Die neue Formel-1-Saison ist erst einen Tag alt, und schon kristallisiert sich heraus: Mercedes ist auch dieses Jahr wieder der große Favorit. Nico Rosberg war zum Auftakt der Testfahrten in Jerez zwar nicht der schnellste, dafür aber der mit Abstand fleißigste Pilot. Der Vize-Weltmeister spulte irrwitzige 157 Runden ab, also knapp 700 Kilometer. Schon jetzt zeigt sich: Der Silberpfeil funktioniert wie ein Uhrwerk. Eine wünschenswerte, aber durchaus auch heikle Situation für das Mercedes-Werksteam: Die Verantwortlichen müssen aufpassen, dass sich niemand auf den Lorbeeren ausruht.

"Wir hatten im vergangenen Jahr ein tolles Auto, aber das ist ein zweischneidiges Schwert", sagte Technikdirektor Paddy Lowe nach dem ersten Testtag in Spanien. "Auf uns lastet dieses Jahr eine sehr hohe Erwartungshaltung. Wir haben den Druck von außen und auch von den Anteilseignern gespürt." Mit Blick auf die natürliche Favoritenrolle warnte der Brite: "Die Formel 1 ist ein erbarmungsloses Business. Wenn man nicht aufpasst, verliert man seinen Platz über den Winter. So etwas haben wir auch schon erlebt."

Viel Flowviz-Farbe am W06 in Jerez, Foto: Sutton
Viel Flowviz-Farbe am W06 in Jerez, Foto: Sutton

Kleine Revolutionen

Zwar ist der F1 W06-Bolide eher eine Evolution seines dominanten Vorgängers, doch auch bei der Entwicklung des neuen Autos wollte Mercedes weitere Performancegewinne erzielen - auch, um die Konkurrenz weiter in Schach zu halten. "Wir wollten mit dem W06 den Vorteil halten, den wir uns mit dem W05 erarbeitet haben", machte Lowe klar. "Wir nehmen nichts als gegeben hin, denn unsere Gegner wollen genauso gewinnen wie wir. Das Auto ist effektiv eine Evolution, aber unter der Haube mussten wir kleinere Revolutionen begehen."

Dabei kam Lowe nicht umhin anzumerken, dass jede Entwicklung ein gewisses Risiko mit sich bringt. Er brachte es auf den Punkt: "Du willst zwar weiterentwickeln, dabei aber nicht riskieren, am Ende Rückschritte zu machen." Ein großer Punkt für die anstehende Saison im Hause Mercedes ist die Haltbarkeit. Ausfälle von Rosberg oder Teamkollege Lewis Hamilton brachten die Mercedes-Chefs regelmäßig auf die Palme. Das Idealszenario der Silberpfeile in dieser Saison: keine Punkte durch selbstverschuldete Ausfälle verlieren.

Angesichts der Reglementänderung eine anspruchsvolle Aufgabe, schließlich dürfen die Teams dieses Jahr nur noch vier statt fünf Power Units benutzen - hinzu kommt noch ein Rennen mehr. "Das ist eine wesentliche Verringerung und deshalb nehmen wir die Lebensdauer sehr ernst", sagte Mercedes Powertrains-Geschäftsführer Andy Cowell. "In Sachen Haltbarkeit hatten wir im vergangenen Jahr keine perfekte Saison. Das Ziel für dieses Jahr lautet, dadurch keine Punkte mehr zu verlieren. Wir lehnen uns jetzt nicht zurück und denken: Wir sind die Besten, wir müssen nichts machen."

Der neue Mercedes soll noch besser werden als sein Vorgänger, Foto: Mercedes AMG
Der neue Mercedes soll noch besser werden als sein Vorgänger, Foto: Mercedes AMG

Keine Zeit zum Ausruhen

Dabei könnte sich die Motorenabteilung in Brixworth theoretisch sogar etwas ausruhen, schließlich dürfen die Power Units nach einer FIA-Klarstellung jetzt auch während der Saison in einem bestimmten Rahmen weiterentwickelt werden. Mercedes hatte sich gegen diese Änderung gewehrt, den Streit allerdings verloren. Trotzdem wollen die Silberpfeile ihren ursprünglichen Plan fortsetzen: In Melbourne das bestmögliche Auto an den Start zu bringen.

"Wir gehen mit der Hardware nach Australien, die die bestmögliche Leistung erzielt und von der wir glauben, dass sie fünf Renndistanzen durchhält", kündigte Cowell an. "Was wir nicht wollen, ist, die Performance heraus zu zögern. Wenn sich das Zeitfenster nach hinten verschiebt, besteht nämlich immer das Risiko, langsamer zu arbeiten."