Zum ersten Mal seit 2010 geht Red Bull nicht als der Gejagte in eine neue Formel-1-Saison. Bedingt durch den Start der Turbo-Ära 2014 verlor der Serienweltmeister seine Vormachtstellung an Automobilgigant Mercedes. Trotzt merklicher Steigerung über den Verlauf der vergangenen Saison geht Red-Bull-Chefdesigner Adrian Newey davon aus, dass sein Team auch die Saison 2015 mit einem Rückstand angehen wird und muss, wenngleich dieser deutlich geringer sein sollte als im Vorjahr.

Obwohl Red Bull wie immer nach dem Weltmeistertitel strebt, backt Newey lieber kleine Brötchen: "Wir müssen in unseren Erwartungen realistisch bleiben. Mercedes hat einen sehr starken Antrieb. Wir gehen davon aus, dass sie am Ende vergangener Saison rund 60 PS mehr hatten als wir - und das ist eben nicht einfach so aufzuholen. In diesem Jahr geht es schlichtweg darum, den Rückstand weiter zu verringern. Wenn wir erneut drei Rennen gewinnen könnten, wäre das fantastisch."

Newey zeigt Vertrauen in Renault

Obwohl sich die Boliden der beiden Alphatiere bezüglich der aerodynamischen Fähigkeiten kaum Unterscheiden, läuft Red Bull aufgrund des PS-Defizits deutlich hinterher. Newey zeigt sich jedoch sehr zuversichtlich, Stück für Stück den entscheidenden Rückstand aufholen zu können: "Renault tut alles, um die Lücke zu schließen, aber so etwas dauert seine Zeit. Die Entwicklungszeiten beim Antrieb sind eben länger, als wenn es beispielsweise nur am Chassis etwas zu tun gibt."

Durch intensive Zusammenarbeit mit Renault hofft Red Bull - das beim französischen Automobilhersteller nun den Status eines inoffiziellen Werksteams genießt - auf merkliche Fortschritte hinsichtlich der zuvor oft maladen Renault-Power-Unit: "Renault nimmt die Herausforderung an. Sie können das schaffen. Aber wir müssen ihnen auch die nötige Zeit dafür geben. Wir haben ja nur eine gewisse Anzahl an Tokens für Veränderungen, deshalb wird es natürlich ungeheuer schwer, den Rückstand aufzuholen."

Red Bull: Schwierigkeiten dank Kvyat?

Newey glaubt fest an zukünftigen Erfolg, fordert jedoch Geduld ein: "Wir dürfen nicht erwarten, dass es von heute auf morgen passiert, sondern brauchen Geduld. Man darf nicht vergessen, dass es nicht nur der Verbrennungsmotor ist, sondern das gesamte System mit allen Komponenten ist sehr komplex. Wenn dann ein Konkurrent einen großen Vorsprung hat, dann ist es nicht so einfach, dies mal eben schnell aufzuholen - oder sogar am Konkurrenten vorbeizukommen."

Obwohl Newey nach wie vor die Hauptverantwortung hinsichtlich des Designs trägt und bei wichtigen Entscheidungen das letzte Wort haben soll, nimmt er nach zehnjähriger Zusammenarbeit mit Red Bull erstmals eine veränderte Rolle ein: "Dieses Jahr ist für mich eine erste große Änderung, da ich mich leicht zurückziehe. Sowohl für das Team als auch für mich ist dies ein guter Schritt, denn sie haben Raum für eigene Ideen, können wachsen und zeigen, was in ihnen steckt."

Die vergangene Saison war für Design-Genie Adrian Newey nicht immer einfach, Foto: Sutton
Die vergangene Saison war für Design-Genie Adrian Newey nicht immer einfach, Foto: Sutton

Newey, der trotz seiner veränderten Rolle zu vielen Rennen und Testfahrten erwartet wird, freut sich für die kommende Saison vor allem auf die Zusammenarbeit mit Neuzugang Daniil Kvyat. Newey hält große Stücke auf den jungen Russen, weiß jedoch, dass es im Vergleich zur bereits automatisierten Zusammenarbeit mit Sebastian Vettel einiger Umstellungen und Kompromisse bedarf: "Es wird eine große Herausforderung für uns, uns auf den neuen Fahrer einzustimmen, vor allem, da dessen Feedback ja entscheidend für die Entwicklung des Autos ist."

Newey und Red Bull zeigen sich von der neuen Fahrerpaarung trotz Verlustes von Superstar Vettel sehr angetan: "Bei Seb wussten wir, woran wir sind, aber mit Daniil muss sich natürlich erst alles einspielen. Das ist sehr spannend für uns, aber wir freuen uns enorm auf die Zusammenarbeit mit diesem jungen und talentierten Fahrer. Daniil und Daniel sind verdammt schnell und begabt und werden sich zu neuen Höhen pushen."