Sie lieben und sie hassen sie: Kommentatoren. Jeder Formel-1-Fan kommt unweigerlich mit den Formel-1-Kommentatoren in Berührung. Deutschsprachige Fans haben eine große Auswahl: Insgesamt vier Sender übertragen die Königsklasse des Motorsports. Motorsport-Magazin.com traf sich mit allen vier deutschsprachigen Kommentatoren. Heute stellen wir Ihnen Heiko Wasser von RTL vor.

Der laufende Aprilscherz

Heiko Wasser als Lehrer? Man kann es sich nur schwer vorstellen, aber unterhaltsam wäre sein Unterricht wohl. Dabei studierte Wasser Deutsch und Englisch auf Lehramt. "Aber ich habe relativ früh gemerkt, dass ich Journalist werden will", gibt er zu. In der Studienzeit ging es bei Wasser aber rund: "Ich war parallel DJ, hatte eine Eventagentur und habe dann zwei Jahre als Animateur im Robinson Club gearbeitet."

Das Gespräch mit Heiko Wasser war äußerst unterhaltsam, Foto: Motorsport-Magazin.com
Das Gespräch mit Heiko Wasser war äußerst unterhaltsam, Foto: Motorsport-Magazin.com

Anschließend arbeitete Wasser viele Jahre bei verschiedenen Lokalzeitungen und Radiosendern. Mit einem spannenden Projekt hat der heute 57-Jährige RTL auf sich aufmerksam gemacht. Nach britischem Vorbild startete eine Fußball-Computer-Hotline in Deutschland. "Wir haben dort Spiele zusammengefasst, die man sich dann über das Telefon anhören konnte. Eines dieser Spiele, das ich damals für Borussia Dortmund kommentiert habe, hat der damalige RTL Sportchef gehört und mich daraufhin verpflichtet."

1992 begann das Abenteuer RTL. "Präzise: Am 1. April 1992", erinnert sich Wasser. "Der laufende Aprilscherz." Doch wie kam Wasser überhaupt zur Formel 1? RTL verlor damals die Fußball-Rechte an Sat1. "RTL brauchte eine neue Sport-Crew, weil viele Leute weggegangen waren. Ich war einer der Newcomer und da mein Sportchef wusste, dass ich Formel-1-Fan war, hat er mich gefragt, ob ich auch mit zur Formel 1 will."

"Ich bin bunt, ich bin Boulevard"

"Ich war immer F1-interessiert, muss aber fairerweise sagen, dass meine Hauptsportarten früher eher Fußball und Tennis waren", gesteht er. "Ich war auch mal Stadionsprecher beim Eishockey." Zu seinem ersten Formel-1-Rennen für RTL reiste er deshalb mit einem Buch unter dem Arm. "Die Topleute kannte ich, aber nicht jeden Hinterbänkler."

Im ersten Jahr kommentierte er aber noch nicht. Wasser machte Einspieler, kurze Filme, die während der Formel-1-Übertragung in das Programm eingebaut werden. Seine erste Tat: Ein neues Format erfinden. Weil ein Beitrag damals mehrere Minuten dauerte, er aber ein paar kurze, lustige Schnipsel gesammelt hatte - unter anderem wie das Team Andrea Moda beim Abladen einen Boliden fallen ließ -, wurde das Format PS-Geflüster eingeführt. "Das haben wir heute noch im Programm", freut sich Wasser.

Seit 1993 kommentiert Wasser die Rennen. Erst mit Jochen Mass, seit 1998 mit Motorsport-Magazin.com-Experte Christian Danner. Die Aufgabenverteilung ist klar: "Ich bin der Kommentator, der Guten Tag und auf Wiedersehen sagt. Ich bin der, der die Zusammenfassung macht, wenn wir aus der Werbung zurückkommen. Ich bin der, der durch das Programm führt. Ich bin der, der den unsäglichen 198. Aufruf zum Anrufen machen muss, denn davon lebt der Sender, das ist mein Job. Diesen Job hat Christian zum Glück nicht, Christian kann sich auf das konzentrieren, was ihm Freude macht: auf das reine Racing. Wir sind natürlich sehr unterschiedlich: Ich bin der emotionalere, extremere Typ, der auch ein bisschen aus dem Sattel geht, der lauter wird. Er ist der relaxte bayerische Skilehrer mit dem Ohrstecker."

"Ich mache das jetzt 22 Jahre, da kann natürlich auch ich erklären, ob das Auto über- oder untersteuert. Aber Kraft der Definition unserer Aufgabenverteilung ist es so, dass der Zuschauer das lieber von Christian hören möchte, weil Christian der Rennfahrer ist. Auch wenn ich sehe, dass der Williams sehr, sehr schlecht liegt und permanent mit Turn-in-Oversteer kämpft, werde ich das nicht sagen. Ich sage: Was ist denn mit dem Williams los? Dann kann Christian sagen: Turn-in-Oversteer, Heiko. Und die Zuschauer sind glücklich."

Der bekennende Dortmund-Fan ist sich auch der Tatsache bewusst, dass er mit seinem Stil nicht alle Fans anspricht: "Ich bin natürlich Boulevard. Ich bin - denke ich mal - genau richtig für RTL. Ich bin bunt, mich interessieren neben dem Sport und den Autos auch die Boxenluder, die Frauen, die Fahrerfreundinnen und die Ehrengäste. Ich erzähle auch über die Partys, weil ich denke, das RTL-Publikum möchte das so höre. Ich bin mir der Tatsache durchaus bewusst, dass die absoluten Petrolheads mich dafür manchmal hassen, weil ich eben oft die deutsche Brille auf habe, mich zu sehr auf die Topstars konzentriere und Marussia oder Caterham nicht genügend würdige. Aber das ist so gewünscht, RTL ist nun mal ein deutscher Sender und RTL arbeitet fernsehtechnisch wie die Bildzeitung und berichtet in erster Linie über die vorne und über die Deutschen, aber selbst bei der Fachpresse kommt Ferrari öfter vor als Caterham."

Formel 1 ist auch Boulevard, Foto: Mercedes-Benz
Formel 1 ist auch Boulevard, Foto: Mercedes-Benz

Beim Thema Boulevard ist Wasser auch schon das ein oder andere Mal ins Schwitzen gekommen. Obwohl das RTL-Urgestein vor vielen Jahren die RTL-Datenbank initiiert hat, bereitet er sich noch immer auf jede Sendung akribisch vor und schreibt sich wichtige Fakten auf. "Da ist es wie in der Schule: Was man einmal aufgeschrieben hat, bleibt besser im Kopf." Doch die Zahlen waren nicht das Problem, als er bei Schumachers erstem Ferrari-Titel feststellte, dass Schumacher nach 21 Jahren der erste Ferrari-Weltmeister nach Jody Foster ist. Es hätte natürlich Jody Scheckter heißen müssen.

Oder als er Kai Ebel davon abhalten wollte, in der Startaufstellung einen Pornostar zu interviewen. "Entgegen aller Absprachen ist er aber zu Rocco Siffredi gegangen und hat ihn interviewt. Dann war er überrascht, woher der Pornostar so viel Ahnung von der Formel 1 hatte. Eine Woche später haben wir herausgefunden, dass das gar nicht der Pornostar war, sondern ein jugoslawischer Stabhochspringer."

Traumberuf angedellt

Als Kommentator beim quotenstärksten deutschsprachigen Formel-1-Sender hat Wasser schon einige komische Dinge erlebt. Einmal wurde er von einem pensionierten Richter wegen Aufforderung zu Lärmbelästigung und Eingriff in die Privatsphäre angezeigt. "Weil ich gesagt habe: Drehen sie ihren Fernseher lauter, damit auch die Nachbarn merken, es ist wieder Motorsport bei RTL." Auch von einem österreichischen Straßenverkehrsamt gab es schon einen Brief an Wasser: "Weil ich - als Gerhard Berger ins Kiesbett gefahren ist - gesagt habe: Na gut, er kennt sich da ja aus, die Feldwege in Wörgl sind auch nicht viel besser."

Trotz Anzeigen und Beschwerdebriefen ist Formel-1-Kommentator Wassers Traumberuf. "Traumberuf ja, aber mir sind es inzwischen ein bisschen zu viele Rennen. Als ich angefangen habe, hatten wir 16 Rennen, davon elf in Europa. Aber jetzt, da Korea und Indien nicht mehr im Kalender sind, geht es schon. Mit Indien und Korea war der Traum arg angedellt, weil das zwei absolute sch... Rennen waren, wo ich wirklich nie mehr im Leben hin will." Das Gespräch führten wir vor der letzten Version des Rennkalenders - die Korea für 2015 wieder vorsieht.