Am 15. März startet die Formel-1-Saison 2015. Es ist die zweite Saison mit den neuen Power Units. Das technische Reglement blieb bezüglich der Power Units stabil. Dass es nur mehr vier Exemplare für jeden Fahrer gibt, steht bereits seit Jahren fest. Die Aggregate wurden von Anfang an so konzipiert, dass sie fünf Rennwochenenden halten. Das sportliche Reglement hingegen sorgte in der Winterpause für mehr als genügend Diskussionsstoff.

Eigentlich war auch hier alles klar: Über den Winter wird weiterentwickelt. Und auch wie viel weiterentwickelt wird, war klar: Maximal 48 Prozent am Motor dürfen geändert werden. 32 von insgesamt 66 sogenannten Token dürfen gezogen werden. Weil Mercedes der Konkurrenz 2014 mit seinen Power Units auf und davon fuhr, wollten Renault und Ferrari mehr Möglichkeiten, um den Rückstand aufzuholen.

Die komplette Power Unit hat 66 Token, Foto: Renault Sport F1
Die komplette Power Unit hat 66 Token, Foto: Renault Sport F1

Deshalb wollten Renault und Ferrari Anpassungen am Reglement vornehmen. Ohne Einstimmigkeit ist das allerdings nach dem 31. Juli nicht möglich. Mercedes war von diesen Versuchen verständlicherweise nicht begeistert, zeigte sich aber kompromissbereit. Ferrari und Renault wollten zu den 32 Token im Winter noch zusätzliche Token, die Weiterentwicklungen während des Jahres zulassen würden. Zu einem solchen Kompromiss kam es aber am Ende nicht.

Stattdessen hat sich die FIA kompromissbereit gezeigt. Denn das Reglement lässt einmal mehr Raum für unterschiedliche Interpretationen. Im sportlichen Regelwerk wird nur eine Homologationsdeadline genannt: der 28. Februar 2014. Dabei handelte es sich natürlich um die Deadline für die Homologation der Power Units im vergangenen Jahr.

Erlaubt ist auch eine Power Unit, "die der FIA nach dem 28. Februar 2014 übergeben wurde, an der nur Veränderungen vorgenommen wurden, die im Einklang mit den jährlichen Homologationsregeln des Technischen Reglements stehen", heißt es im Sportlichen Reglement in Anhang 4 zur Power Unit Homologation.

Noch verwirrender wird es im Zusatz. "Einmal homologiert, dürfen für den Zeitraum der Homologationsperiode keine Änderungen an den homologierten Teilen beim Design oder der Konstruktion vorgenommen werden."

Einmal homologiert, gibt es kein Zurück mehr, Foto: Sutton
Einmal homologiert, gibt es kein Zurück mehr, Foto: Sutton

Heißt im Klartext: Lässt ein Hersteller die Power Unit zu Beginn der Saison neu homologieren, ist der Zug abgefahren. Für den Rest der Saison bleibt die Power Unit dann unangetastet, Änderungen aus Gründen der Zuverlässigkeit, Sicherheit und Kostenreduktion ausgenommen. Im Reglement steht allerdings nicht, dass ebenjene Homologation erfolgen muss - solange nur Triebwerke zum Einsatz kommen, die sich in nicht mehr als den zugelassenen Jahresentwicklungen vom ursprünglich am 28. Februar 2014 homologierten Exemplar unterscheiden.

Eine Lücke im Reglement, über die sich Renault und Ferrari freuen. Weil die FIA aber sehr früh über diese Interpretationsmöglichkeit informiert wurde, wäre es kein Problem gewesen, eine Direktive auszugeben. Darin hätte die FIA klarstellen können, dass die Power Units zu Beginn der Saison homologiert werden müssen. Aber der Automobilweltverband tat das Gegenteil und erlaubte diese Regelauslegung.

Welche Folgen hat die Lücke?

Charlie Whiting kommt Renault und Ferrari entgegen, Foto: Sutton
Charlie Whiting kommt Renault und Ferrari entgegen, Foto: Sutton

Im Endeffekt ist diese Regelauslegung eine gute Kompromisslösung. Die Hersteller dürfen über die Saison hinweg entwickeln, bekommen allerdings keine zusätzlichen Tokens. Haushalten und taktieren ist gefragt: Die meisten der 32 Token werden schon zu Saisonbeginn verbraten sein. Sonst müsste man zu Saisonbeginn mit einem weniger konkurrenzfähigen Motor antreten. Außerdem muss der Motor noch zu weiteren Rennen mitgeschleppt werden, weil über das ganze Jahr hinweg nur vier Exemplare zur Verfügung stehen.

Der Großteil an Weiterentwicklungen wird also zu Saisonbeginn kommen. Der Rest kann zwischen Australien und Abu Dhabi frei verbraten werden. Allerdings immer nur dann, wenn auch ein neuer Motor zum Einsatz kommt. Und davon gibt es dann nur drei weitere. Je später die Entwicklungsstufen kommen, umso mehr Zeit hatten die Ingenieure, zu entwickeln. Hier gilt es abzuwägen. Auch wenn ein Hersteller bis zum Saisonstart alle 32 Token verpulvern wollte, macht es unter Umstände Sinn, noch ein paar zurückzuhalten, um gegebenenfalls nachziehen zu können.

Das Honda-Problem

Weil 2015 mit Honda ein neuer Motorenlieferant in die Formel 1 kommt, gibt es aber weitere Probleme. Da Honda erst im zweiten Jahr des neuen Reglements hinzustößt, verläuft der Freeze-Plan der Japaner anders. Sie dürften in ihrem zweiten Jahr keine 32 Token einsetzen, sondern lediglich 25. So wie die anderen drei Motorhersteller 2016 auch. Hat der Honda-Motor einen Geburtsfehler, schauen die Japaner in die Röhre.

201520162017201820192020
Token gesamt666666666666
Mögliche modifizierbare Token6151514333
Token zur Verfügung3225201533
Erlaubte Modifizierungen in Prozent4838302355
Eingefrorene Teile51515236363
Prozent der PU eingefroren 82323359595

Der erste Honda-Schuss muss sitzen, sonst wird es eng. Das Reglement macht es Herstellern schwer, die sich erst nach der Einführung der Regeln dazu entscheiden, in die Königsklasse einzusteigen. Sollte 2016 ein neuer Hersteller kommen, darf der nur mehr 20 Token nehmen. Statt 48 Prozent wie im ersten Jahr können nur mehr 30 Prozent geändert werden. Honda hat diese Regel - wenn auch unter Murren - akzeptiert. "Das ist ein großer Nachteil. Aber die anderen Hersteller sagen, dass wir ja die komplette Power Unit für 2015 neu machen dürfen und dadurch einen Vorteil haben. Das glaube ich nicht. Da gab es große Diskussionen", sagte Honda Motorenchef Arai-san im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com

Ein anderes Problem wollte Honda allerdings nicht hinnehmen. Von der Lücke im Reglement profitieren nur Renault, Mercedes und Ferrari - die drei Hersteller haben schon eine Power Unit homologiert. Honda hat noch keine Power Unit homologiert und hat im ersten Jahr auch keine Token zur Verfügung.

Hondas Protest zeigte Erfolg: Aus Fairnessgründen dürfen auch die Japaner während der Saison entwickeln. Der Umfang ist an die Konkurrenz gekoppelt. Der abgerundete Durchschnitt der 32 Tokens, der von den anderen Herstellern zu Saisonbeginn nicht in Anspruch genommen wurde, steht auch Honda 2015 zu.

Ein frei erfundenes Beispiel: Mercedes startet mit einem um 27 Token weiterentwickelten Motor in die neue Saison, Renaults Aggregat wurde um 30 Token runderneuert und die Ferrari-Power-Unit hat lediglich eine 25 Token starke Kur erhalten. Mercedes hätte 5, Renault 2 und Ferrari 7 Token für den Rest der Saison übrig. Im Durchschnitt sind das 4,67 Tokens. Weil abgerundet wird, dürfte Honda während der Saison 4 Token ziehen.