'Die Jugend hat Heimweh nach der Zukunft' - dieser Satz entstammt der Feder des Philosophen und Schriftstellers Jean-Paul Sartre. Der Franzose beschäftigte sich in vielen seiner Werke auch mit der Thematik des 'Egos' und des 'Ichs'. Auf die Formel 1 übertragen sind die beiden sehr theoretischen Begriffe schon oft gefallen: In Medienechos heißt es nicht selten, dass Formel-1-Piloten Charakterköpfe oder Egozentriker seien.

Das 'Ich' bei Red Bull war lange Zeit der Ausnahmepilot und Serienweltmeister Sebastian Vettel und gerade deshalb wohl das Gesicht des Teams. Der Deutsche zog allerdings nach einer für ihn desaströsen Saison 2014 die Reißleine und gab seinen Wechsel zu Ferrari bekannt. Damit ebnete er Ende des vergangenen Jahres den neuen Weg seines ehemaligen Rennstalls, der praktisch über Nacht sein Schicksal in die Hände eines 25-jährigen Australiers und eines 20-jährigen Russen legte.

Die Zukunft bei Red Bull heißt Daniel Ricciardo und Daniil Kvyat, Foto: Sutton
Die Zukunft bei Red Bull heißt Daniel Ricciardo und Daniil Kvyat, Foto: Sutton

Somit folgt dem 'Ich' Vettel, ein im Lernprozess befindlicher Jüngling mit kaum Formel-1-Erfahrung. Diese Entscheidung fiel schnell, aber mit Bedacht. Denn schließlich stammen sowohl Kvyat als auch Ricciardo aus dem Red-Bull-Förderprogramm - genau wie Serienchampion und Vorgänger Sebastian Vettel.

Die Ernte einfahren

Die Saat des Red-Bull-Juniorprogramms trug nämlich schon mehrere Früchte - allen voran Vettel. Daniel Ricciardo, Daniil Kvyat und vielleicht irgendwann Max Verstappen und Carlos Sainz Jr. sind die Gesichter, die für Red Bull die Zukunft darstellen sollen. Die Zukunft und damit die Ernte hat für Red Bull jedoch mit der Personalrochade um Vettel und Kvyat schon begonnen.

Teamchef Christian Horner ist sich der Stärke seiner neuen und scheinbar unbekümmerten Fahrerpaarung sicher. "Mit Daniel [Ricciardo] haben wir einen phänomenalen, einen der absolut besten Fahrer auf der ganzen Welt. Das hat er 2014 demonstriert. Aber er hat gerade erst angefangen sein Selbstvertrauen zu steigern, Erfahrung zu sammeln und seine Performance zu verbessern. Und nächstes Jahr wird Daniil Kvyat ihn noch zusätzlich antreiben", pocht der Brite auch auf die Führungsrolle des Aussies.

Ritterschlag für Kvyat

Beim jungen Russen zog er sogar den oft gehört und gelesenen Kvyat-Vettel-Vergleich heran. Im Jungen aus dem Ural sieht er etwas Ungeschliffenes, aber sehr Aufregendes - ähnlich wie es bei Vettel der Fall gewesen sei. Ein Ritterschlag für den 20-Jährigen, der in Melbourne erst in seine zweite Formel-1-Saison gehen wird.

Kvyat folgt Vettel, Foto: Sutton
Kvyat folgt Vettel, Foto: Sutton

Der Vettel-Nachfolger zeigte in seiner Debütsaison eine starke Leistung. Gegenüber Motorsport-Magazin.com erinnerte sich Kvyats Wegbegleiter und ehemaliger Teamchef Franz Tost: "Er hat das Auto in Silverstone zweimal aus sehr brenzligen Situationen sensationell gut abgefangen." Andere durchaus erfahrenere Piloten seien unter diesen Bedingungen abgeflogen, ergänzte der Österreicher.

Motorsport-Magazin.com-Experte Christian Danner ist sich derweil der Integration Kvyats sicher: "Wenn es mit Ricciardo funktioniert hat, warum sollte es dann jetzt mit Kvyat nicht auch funktionieren?" Zumal der Experte die Frage nach einem Leader im Team hinten anstellt. "Bei einem so gut organisierten, technisch so dominant geführten Team brauchst du keine Leader-Rolle", sagte Danner. Letztlich brauche das Team einfach nur schnelle Fahrer.

Grinse-Leader Ricciardo

Der 'Honigdachs' lieferte letzte Saison eine Top-Leistung ab, Foto: Sutton
Der 'Honigdachs' lieferte letzte Saison eine Top-Leistung ab, Foto: Sutton

Dass der Honigdachs, wie Ricciardo oft genannt wird, schnell ist, braucht er der Welt nicht mehr zu beweisen. Zu sehr dominierte er vergangene Saison seinen hochdekorierten Teamkollegen, der zwar oft vom Fehlerteufel verflucht schien, aber auch bei fehlerfreien Rennen praktisch immer das Nachsehen hatte. Dennoch lernte Ricciardo viel von Vettel, so auch den Führungsstil des Deutschen.

Der Australier habe gesehen, wie er die Leute, mit denen er zusammenarbeitete, zu einer Einheit formte und seine Forderungen deutlich machte. "Er war immer sehr schonungslos, aber gleichzeitig doch sehr fair zu allen", blickte Ricciardo auf die Arbeitsweise seines Ex-Kollegen. Schon aufgrund seines Alters und der größeren Erfahrung dürfte Ricciardo in der kommenden Saison viel Aufmerksamkeit und vielleicht auch die Leader-Rolle erhalten - auch wenn sie nach Christian Danners Meinung nicht nötig ist.

Das Lachen vergeht Ricciardo nur selten, Foto: Sutton
Das Lachen vergeht Ricciardo nur selten, Foto: Sutton

Dass der ewig gut gelaunte Australier diese Rolle auch ausfüllen wird scheint unbestritten. Genauso unbestritten wie der Mut des Teams, den freigewordenen Platz des langjährigen 'Ich' Sebastian Vettel, mit einem Youngster zu besetzen - ganz dem Motto 'Die Jugend hat Heimweh nach der Zukunft' - mit einem 25-jährigen Australier und einem 20-jährigen Russen.