Erst in Imola wird der neue Minardi-Cosworth PS05 sein Grand Prix-Debüt erleben – jener PS05, welcher laut Minardi-Boss Paul Stoddart mit einer revolutionären Schnauze sowie einer eigenständigen Lösung in Sachen Motorhaube für Erstaunen sorgen soll. Bis dahin, bei den ersten drei Saisonrennen, wird der kleine Rennstall aus Faenza das Vorjahrsmodell PS04B einsetzen. Dieser Wagen ist lediglich in Sicherheitsfragen auf dem Regelstand des Jahres 2005 – in punkto Aerodynamik jedoch wird dieses Auto auf Stand 2004 sein…

Da dies natürlich verboten ist, hat Paul Stoddart die anderen Teams um eine Ausnahmeerlaubnis für die ersten drei Saisonrennen gebeten. Für Minardi wäre das Umrüsten des im Prinzip schon mehrere Jahre alten Wagens einfach zu kostspielig gewesen. Das Team wollte lieber mit dem PS05 neue Wege beschreiten. Das Budget wiederum ist derart gering, dass Minardi im Vergleich zur Konkurrenz mit seinen zwei Testeinsätzen (einer bei Schnee in Misano, nur noch ein weiterer Test ist vor Saisonstart geplant, und zwar in Imola) so gut wie gar nicht testet. Der neue Wagen wird nicht rechtzeitig vor Saisonstart fertig sein.

Wie dem auch sei – acht der neun Teams haben der Anfrage von Minardi bislang zugestimmt. Es fehlt die Stimme eines einzigen Teams – und das heißt Ferrari. Dort hat man, wie ein Teamsprecher gegenüber Autosport versicherte, "in dieser Frage keine offizielle Position" eingenommen. Und da "keine offizielle Position" auch bedeutet, dass es keine Unterschrift unter dem Ansuchen von Stoddart gibt, hängt jetzt das Damoklesschwert eines Antrittsverbots für die schwarzen PS04B in der Luft. Und zwar ausgerechnet bei jenem Saisonauftakt in Melbourne, welcher für Minardi wegen der Herkunft von Paul Stoddart so etwas wie einen halben Heim-GP darstellt.

Für die FIA ist der Fall glasklar – nur wenn alle neun Teams einer Teilnahme der 2004er-Minardi zustimmen, kann es ein Okay der obersten Motorsportbehörde geben. FIA-Präsident Max Mosley sagt: "Wenn es kein Abkommen gibt und Minardi in Melbourne ein 2004er-Auto präsentieren sollte, welches somit illegal wäre, werden die FIA-Verantwortlichen keinen Scrutineering-Kleber auf den Autos anbringen und die Autos werden die Boxengasse von Melbourne niemals verlassen."

Paul Stoddart sagt: "Alle Teams haben uns unterstützt – mit der Ausnahme von Ferrari. Wir glauben zudem, dass unsere Autos legal sind. Wenn die FIA und Ferrari daraus nun einen Fall machen wollen, sollen sie es tun."

Die 2004er-Autos legal? Jawohl – Paul Stoddart ist nämlich zudem der Ansicht, dass die gesamten Regeländerungen für das Jahr 2005 illegal sind. Das wiederum sieht Max Mosley ganz anders: "Stoddart glaubt, dass die neuen Regeln nicht dem Concorde-Abkommen entsprechen. Jetzt muss er auch erklären, warum er dieser Meinung ist. Zudem haben seine Teamverantwortlichen jeder einzelnen Regeländerung ihre Zustimmung gegeben. Das ist schwer zu verstehen – sie haben bei allen Abstimmungen für die neuen Regeln gestimmt, auch bei der berühmten Faxabstimmung, doch dann revidierte Stoddart seine Wahl…"

Stoddart sagt: "Wir sagen, dass unsere Autos legal sind und wenn die Technikdelegierten ablehnen, würde es mich wundern, warum wir dann nicht unter Protest mitfahren könnten."

Mosley kontert: "Wenn alle Teams dafür sein sollten, dass jemand mit illegalen Autos mitfährt und wenn es keine Sicherheitsbedenken geben sollte, kann ich mir vorstellen, dass eine Erlaubnis erteilt werden könnte. Doch bislang ist das nicht geschehen."

Der Ball liegt also bei Ferrari. Ohne einer Unterschrift der Scuderia droht in Melbourne ein Eklat. Dass ausgerechnet in Australien, wo man besonders große Sympathien für Stoddart und seine kleine Truppe hegt, ein Fahrverbot für die Underdogs den Unmut der Fans auslösen könnte, beunruhigt Mosley übrigens nicht: "Das würde mir nicht im geringsten etwas ausmachen. Wenn alles so praktiziert wird, wie es die Regeln vorschreiben, dann sind das eben die Regeln. Stoddart müsste dann vor Gericht gehen und sagen: ‚Würden Sie eingreifen und mir erlauben, dass ich mit Autos antrete, die dem Vorjahrsreglement entsprechen?´. Die meisten Leute würden denken: ‚Was zum Himmel stellt er sich vor?´. Aber für das Rennen wäre ein solcher Fall sicher eine gute Publicity."

Auf einer zweiten Ebene geht es in diesem Fall jedoch nicht nur um die Erlaubnis, für drei Rennen mit den alten Autos fahren zu dürfen. Paul Stoddart wurde mittlerweile zu einer Art Politfigur. Bekanntlich gibt es derzeit eine Kluft zwischen Ferrari und den anderen neun Formel 1-Rennställen. Ferrari hat als einziges Team ein neues Concorde-Abkommen unterzeichnet. Stoddart setzte sich wiederholt für eine gerechtere Geldverteilung und andere Rechte der kleinen Teams ein, und er hegte mehrmals öffentlich den Verdacht, die FIA und Ferrari würden allzu eng kooperieren respektive unter einer Decke stecken. Das Politikum in dieser Angelegenheit: Jetzt braucht Stoddart ausgerechnet die Erlaubnis der Roten aus Maranello – doch dort hegt man keine Eile, dort hat man wie erwähnt noch "keine offizielle Position" zu dem Fall eingenommen. Was wäre die Formel 1 ohne ihre Polit-Spielchen?