: Neben Chefdesigner Simone Resta tritt Rory Byrne - mit Red Bulls Adrian Newey DER F1-Design-Guru schlechthin - wieder Schritt für Schritt in den Vordergrund. Auch in der Motorenabteilung weht längst frischer Wind. Schon 2014 installierte Ferrari das Duo Mattina Binotto/Lorenzo Sassi statt Luca Marmorini, um die größte Baustelle der vergangenen Saison zu kitten. Nichtsdestotrotz bleibt ein klares Defizit gegenüber der stärksten Konkurrenz: Ferrari verfügt im Hybrid-Business einfach nicht über einen so gigantischen Background aus dem Straßenauto-Geschäft wie Mercedes.

Team - Note: gut

Der SF15-T war bei den Testfahrten gut in Schuss, Foto: Sutton
Der SF15-T war bei den Testfahrten gut in Schuss, Foto: Sutton

Das Auto: Der neu zusammengestellten Crew aus Ingenieuren ist mit dem SF15-T offenbar ein ziemlich großer Wurf gelungen. Verglichen mit seinem Vorgänger präsentierte sich der neue Bolide bei den Testfahrten mit einem wesentlich gutmütigeren Fahrverhalten. Das Auto lief konstant, lag wie ein Brett auf der Strecke und zeigte eine ansprechende Pace. Noch dazu gehörte auch die nervöse Front des F14 T, die Kimi Räikkönen 2014 so große Probleme eingebracht hatte, der Vergangenheit an.

Gleich drei Tagesbestzeiten sicherte sich Ferrari schon in der ersten Testwoche in Jerez. Viel Bedeutung wollte man dem nicht beimessen - insbesondere im Vergleich mit Mercedes. Rund eine Sekunde pro Runde soll Ferrari noch auf die Silberpfeile fehlen. Dass die Scuderia allerdings mindestens auf Augenhöhe mit Williams und Red Bull nach oben geklettert ist, daran zweifelt in Maranello niemand. Nicht allein die verbesserte Fahrdynamik des Boliden zeichnet dafür verantwortlich. Insbesondere ein Quantensprung bei der Leistung und Effizienz der Power Unit sorgt für große Zufriedenheit. Auch Ferrari-Kundenteam Sauber profitiert von dem neuen Leistungsplus und sprach Maranello bereits ein Extralob aus.

Auto - Note: gut

Abgeklatscht! Der SF15-T ist standfest, Foto: Ferrari
Abgeklatscht! Der SF15-T ist standfest, Foto: Ferrari

Die Zuverlässigkeit: Eine klare Stärke Ferraris ist die Standfestigkeit des SF15-T. Bei den ersten Testfahrten in Jerez sorgte das neue Auto nur für minimale Probleme, wenn überhaupt. Auch bei den zweiten und dritten Tests in Barcelona kamen allenfalls Kinderkrankheiten dazu. Lediglich wenige Stunden Testzeit versäumte die Scuderia wegen Defekten.

Ansonsten schnurrte die neue rote Göttin vergleichsweise konstant. 5418 zurückgelegte Kilometer reichten zum vierten Platz in der Fleißtabelle bei den Tests. Noch dazu sicherte sich Motoren-Kunde Sauber sogar den zweiten Platz in der Kilometerwertung - ein klares Indiz für eine sehr haltbare Power Unit von Ferrari.

Zuverlässigkeit - Note: sehr gut

Ziemlich beste Freunde: Kimi & Seb, Foto: Ferrari
Ziemlich beste Freunde: Kimi & Seb, Foto: Ferrari

Die Fahrer: Alonso raus, Vettel rein. 2015 versucht es Ferrari mit einem Rezept, das schon einmal funktioniert hat. Ein Top-Fahrer aus Deutschland soll der Scuderia zu Glanz und Gloria helfen. Der Vergleich von Sebastian Vettel mit Michael Schumacher wurde jedenfalls mehr als einmal bemüht. Und das ganz bewusst - auch von Ferrari selbst. "Seb ist super professionell und manchmal bin ich emotional wirklich beeindruckt, denn wenn ich ihn in der Box arbeiten sehe, kommt mir ein anderer Deutscher in den Sinn", sagt Maurizio Arrivabene.

Dass Ferrari mit Vettel einen Arbeiter und absoluten Spitzenfahrer verpflichtet hat, steht außer Frage. Doch hatte man den mit Fernando Alonso bereits zuvor im Team. Vor allem der psychologische Faktor steht daher offensichtlich im Fokus - vergleichbar mit einem Trainierwechsel im Abstiegskampf. Die spannende Frage lautet deshalb: Wie schnell flaut dieser Effekt ab, sollte der Saisonstart nicht wunschgemäß verlaufen?

Der Iceman ist zurück!, Foto: Ferrari
Der Iceman ist zurück!, Foto: Ferrari

Neben all dem Wirbel um Vettel, stellt sich jedoch noch eine zweite Frage. Ist es Ferrari gelungen, mit dem SF15-T ein Auto zu bauen, das auch dem Fahrstil Kimi Räikkönens entspricht? Im vergangenen Jahr war das eines der größten Probleme. Der Eindruck und die Aussagen des Icemans von den Testfahrten lassen nur eine Antwort zu: ja! Und das ist einer der wichtigsten Befunde der Tests - fühlt sich ein Räikkönen im Auto wohl, ist die Klasse des Finnen nur äußerst schwer zu toppen. Gleich beim Abschlusstest folgte der Beweis: Im Vergleich der Rennsimulationen ließ Räikkönen Vettel ziemlich alt aussehen.

Reifenwahl - Stint 1: Medium (VET/RAI), Stint 2: Medium (VET); Hart (RAI), Stint 3: Experimental-Medium (VET/RAI).

Fahrer - Note: gut

Saisonziel

Als zweite Kraft drei Siege einfahren! Für den Titel ist Mercedes zu weit weg.

Pro & Contra zum Saisonziel

Pro:

  • Power Unit: Effizienz und Zuverlässigkeit massiv verbessert
  • Räikkönen: Fahrverhalten passt wieder zum Fahrstil
  • Vettel: Deutscher Retter entfacht Italo-Teamgeist neu

Contra:

  • Strohfeuer-Alarm: Mit Showrunden kennt sich Ferrari aus ...
  • Faktor Zeit: Wunder hat der kurze Winter sicherlich nicht bewirkt
  • Background: Konzern-Hilfe im Hybrid-Bereich dürftig