Barcelona, Jerez, Silverstone, Abu Dhabi: Die aktuell beliebtesten Testorte der Motorsport-Königsklasse sind einem jeden Formel-1-Fan bestens bekannt. Bereits in Vergessenheit geraten scheinen hingegen viele der historisch berühmtesten Teststrecken, wie etwa Fiorano, Vallelunga, Portimao oder Estoril. Rechtzeitig zum Auftakt der Testsaison 2016 frischt Motorsport-Magazin.com die Erinnerung an die Kilometerschlachten auf den Kult-Kursen noch einmal auf:

Circuit Paul Ricard - Le Castellet

Die wohl bekannteste Teststrecke der Welt erlangte ihren Ruf als Mekka der 'Erprobungsfahrten' bereits früh nach Eröffnung im Jahr 1970. Aufgrund des auch im Winter bisweilen milden Klimas, der großen Anzahl an Streckenvariationen sowie des seit jeher atypisch hohen Sicherheitsstandards war der Circuit Paul Ricard unter den Teams der verschiedensten Rennserien äußerst beliebt. Nachdem im Jahr 1990 der vorerst letzte Formel-1-GP im Süden Frankreichs ausgetragen worden war, zudem die Motorrad-Weltmeisterschaft zur Saison 2000 endgültig ins weltberühmte Le Mans übersiedelte, verlor die Strecke jedoch einiges an Strahlkraft.

Sebastian Vettel in seinem Ferrari bei Testfahrten in Le Castellet, Foto: Ferrari
Sebastian Vettel in seinem Ferrari bei Testfahrten in Le Castellet, Foto: Ferrari

Als die Erben Paul Ricards das Areal 1999 jedoch an Bernie Ecclestones französisches Unternehmen Excelis S.A. verkauften, begann die Renaissance des Traditionskurses. Unter Aufwand großer finanzieller Mittel wurde die Rennstrecke in einen hochmodernen Testkurs umgebaut. Ab Oktober 2001 nutzte das neugegründete Toyota-Formel-1-Team dank eines Exklusivvertrags erstmals die neue Anlage, ehe der Kurs ab Februar 2002 auch anderen Rennställen zugänglich gemacht wurde.

Seitdem ist Le Castellet trotz der exorbitant hohen Gebühren in der Winterpause beliebtes Reiseziel für Formel-1-Teams und Teilnehmer der 24-Stunden-Rennen von Le Mans. Ende Januar 2016 lud Pirelli zu Reifentestfahrten nach Südfrankreich. Bekannt ist der 'Farbenkreisel auch dank seiner auffälligen bunten Auslaufzone, die zum Abbremsen abfliegender Autos aus Asphaltstreifen mit variierenden Reibungsgraden besteht.

Ferrari-Land 1: Autodromo Internationale de Mugello

Die italienische Rennstrecke in Mugello ist offiziell im Besitz von Ferrari und diente der Scuderia zu Zeiten des uneingeschränkten Testverbots als Haus- und Hofstrecke. Jedoch durften auch andere Rennställe aus der Formel 1 oder anderen Rennserien den Kurs anmieten. Die über fünf Kilometer lange Strecke ist nördlich von Florenz gelegen und erfreut sich beim Gros der Piloten an Beliebtheit, obwohl dort nie ein Rennen ausgetragen wurde.

Fernando Alonso bei Testfahrten im ländlichen Mugello, Foto: Sutton
Fernando Alonso bei Testfahrten im ländlichen Mugello, Foto: Sutton

Berühmt ist die Schleife neben dem alljährlichen Spektakel des Italien Grand Prix' im Rahmen der MotoGP für zahlreiche Ereignisse: Jean Alesis schwerer Test-Crash 1994 ('Sturz vom Eiffelturm'), die Präsentation von Michael Schumachers letztem Ferrari 2006, Schumachers Testfahrten 2009, als er kurzfristig für den schwer verunfallten Felipe Massa das Stammcockpit bei Ferrari übernehmen sollte...

Auch der mittlerweile ausgeschiedene Ferrari-Zampano Luca di Montezemolo brachte Mugello immer wieder in die Schlagzeilen. So versuchte er jahrelang, den Italien GP auf die Ferrari-Hausstrecke zu locken. Nach Einführung des Testverbotes klagte er mit den berühmten Worten, dass er mit Mugello über eine eigene Teststrecke verfüge und deshalb in Gottes Namen auch testen wolle. Während sich Mark Webber und Sebastian Vettel für ein Rennen in Mugello stark machten, äußerte Vitaly Petrov Sicherheitsbedenken.

Ferrari-Land 2: Pista di Fiorano

Auch Sebastian Vettel bewegte bereits einen Ferrari auf dem berüchtigten Fiorano-Circuit, Foto: Ferrari
Auch Sebastian Vettel bewegte bereits einen Ferrari auf dem berüchtigten Fiorano-Circuit, Foto: Ferrari

Die Rennstrecke in Fiorano nahe Modena und Bologna befindet sich im Privatbesitz Ferraris und ist seit jeher ausschließlich der Scuderia zugänglich. Gerüchten zufolge soll sich der 1988 verstorbene Enzo Ferrari den Kurs erbaut haben, um tagtäglich seine geliebten Boliden und Piloten ohne die 'störende' Konkurrenz auf der Rennstrecke beobachten zu können. Offiziell diente Fiorano jedoch als Brutstätte eines jeden Ferrari-F1-Modells, die allesamt ihren 'Shakedown' dort absolvierten. Zuvor wurde für derartige Anlässe stets das Modena Autodrom herangezogen, das mit der Zeit die Anforderungen Ferraris jedoch nicht mehr erfüllte.

Auch Fiorano ist für mehrere Ereignisse bekannt: Nach seinem schlimmen Feuerunfall 1976 am Nürburgring versuchte sich Niki Lauda dort vor seinem Comeback erstmals wieder am Steuer eines Formel-1-Boliden. Bei Testfahrten schaffte Motorrad-Superstar Valentino Rossi in einem Ferrari-F1-Boliden eine Zeit unter der magischen Marke von einer Minute. Michael Schumacher bezeichnete Fiorano quasi als sein 'Wohnzimmer' und verbrachte die meiste Testzeit dort.

Circuit de la Comunitat Valenciana Ricardo Tormo

Kimi Räikkönen im Lotus auf dem Circuit Ricardo Tormo in Valencia, Foto: Lotus F1 Team
Kimi Räikkönen im Lotus auf dem Circuit Ricardo Tormo in Valencia, Foto: Lotus F1 Team

'Die andere Strecke' in Valencia liegt rund 20 Kilometer vor den Toren der spanischen Großstadt und beherbergte sowohl für Rennen als auch für Testfahrten bislang die meisten der berühmten Motorsport-Serien. Benannt wurde der Kurs nach dem zweimaligen 50ccm-Motorradweltmeister Ricardo Tormo, der aus der Nähe Valencias stammt.

Formel 1, MotoGP, die DTM und die World Superbike nutzten bereits häufig das auch im Winter freundliche Klima sowie die guten Streckenbedingungen zur Testarbeit. Bei seinem Formel-1-Comeback mit Mercedes spulte Michael Schumacher auf dem engen und verwinkelten Kurs seine ersten offiziellen Kilometer in einem Silberpfeil ab. Gemeinhin gilt die Strecke als Fanparadies, da von den Tribünen nahezu die gesamte Schleife einsehbar ist.

Autodromo Vallelunga Piero Taruffi

Felipe Massa beim Test in Vallelunga, Foto: Ferrari Press Office
Felipe Massa beim Test in Vallelunga, Foto: Ferrari Press Office

Die italienische Rennstrecke Vallelunga, benannt nach dem früheren Formel-1-Piloten Piero Taruffi, ist knapp 30 Kilometer nördlich vor der 'Stiefelmetropole' Rom gelegen. Nach verschiedenen Ausbauten und der Erhöhung der Sicherheitsvorkehrungen erlangte der Kurs jedoch erst 53 Jahre nach Fertigstellung im Jahre 2004 die offizielle Homologation durch die FIA. Fortan diente die Strecke vielen Teams als willkommene Testmöglichkeit, da gutes Klima und die geringere Entfernung von den Hauptsitzen der Rennställe gegenüber den spanischen Kursen Logistik und Umsetzung vereinfachten. Beliebt war Vallelunga vor allem bei Ferrari, Williams und Toyota - vor allem aufgrund der weitestgehend ähnlichen Charakteristik zum Straßenkurs in Monaco. Oft bereiteten sich die Topteams in Mittelitalien auf den wichtigsten Grand Prix des Jahres vor.

Portimao/Estoril

Timo Glock bei Tests im nassen Portimao, Foto: Sutton
Timo Glock bei Tests im nassen Portimao, Foto: Sutton

Auch in Portugal testete die Formel 1 gerne aufgrund des extrem milden Klimas im Winter. Sowohl das Autodromo Internacional do Algarve in Portimao als auch das Autodromo do Estoril dienten der Königsklasse des Motorsports bereits als Erprobungsstrecke. Während der Kurs in Portimao erst im Jahr 2008 fertiggestellt und von der FIA homologiert wurde, beherbergte der Kurs in Estoril bereits von 1984 bis 1996 den Großen Preis von Portugal. Aufgrund nicht erfolgter Umbauarbeiten verlor die Strecke anschließend jedoch ihren Platz im Rennkalender. Teams wie McLaren, Honda und Ferrari testeten in den folgenden Jahren dennoch häufiger im kleinen Land auf der Iberischen Halbinsel.